Werden Monomere zu langen Ketten polymerisiert, entstehen starke kovalente Bindungen zwischen den chemischen Bausteinen. Nach den Gesetzen der Thermodynamik suchen Moleküle stets einen thermodynamisch günstigen Zustand, also ein energetisch möglichst niedriges Niveau. Hierin liegt die Crux für das stoffliche Recycling von Kunststoffen: Sind die Ketten erst mal in einer thermodynamischen Senke, müssen große Mengen an Energie zugeführt werden, um die Bindungen ganz oder teilweise wieder zu lösen. Das gelingt in der Regel nur durch Verbrennung oder thermische Verfahren wie Pyrolyse.
Chemiker an der Humboldt-Universität Berlin glauben, einen Weg gefunden zu haben, wie Polymerisation und die entgegengesetzte Depolymerisation – also das Recycling – reversibel gestaltet werden können. Die Gruppe um Prof. Stefan Hecht hat ein Molekül synthetisiert, das empfindlich auf UV-Strahlung und bestimmte Wellenlängen von sichtbarem Licht anspricht. Das Molekül aus der Gruppe der Diarylethene reagiert unter UV und rotem Licht mit einem Amin. Dabei wird aus seiner C-O-Ketongruppe eine stabile C-N-Bindung. Bei Bestrahlung mit UV und blauem Licht läuft die Reaktion dagegen rückwärts und es entstehen wieder die Ausgangsstoffe. Wird das jeweilige Endprodukt aus dem Stoffgemisch entfernt, kann die Reaktion in beiden Richtungen mit hoher Ausbeute ablaufen. Beides funktioniert bei Raumtemperatur und unter Normaldruck.
Dieser Ansatz könnte für das Recycling von Kunststoffen interessant sein, betonen die Berliner Chemiker. Die meisten Polymer-Rezepturen enthalten nicht nur die entsprechenden Monomere, sondern darüber hinaus eine Palette von Additiven wie Weichmacher, Stabilisatoren und Vernetzern. „Vorstellbar wäre, dass wir unser Molekül als ein Vernetzungsmittel einsetzen“, erläutert Hecht, „damit ließe sich die Vernüpfung der Polymerketten genauso wie deren spätere Auflösung beim Recycling über Licht steuern“.
Voraussetzung allerdings wäre, dass das Polymer Stickstoff enthält, was für Massenkunststoffe wie PE, PP und PVC nicht zutrifft. In Frage kämen daher eher technische und hochpreisige Spezialpolymere. Auch muss das Diarylethene-Molekül erst noch so weiterentwickelt werden, dass es mehrere photochemisch aktivierbare Gruppen enthält, um als polymerer Vernetzer zu funktionieren. Laut Hecht wollen die Chemiker den photochemischen Schalter im nächsten Schritt an Polymeren Stoffen ausprobieren.