Der Internationale Altkunststofftag des bvse stand in diesem Jahr unter der Überschrift „Kunststoffrecycling ist Klimaschutz“ und zeigte die besondere Nachhaltigkeit auf, die durch das Kunststoffrecycling ermöglicht wird. Umso ärgerlicher ist es nach Angaben des Verbands, dass die Nachfrage nach Rezyklaten nach wie vor schlecht ist. Dirk Textor, Vorsitzender des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling: „Das Kunststoffrecycling lohnt sich kaum noch, weil nach wie vor die preiswerte Neuware die Kunststoffrezyklate verdrängt.“ Zusätzlich gelange billige Off-Spec-Ware, (nicht spezifikations-gerechte Neuware), aus Fernost, die auch als Rezyklate angeboten werden, in die europäischen Märkte.“ Aber auch die Lizenzierung schaffe häufig falsche Marktanreize zulasten der Rezyklate, so Textor. So würden LVP-Verpackungen aus Glas, Verbundstoffen, Weißblech und Aluminium bevorteilt, aber Kunststoffe mit Strafaufschlägen versehen.
bvse-Vizepräsident Herbert Snell wies darauf hin, dass die Alternativen zu den Kunststoffverpackungen häufig einen höheren CO2-Footprint aufweisen. Hinzu komme, dass bei den Papier-Kunststoff-Verbunden die Kunststoffschichten in der Regel nicht rezyklierbar sind. Snell: „Um es ganz klar zu sagen: Faserverbunde sind Greenwashing.“
In diesem Zusammenhang wurde seitens des bvse in Dresden kritisiert, dass Verpackungen bisher nicht nach deren CO2-Bilanz bewertet werden. Das führe dazu, dass Neuware zwar einen großen ökologischen Rucksack aufweise, aber auch deshalb meist billiger als Rezyklate sei und sich so im Markt durchsetze, betonte bvse-Referent Thomas Probst.
Nicht zufrieden zeigt sich der bvse-Fachverband Kunststoffrecycling auch mit der Novellierung der EU-Verpackungsverordnung sowie der Novellierung der EU-Altfahrzeugverordnung. „Hier werden vorsätzlich neue Bürokratiemonster geschaffen“, befürchtet Probst angesichts der europäischen Gesetzgebung. Er machte deutlich: „Recycler sind gefordert, gute Rezyklate in die Märkte zu bringen und nicht, um der überbordenden Bürokratie gerecht zu werden.“
Die wichtige Rolle der Kreislaufwirtschaft bei der Dekarbonisierung der Industrie betonte Johanna Wiechen, Referentin für Industrietransformation und Kreislaufwirtschaft bei Germanwatch. Sie machte in ihrem Statement vor der Presse deutlich, dass die mittelständische Recyclingbranche essenziell für das Funktionieren einer europäischen Circular Economy ist. „Leider wird das bisher bei der Dekarbonisierung der Industrie noch unzureichend mitgedacht. Aktuell wird sehr viel Geld in die Hand genommen, um die Industrie klimaneutral und nachhaltig zu transformieren. Wir sollten dieses Gelegenheitsfenster des Umbaus und der Investitionen in langlebige Industrieanlagen unbedingt nutzen, um den sehr wirksamen und damit subventionssparenden Hebel der Kreislaufwirtschaft effektiv zu nutzen“, so Wiechen.
Die Frage stelle sich, inwiefern die aktuelle Industriepolitik auch ein Etablieren der Kreislaufwirtschaft im Blick hat und aktiv fördere. Als ein sehr wichtiges Förderinstrument auf dem Weg zur Klimaneutralität sieht Wiechen vor allem die sogenannten Klimaschutzverträge. „Allerdings berücksichtigen sie in ihren Förderrichtlinien bisher nicht die Möglichkeiten der Emissionsreduktion durch Kreislaufwirtschaft, obwohl die Treibhausgas-Einsparpotenziale enorm sind“, betonte die Referentin. Germanwatch setze sich deshalb dafür ein, dass eine Investitionsentscheidung hin zu mehr Kreislaufwirtschaft förderfähig werden sollte.
Auch die Bundesförderung Industrie und Klimaschutz (BIK) und selbst Förderprogramme wie die Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz (EEW) des BMWK förderten fast ausschließlich Energieeffizienzmaßnahmen und keine Reduktion in Materialverbräuchen, kritisiert die Expertin. Das Problem: Positive Klimaeffekte können demnach meist nicht dem Antragsteller direkt zugerechnet werden, denn Kreislaufwirtschaft wirkt systemisch und entfaltet ihren Beitrag entlang der gesamten Kette.
„Hierfür ist es dringend nötig, im Rahmen des EU-Beihilferechts Lösungen zu finden. Speziell Artikel 47 der AGVO zu ‚Investitionsbeihilfen für Ressourceneffizienz und zur Unterstützung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft‘ muss dafür überarbeitet werden“, forderte Johanna Wiechen von Germanwatch und führte weiter aus: „Wenn wir konsequent sein wollen, müssen wir auch bei der Debatte um Strompreiserleichterungen für die Industrie insbesondere auch jene Industrie mitdenken, die Sekundärkunststoffe bereitstellt. Bei einer Verstetigung der Strompreissenkung nach 2025 sollte diese an Maßnahmen für den Klimaschutz geknüpft werden. Das heißt: Dekarbonisierung und Flexibilisierung als notwendige Bedingung sowie eine Öffnung für mittelständische Unternehmen, die der Kreislaufwirtschaft dienen.“
Einen ausführlichen Bericht über den Altkunststofftag 2024 des bvse in Dresden lesen Sie in der nächsten Ausgabe des RECYCLING magazins.