Nachdem die Bewertung der aktuellen Geschäftslage vor der Corona-Krise auf einem relativ stabilen Niveau positiv bewertet wurde, hat sich die Wahrnehmung der Befragungsteilnehmer:innen mittlerweile deutlich verschlechtert.
Mit Ausnahme einiger weniger positiver Tendenzen zeigt der entsprechende Indikator seit 2022 deutlich nach unten. Auch in der aktuellen Befragung ist weiterhin keine Trendumkehr festzustellen. Die Bewertung der generellen Geschäftslage gibt in allen genannten Regionen nach.
Die Gründe für die negative Stimmung sind vielfältig und zeigten sich bereits in den letzten Erhebungen. Hohe Energie-, Rohstoff- und Logistikkosten bleiben eine starke Belastung, vor allem für die deutsche Industrie, aber auch für viele andere Länder in Europa. Hinzu kommen eine schwächelnde Weltkonjunktur und eine Absatzschwäche für viele Produkte in Asien. Dort wächst vor allem rohstoffseitig eine massive Konkurrenz zu europäischen Produkten, die teils auch auf Überkapazitäten beruht, was die Anbieter hier wiederum preislich enorm belastet. Politische Unsicherheiten, protektionistische Tendenzen und kriegerische Auseinandersetzungen, wie in der Ukraine und zuletzt verstärkt im Nahen Osten, verschlechtern das Wirtschaftsklima zusätzlich.
Derzeit scheint es der Politik nicht zu gelingen, ein wirtschaftsförderliches Umfeld zu schaffen. Bereits in den vergangenen zwei Jahren zeigte sich der Composites-Markt mit starken Rückgängen. Auch für das laufende Jahr gibt es aus der Industrie weiterhin pessimistische Signale. Vor allem für Deutschland war und ist die Industrie ein wichtiger Wirtschaftsbereich. Diesem droht der weitere Niedergang, wenn es nicht gelingt, entsprechende regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine konkurrenzfähige Produktion ermöglichen.
Deutschland steht derzeit vor allem wirtschaftspolitisch und ökologisch vor strukturellen Änderungen, die notwendig sind. Diese notwendigen Anpassungen werden viele Jahre dauern und hohe Investitionen erfordern. Es ist dringend angeraten, hier endlich eine Balance zwischen notwendiger Belastung für die Industrie/Unternehmen einerseits und entsprechenden Entlastungen andererseits zu finden. Sollte der Niedergang der deutschen und europäischen Industrie weiter voranschreiten, wird es irgendwann fraglich werden, wer die Umstrukturierung finanzieren soll. Nur eine gesunde Wirtschaft, zu der auch eine produzierende Industrie zählt, wird in der Lage sein zu investieren und notwendige Maßnahmen zu finanzieren.
Für den Staat selbst wird das nicht möglich sein. Auch ein Ausbau der Beschäftigung im öffentlichen Dienst, wie in den vergangenen Monaten forciert, um wegfallende Stellen in der Industrie aufzufangen, löst dieses Problem nur vordergründig. Eine gesunde staatliche Finanzierung beruht auf einer gesunden Wirtschaft. Hierfür muss dringend etwas getan werden.
Dazu passend bleibt nicht nur die Bewertung der generellen Geschäftslage pessimistisch. Auch die Situation der eigenen Unternehmen wird weiterhin kritisch bewertet. Vor allem für Deutschland zeigt sich ein negatives Bild. Fast 70 % der Befragten bewerten die aktuelle Geschäftslage in Deutschland kritisch. Etwas positiver fällt die Sichtweise auf das weltweite Geschäft und Europa aus. Hier bewerten „nur“ 46 % bzw. 54 % der Befragten die Situation eher negativ.
Zeigten sich im Rahmen der letzten Erhebung noch eher positive Bewertungen der Zukunftserwartungen, so trübt sich dieses Bild aktuell deutlich ein. Befragt nach ihrer Einschätzung zur zukünftigen generellen Geschäftsentwicklung, zeigen sich die Werte durchweg rückläufig. Derzeit scheinen die Befragten nicht an eine Verbesserung der Situation zu glauben.
Auch für das eigene Unternehmen zeigen sich die Befragten hinsichtlich ihrer Zukunftserwartungen eher pessimistisch, wenngleich die Erwartungen im Hinblick auf die eigene Marktpositionierung weltweit positiv ausfallen.
Auffällig ist, dass die Sichtweise auf die Region Deutschland im Verhältnis zu Europa und der weltweiten Konjunktur seit 2022 kritischer ist. 25 % der Befragten erwarten eine negative Entwicklung der generellen Marktsituation in Deutschland.
Nur 18 % erwarten eine Verbesserung der aktuellen Situation. Für Europa und auch die Welt zeigen sich deutlich bessere Kennwerte. So erwarten nur 3 % eine weitere Verschlechterung der weltweiten Situation. 19 % gehen von einer Verbesserung der Situation aus.
Die aktuell zurückhaltende Bewertung der wirtschaftlichen Situation wirkt sich auch weiterhin auf das Investitionsklima aus. Nachdem in der letzten Befragung noch 22 % der Teilnehmenden von einem Anstieg der Personalkapazität ausgegangen waren (Befragung 1/2023 = 40 %), liegt dieser Wert aktuell nur noch bei 13 %. Demgegenüber stehen 33 %, die sogar von einem Rückgang im Bereich Personal ausgehen.
Auch der Anteil der Befragten, die Maschineninvestitionen planen, ist rückläufig. Waren bei der letzten Befragung noch 56 % von entsprechenden Investitionen ausgegangen, so sinkt dieser Wert nun auf 44 % ab.
Der Composites-Markt ist durch eine starke Heterogenität sowohl material- als auch anwendungsseitig gekennzeichnet. In der Befragung wurden die Teilnehmenden gebeten, ihre Einschätzung hinsichtlich der Marktentwicklung unterschiedlicher Kernbereiche zu geben. Die Erwartungen zeigen sich äußerst verschieden. Die beiden wichtigsten Anwendungsbereiche sind der Mobilitäts- und der Bau-/Infrastruktursektor. Beide befinden sich derzeit in starken Umbrüchen bzw. sind von Rückgängen betroffen, was sich auch in der Befragung deutlich zeigt. Wachstum wird vor allem im Bereich Windenergie und Luftfahrt erwartet. Hier zeigen sich grundsätzlich wenig Verschiebungen zur letzten Befragung.
Bei den Werkstoffen setzt sich die Entwicklung hinsichtlich der Einschätzungen der Wachstumstreiber weiter fort. Wurde für einen langen Zeitraum GFK als Material genannt, aus dessen Umfeld die wesentlichen Wachstumsimpulse für den Composites-Bereich zu erwarten sind, so werden die wesentlichen Impulse mittlerweile erneut von CFK oder materialübergreifend vermutet. Hier setzt sich der Trend der letzten Befragung fort.
Regional kommt es zu einer leichten Verschiebung. Die wesentlichen Wachstumsimpulse werden aus Asien und Nordamerika erwartet. Aber auch die EU (außer Deutschland) wird genannt. Deutschland wird weniger stark als Wachstumstreiber gesehen und verliert weiter an Boden.
Die zahlreichen negativen Einflüsse der letzten Zeit zeigen sich weiterhin auch im Gesamt-Composites-Index. Dieser gibt in allen Bereichen nach. In den letzten zwei Jahren hat der europäische Composites-Markt etwa 15 % seines Produktionsvolumens eingebüßt. Auch wenn nicht alle Bereiche gleichermaßen von Rückgängen betroffen sind, sollte dies ein Alarmzeichen sein. Bis zur Corona-Pandemie zeigte sich für viele Jahre ein kontinuierlicher Anstieg des Produktionsvolumens. Seit Beendigung der Corona-Krise und mit Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Unsicherheiten scheinen Europa und ganz speziell Deutschland als Wirtschaftsstandort unattraktiver zu werden. Bei einem Anstieg des Produktionsvolumens weltweit, nimmt der Marktanteil Europas mittlerweile kontinuierlich ab. Die Gründe sind vielfältig und einfache Lösungen gibt es nicht. Soll der Industriestandort gesichert bleiben, muss sich aber schnell etwas ändern. Einmal abgewanderte Unternehmen holt man schwer wieder zurück.
Es bleibt abzuwarten, ob es gelingen wird, der negativen Entwicklung gegenzusteuern. Hier wäre ein zielgerichtetes Eingreifen, auch der politischen Entscheidungsträger, wünschenswert. Dies kann aber ohne die Industrie/Wirtschaft nicht gelingen. Nur gemeinsam wird es möglich sein, den Wirtschafts-/Industriestandort Deutschland zu erhalten und erneut zu stärken. Für Composites als Materialgruppe generell zeigen sich, aufgrund des speziellen Eigenschaftsportfolios, nach wie vor sehr gute Chancen zum Ausbau der Marktposition in neuen, aber auch bestehenden Märkten. Die Abhängigkeit von gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen jedoch bleibt bestehen.
Es gilt nun über Innovationen neue Marktfelder zu erschließen, Chancen konsequent zu nutzen und gemeinsam daran zu arbeiten, Composites weiter in bestehenden Märkten zu implementieren. Dies kann gemeinsam oftmals besser gelingen als allein.