Von Elena Rüth, erschienen im RECYCLING magazin 23/2011.
Zahlreiche Initiativen, Webseiten, Blogs und Verbände kreieren hippe und am besten noch möglichst coole und ansprechende Ideen, Wettbewerbe und Internetforen, um den Amerikanern auf humorvolle und unaufdringliche Art und Weise klarzumachen, dass auch sie Müll vermeiden und vor allem besser recyclen müssen. „Keep America Beautiful“ – zu Deutsch: „Sorge dafür, dass Amerika schön bleibt“ – oder, in Anspielung auf die Notfallhotline, „Earth911“ oder auch „Disney’s Friends for Change“ sind nur drei Beispiele für Initiativen, die versuchen, den vernünftigen Umgang mit Müll attraktiv zu machen.
Seit 1997 schließen sich einmal im Jahr all diese NGOs und Verbände zusammen und feiern gemeinsam den „America Recycles Day“. Insgesamt 1.500 kleine und große Aktionen wurden beim diesjährigen Recycles Day am 15. November über das ganze Land verteilt veranstaltet. Die Ideen reichten von Aufräumaktionen in Parks und anderen öffentlichen Institutionen über Werksführungen von großen Recyclern bis hin zu Paraden, an denen „Captain Recycling“ in Superhelden-Aufmachung teilnahm.
Amerika soll schön bleiben
Inwiefern dieser Tag dazu beiträgt, dass sich das Bewusstsein der Amerikaner langsam ändert, ist nicht klar. Dass aber Firmen wie Johnson & Johnson, Anheuser Bush, Pepsi oder LG Electronics diesen Tag sponsern, zeigt, dass auch in den USA das Recycling zunehmend ernst genommen wird. Und das sollte es auch. Denn trotz guter Vorsätze und Ideen liegt das Land noch weit hinter so manchen europäischen Quoten und Standards zurück. Im Jahr 2010, so schätzt das hiesige Umweltministerium EPA, fielen rund 250 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle an. Das sind rund 803 Kilogramm pro Person. Zum Vergleich: Die Deutschen haben im Jahr 2009 je knapp 455 Kilogramm Siedlungsmüll produziert.
Neben dem hohen Müllaufkommen ist auch die Recyclingquote nicht gerade vorzeigbar. 34 Prozent des Siedlungsmülls wurden laut EPA im vergangenen Jahr in den USA recycelt. Zwar steige die Quote mit jedem Jahr, doch es bleibt die Tatsache, dass zur gleichen Zeit knapp 54 Prozent der Siedlungsabfälle deponiert wurden. Dennoch versuchen amerikanische Behörden und Verbände, die neuen Recyclingzahlen als großen Erfolg zu verbuchen. Das ist insofern richtig, als sie so hoch wie nie sind. Dennoch ist das Niveau im Vergleich zu vielen anderen Industrienationen nach wie vor niedrig.
„Recycling von Plastikflaschen erreicht Rekordhoch“, verkündet im Oktober dieses Jahres der American Chemistry Council (ACC) gemeinsam mit der Association of Postconsumer Plastic Recyclers (APR). Seit dem Beginn der teilweisen Getrenntsammlung der Flaschen im Jahr 1990 habe sich die Recyclingquote von einem auf 29 Prozent erhöht, geben die Verbände stolz bekannt. Alleine im Vergleich zum Jahr 2009 sei die Quote um ein Prozent gestiegen. Insgesamt seien so im vergangenen Jahr 1,18 Millionen Tonnen recycelt worden. Inzwischen hätten laut Mitteilung rund 94 Prozent aller Amerikaner die Möglichkeit, ihre Plastikflaschen getrennt abzugeben. Eine Pflicht dazu oder gar Pfand gibt es nicht. Zugang zu Recyclingmöglichkeiten für andere Plastikabfälle als Flaschen haben hingegen nur rund 40 Prozent.
Kein landesweites Konzept
„Es gibt im Prinzip in den USA keine nationale Recycling- und Verwertungspolitik“, kritisiert Craig Cookson vom ACC auf der diesjährigen Identiplast-Konferenz in Madrid. „Die Entsorgung ist nicht nur in jedem Bundesstaat unterschiedlich geregelt, sondern sogar teilweise von Kommune zu Kommune.“ Gleichzeitig sei es in den USA nach wie vor sehr günstig, den Müll zu deponieren. „Es gibt nur wenige Abfälle, die gar nicht deponiert werden dürfen. Für alle anderen sind die Gebühren sehr niedrig“, so der ACC-Vertreter.
Dementsprechend hoch fällt auch für Plastikabfälle insgesamt die Deponierungsquote aus: 80 Prozent werden nach wie vor auf Müllkippen entsorgt. Rund sieben Prozent werden recycelt, der Rest energetisch verwertet. Laut EPA wurden landesweit im Jahr 2009 insgesamt rund 2,12 Millionen Tonnen Plastikabfälle recycelt. Davon waren circa 387.000 Tonnen Plastiktaschen und Folien. „Es gibt landesweit rund 12.000 Sammelstellen dafür“, so Cookson. Da aber die Recyclingquote in diesem Segment nur knapp neun Prozent beträgt, darf deren Erfolg eher als mäßig angesehen werden. Vor allem das Konzept, dass in den Läden selbst gesammelt wird, macht kaum Sinn, da die meisten Verbraucher die Verpackungen erst einmal mit nach Hause nehmen und auch dort wegwerfen. Etwas weniger als die Hälfte der getrennt gesammelten Folien wurde exportiert. Der ACC versucht hier auf die Unternehmen einzuwirken, die Mengen lieber im eigenen Land zu behalten.
Im Bereich Kunststoffverpackungen – ausgenommen Flaschen – wurden in den USA im Jahr 2009 rund 213.000 Tonnen recycelt. Im Vergleich zum Jahr 2008 ist das immerhin ein Anstieg um fast 33 Prozent. Auch hier wurde fast die Hälfte der Abfälle exportiert – der Großteil nach China. „ACC arbeitet vor allem daran, mehr Container aufzustellen, um weitere Plastikverpackungen sammeln zu können“, sagt Cookson. Die Stadtverwaltungen würden derzeit an Plänen arbeiten, die Sammlung deutlich auszuweiten.
Prinzip der Freiwilligkeit
Von einer haushaltsnahen Getrenntsammlung sind die Nordamerikaner noch weit entfernt. Noch gilt fast ausschließlich das Prinzip der Freiwilligkeit. Der Bürger wird angehalten, die Abfälle selbst getrennt an bestimmten Stellen abzuliefern oder in Container zu werfen. Neben den Aktionstagen und weiteren Animierungsprogrammen setzt die Regierung auch auf das ökomische Gewissen: „Im Jahr 2009 wurden Altkunststoffe im Wert von 485 Millionen Dollar verschwendet“, rechnet das Umweltministerium vor. „Von diesem Geld könnten 1.000 Haushalte bequem zehn Jahr lang leben.“