Von primär zu sekundär

Lithium spielt für eine saubere Energiewende eine wesentliche Rolle. Allerdings gibt es Herausforderungen bezüglich der Nachhaltigkeit der globalen Versorgung.
Illustration: E. Zillner

Chinesische Forschende habe versucht, das Angebotspotenzial und die Allokationsstruktur von primärem und sekundärem Lithium zu analysieren. Der Beitrag ist in „Communcations Earth & Environment“ erschienen.

Aufgrund seiner besonderen chemischen und physikalischen Eigenschaften hat sich Lithium zu einem Schlüsselmineral für die Energiewende entwickelt. Von 1994 bis 2023 sei die weltweite Lithiumproduktion von 6.100 auf 180.000 Tonnen gestiegen. Dabei entfielen 2023 47,7 Prozent der Produktion auf Australien. In vielen Ländern und Regionen gilt Lithium inzwischen als kritisches Mineral. Die Sicherstellung einer nachhaltigen Versorgung sei daher eine zentrale Herausforderung. Die Studie hat die beiden wesentlichen Anwendungsbereiche für Lithium-Ionen-Batterien untersucht: Elektrofahrzeuge und Speichersysteme.

Es wird erwartet, dass der Lithiumvorrat in den beiden Anwendungen von 0,2 Millionen Tonnen 2023 bis 2050 auf 14,02 Millionen Tonnen ansteigen wird. Dabei werde es eine Verschiebung der Bestände geben. 2023 sei Ostasien mit 38,31 Prozent die dominierende Region beim weltweiten Lithiumbestand gewesen. Auf Westeuropa entfiel ein Anteil von 20,18 Prozent, auf Nordamerika 10,40 Prozent. 2050 soll Südasien mit 36,4 Prozent den größten Anteil haben. Da alle Regionen ihre Dekarbonisierungsziele umsetzen wollen, werden die Regionen, die zeitlich etwas hinterherhängen, 2050 zu den Schlüsselregionen für die Anhäufung von in Gebrauch befindlichen Lithiumvorräten sein.

Für den Lithiumbestand in Elektrofahrzeugen wird ein Anstieg von 0,17 Millionen Tonnen 2023 auf 13,83 Millionen Tonnen 2050 erwartet. Bei den Batteriespeichern soll der Lithiumbestand von 0,029 Millionen Tonnen 2023 auf 0,49 Millionen Tonnen 2050 ansteigen.

Da die Lithiumreserven kontinuierlich abgebaut werden, nimmt die Menge des in Gebrauch befindlichen Lithiums ständig zu. 2023 haben die Regionen mit großen Lithiumreserven eine relativ kleine Bevölkerung, was zu großen Pro-Kopf-Lithiumreserven führt, beispielsweise 185 kg pro Person in Australien und Neuseeland. Geht man von den derzeitigen Proportionen des primären Lithiumangebots aus, so werden die Reserven der traditionellen lithiumreichen Regionen Lateinamerikas und der Karibik sowie Australiens und Neuseelands bis 2050 vo­raussichtlich um 90,35 Prozent bzw. 54,97 Prozent abnehmen. Da sich die Lithium-Ressourcen allmählich von den Lithium-Reserven zu den in Gebrauch befindlichen Beständen verlagern und LiBs ihren Verschrottungszyklus erreichen, wird die gesellschaftliche Nachfrage kontinuierlich durch Sekundärlithium gedeckt. Die Geschwindigkeit dieses Übergangs von den Lithiumreserven zum Lagerbestand der Lithiumversorgungsquellen nimmt zunächst zu und dann ab, wobei der Spitzenwert im Jahr 2043 voraussichtlich 20,79 Millionen Tonnen erreichen wird. Im Jahr 2042 wird der Lagerbestand voraussichtlich die Lithiumreserven übersteigen und zur Hauptquelle der weltweiten Lithiumversorgung werden. Bis zum Jahr 2050 wird der Lagerbestand voraussichtlich 14,02 Millionen Tonnen erreichen, was 129,76 Prozent mehr ist als die verfügbaren Lithiumreserven.

Die Entwicklungstendenzen der regionalen Lithiumvorkommen deuten auf eine globale Umverteilung der Lithiumressourcen hin. Die lithiumreichen Regionen Lateinamerikas und der Karibik sowie Australiens und Neuseelands werden einen kontinuierlichen Rückgang ihrer Lithiumvorkommen verzeichnen, während traditionelle lithiumarme Regionen wie Südasien einen stetigen Anstieg verzeichnen werden, wobei ihr Anteil an den weltweiten Lithiumvorkommen bis 2050 von 0 Prozent auf 25,37 Prozent steigen wird. Die Lithiumvorkommen in Zentralasien und Westasien werden voraussichtlich um das 114-Fache bzw. 457-Fache zunehmen. Bis 2050 wird Asien vo­raussichtlich mehr als 50 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen ausmachen. Gleichzeitig wird eine bemerkenswerte Verschiebung in Nordeuropa, Nordamerika und Subsahara-Afrika erwartet. Es wird erwartet, dass diese Lithiumvorkommen um 2025, 2044 bzw. 2037 von Lithiumreserven zu Lithiumbeständen übergehen werden. In anderen Regionen Amerikas, Europas und Afrikas werden ähnliche Trends erwartet, sodass diese drei Regionen ihre Lithiumversorgungsstrukturen um 2040 aktiv optimieren sollten.

Die Wissenschaftler haben auf Grundlage der EU-Verordnung über die Anforderungen an das Lithiumrecycling sechs Szenarien entwickelt: Business-as-usual, Batteriesammelszenario, Lithiumrecycling­szenario, erweitertes Lithiumrecyclingszenario, Lithiumreduktionsszenario und das kombinierte Szenario. Im Business-as-usual-Szenario steigt der weltweite Primärlithiumverbrauch von 2023 bis 2050 um das 25,53-Fache. Durch die Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsmaßnahmen wird der weltweite Verbrauch in unterschiedlichem Maße reduziert.

Bis 2050 wird Szenario 2 (Batteriesammelszenario) im Vergleich zum Business-as-usual-Szenario zu einem geringfügigen Rückgang des weltweiten Primärlithiumverbrauchs um 1,08 Prozent führen. Im Gegensatz dazu werden die Szenarien 3 und 4 eine deutlichere Reduzierung erreichen und den Primärlithiumverbrauch um 8,07 Prozent bzw. 22,15 Prozent senken. Szenario 5 wird die tiefgreifendsten Auswirkungen haben und den weltweiten Primärlithiumverbrauch um 32,09 Prozent senken, was einer achtfachen Reduzierung des weltweiten Verbrauchs im Jahr 2023 entspricht. Die Auswirkungen des kombinierten Szenarios werden im Vergleich zu Szenario 5 um weitere 33,62 Prozent sinken. Dies deutet darauf hin, dass eine bloße Erhöhung der Batteriesammelquote oder der Lithium-Rückgewinnungsquote nur sehr begrenzte Auswirkungen auf die Reduzierung des weltweiten Primärlithiumverbrauchs haben wird.

Die Kreislaufwirtschaft hat unterschiedliche Auswirkungen auf den Primärlithiumverbrauch der unterschiedlichen Regionen. In Asien haben sich die Auswirkungen der Kreislaufwirtschaft auf die Reduzierung des Primärlithiumverbrauchs in Ostasien und Südostasien während der Umsetzungsphase der Politik bereits bemerkbar gemacht und werden sich nach 2038 allmählich verstärken. Bis 2050 werden die in Szenario 5 umgesetzten Maßnahmen zur Reduzierung des Lithiumverbrauchs die tiefgreifendsten Auswirkungen auf die Eindämmung des primären Lithiumverbrauchs in Ostasien haben, was zu Reduzierungen von 37,73 Prozent und 27,09 Prozent im Vergleich zu Szenario 1 führt. Szenario 6 erweist sich als noch wirkungsvoller, da es den primären Lithiumverbrauch um weitere 31,44 Prozent und 33,26 Prozent im Vergleich zu den bereits erheblichen Einsparungen, die in Szenario 5 erzielt wurden, weiter senkt. Die Kreislaufwirtschaft wird sich verzögert auf den primären Lithiumverbrauch in Südasien auswirken. Insbesondere waren die Auswirkungen auf den Primärlithiumverbrauch während des Zeitraums der Umsetzung der Politik nicht nennenswert, werden aber nach 2038 deutlicher und erreichen um 2042 herum ihren Höhepunkt. Im Vergleich zu Szenario 1 wird Szenario 6 den primären Lithiumverbrauch um 36,54 Prozent senken. Von 2042 bis 2050 wird die Auswirkung einen schwankenden Wachstumstrend aufweisen.

In Amerika, Europa und Ozeanien war der Einfluss der Kreislaufwirtschaft während der Umsetzung der Richtlinie zunächst verhalten. Mit der Zeit hat sich dieser Einfluss jedoch stetig verstärkt und immer deutlicher manifestiert. Unter diesen wird Szenario 6 im Jahr 2050 im Vergleich zu Szenario 1 den Primärlithiumverbrauch in Nordamerika um 58,19 Prozent senken. Für Australien und Neuseeland, Westeuropa und Osteuropa waren die Auswirkungen der Kreislaufwirtschaft auf den Primärlithiumverbrauch gegen Ende des Umsetzungszeitraums der Politik deutlicher spürbar, wobei Australien um 34,91 Prozent und die beiden anderen Regionen um etwa 30 Prozent im Vergleich zu Szenario 1 zurückgingen. Da die Energiewende in den meisten europäischen Regionen allmählich ausgereift ist, werden sich die Auswirkungen der Kreislaufwirtschaft auf die europäische Region nach 2038 verlangsamen. Im Zeitraum 2038–2050 wird Szenario 6 den Primärlithiumverbrauch in Osteuropa und Nordeuropa um 49,81 Prozent bzw. 20,65 Prozent erhöhen. Die Auswirkungen der Kreislaufwirtschaft auf Australien und Neuseeland sowie Lateinamerika und die Karibik werden in diesem Zeitraum jedoch nicht nachlassen. So wird beispielsweise Szenario 6 den Primärlithiumverbrauch in Australien von 2038 bis 2050 um 25,15 Prozent senken. Im Jahr 2050 wird Szenario 6 den Primärlithiumverbrauch in Lateinamerika im Vergleich zu Szenario 1 um 52,75 Prozent senken.

Für die afrikanische Region zeigt sich auch bei den Auswirkungen der Kreislaufwirtschaft ein Trend, der zunächst schwach ist und dann stärker wird. Die Auswirkungen von Szenario 6 auf den primären Lithiumverbrauch in Nordafrika und Subsahara-Afrika werden 2042 bzw. 2048 ihren Höhepunkt erreichen und sich dann stabilisieren. Die Auswirkungen der Kreislaufwirtschaft auf Westasien und Melanesien sind jedoch nicht nennenswert. Insgesamt hat die Kreislaufwirtschaft nicht nur einen bemerkenswerten Einfluss auf Regionen, die der Energiewende Priorität einräumen, sondern auch eine deutlichere Verbesserung in Regionen, die Primärlithium produzieren.

Angesichts der Herausforderungen einer ungleichmäßigen globalen Lithiumverteilung und eines raschen Verbrauchswachstums ist die Einführung einer umfassenden und integrierten Managementstrategie von entscheidender Bedeutung. Eine solche Strategie umfasst unter anderem die Förderung von Maßnahmen zur Kreislaufwirtschaft, die Stärkung technologischer Innovationen, die Verbesserung der Ressourcengewinnung und Nutzungseffizienz sowie die Förderung der politischen Koordinierung und Zusammenarbeit auf globaler Ebene, insbesondere in Regionen mit schnellem Bevölkerungswachstum und hoher Lithiumnachfrage. So lässt sich ein nachhaltiges Lithiummanagement erreichen, das zukünftigen Anforderungen der Energiewende gerecht wird und gleichzeitig die globalen Ressourcen und die Umweltsicherheit erhält.

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