Angesichts der ca. 5,8 Millionen Tonnen Textilien, die jährlich in der EU als Altkleider und Abfall anfallen, und einer weltweiten Recyclingquote von nur 1 % besteht dringender Handlungsbedarf. Das hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt: Im Rahmen der neuen Ökodesignverordnung und einer Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie soll die Nachhaltigkeit im Textilsektor entscheidend verbessert werden, indem über die Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung und Kriterien für ein recyclinggerechtes Produktdesign die Hersteller stärker in die Pflicht genommen werden sollen.
Da die Ökodesignkriterien und die Ausgestaltung der Herstellerverantwortung für Textilien im Detail vom europäischen Gesetzgeber erst noch geregelt werden müssen, widmete der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft am Donnerstag der IFAT-Messewoche diesem Thema eine Veranstaltung. Dabei diskutierten Vertreter der Hersteller, des Recyclingsektors und der EU-Kommission unter Moderation von Marlena Mazura, Referentin für Abfall-, Umwelt- und Energiepolitik in der Brüsseler BDE-Vertretung, die Probleme des Textilrecyclings und die aktuellen Bemühungen der Europäischen Union in all ihren Facetten.
Claudia Mensi, Präsidentin des europäischen Dachverbands der Entsorgungswirtschaft FEAD, führte mit einer Rede in das Thema ein. In ihrer Rede unterstrich Mensi, dass die zukünftigen Rahmenbedingungen unbedingt praxisgerecht gestaltet werden müssen. „Textilrecycling ist eine ökologische Notwendigkeit und wirtschaftliche Chance – um diese zu nutzen, müssen die Industrie und die Politik gemeinsam an einer Verbesserung des Status Quo arbeiten“, erklärte die FEAD-Präsidentin.
In der anschließenden Diskussion beschrieb Emily Bolon, CEO von Looper Textile Co., wie das in 2023 gegründete Joint Venture von H&M und Remondis derzeit moderne Sammlung- und Sortierungsanlagen von Alttextilien betreibt, aber auch wie sie mit den ökonomischen Herausforderungen der sich verringernden Nachfrage nach Second-Hand-Textilien umgehen. Sie betonte die Bedeutung der Sammlung und forderte, dass Hersteller, die Altkleider zurücknehmen, im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung finanziell belohnt werden sollten.
Ihr beipflichtend betonte Agnes Bünemann, Geschäftsführerin von cyclos GmbH, die Wichtigkeit von durchdachten Systemen der erweiterten Herstellerverantwortung, die insbesondere Sortierern die wirtschaftliche Existenz sichern können. Sie wies darauf hin, dass die Vermarktung von Alttextilien früher die Kosten der Sammlung und Sortierung decken konnten, da Alttextilien auf Grund von hoher Qualität auch einen hohen Wert hatten – dieses Geschäftsmodell sei durch Fast Fashion mit minderer Qualität jedoch zunehmend gefährdet. Daher müsse der Gesetzgeber an dieser Stelle in den Markt eingreifen und die Kreislaufwirtschaft verstärkt fördern. Notwendig sind Bünemann zu Folge auch technische Spezifikationen für das Textilrecycling.
Kim Scholze, Chief Sales und Marketing Officer von Sympatex, einem Textilhersteller, der Rezyklat einsetzt und seine Produkte bereits größtenteils recyclinggerecht gestaltet, drängte darauf, dass es strenge Designkriterien und insbesondere Vorgaben zum Einsatz von recycelten Materialien geben müsse; die Hersteller könnten bereits große Fortschritte für bessere Recycelbarkeit und den Einsatz von recycelten Materialien machen, müssten aber motiviert werden. Bolon und Schulze forderten zudem, dass die Textil- und Recyclingunternehmen stärker in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden müssten.
Dr. Wolfgang Trunk, Teamleiter in der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission, machte deutlich, dass die Kommission das Textilrecycling stärker über produkt- und marktbezogene Vorgaben und Instrumente fördern wolle, anstatt den EU-Mitgliedstaaten Recyclingziele vorzugeben, da deren Einhaltung und Erreichung schwerer zu überprüfen und durchzusetzen sein als produktbezogenen Vorgaben. Hinsichtlich der Forderung nach einer stärkeren Einbindung der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer verwies er darauf, dass die Kommission zahlreiche Stakeholder-Konsultationen durchgeführt habe und durchführe, insbesondere auch in Bezug auf das Design for Recycling. Trunk wollte von den anderen Panel-Teilnehmerinnen wissen, wie sie zu der im Rat von einigen Mitgliedstaaten erhobenen Forderung stehen, auch Second-Hand-Textilien in die erweiterte Herstellerverantwortung einzubeziehen und an den Systemkosten zu beteiligen. Bünemann, Bolon und Scholze waren sich einig, dass eine Einbeziehung von Second-Hand-Kleidung in der erweiterte Herstellerverantwortung abzulehnen sei – die Wiederverwendung von Kleidung sollte gefördert und nicht durch zusätzlich Kosten behindert werden, so Scholze.
Dr. Christian Suhl, Leiter des Brüsseler BDE-Büros, wollte abschließend von den Diskussionsteilnehmern wissen, wie ihrer Ansicht nach ein System der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) in den Mitgliedstaaten ausgestaltet sein solle und insbesondere ob monopolistische Strukturen oder ein Wettbewerb mehrerer Organisationen bzw. Systeme im Rahmen der EPR oder gar ein EU-weites System wünschenswert sei. Während sich Bolon und Scholze für ein EU-weites System, gegebenenfalls auch im Wettbewerb mehrerer Systeme aussprachen, lehnte Bünemann ein EU-weites System ab, forderte aber ein EU-weites Register für Hersteller. Alle drei betonten, dass die bürokratischen Belastungen für die Unternehmen gering bleiben müssten. Trunk betonte, dass ein EPR-System sicherstellen müsse, dass die Kosten für Recycling und Entsorgung der Alttextilien abgedeckt sind und sich die Kosten für die Hersteller an der Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit ihrer Produkte orientiert. Er äußerte Zweifel, ob dies im Wettbewerb mehrerer EPR-Systeme gewährleistet werden könne.