Das Jahr 2024 ist geprägt von internationalen Krisen, einem konjunkturellen Abschwung und politischen Unsicherheiten. „Trotz ihrer Rolle im nachhaltigen Wirtschaftskreislauf sieht sich die Branche derzeit mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert, die ihre Wettbewerbsfähigkeit und langfristige Existenz bedrohen“, erklärte Sebastian Will, Mitglied im geschäftsführenden bvse-Präsidium, auf der Mitgliederversammlung des bvse-Fachverbandes Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling Ende September in Hamburg.
Fachkräftemangel und geringer Nachwuchs
Ein zentrales Problem stellt der Fachkräftemangel dar, der vor allem die überwiegend mittelständisch geprägten Unternehmen der Schrottwirtschaft belastet. Qualifizierte Arbeitskräfte, wie Fachkräfte für Kreislauf- und Abfallwirtschaft sowie spezialisierte Kraftfahrer und Maschinenführer, fehlen massiv. Der Beruf in diesem Segment ist wenig bekannt und findet nur geringe Förderung, was Nachwuchskräfte abschreckt.
Hohe Bürokratiebelastung
Neben dem Fachkräftemangel belasten zunehmend komplexe Genehmigungsverfahren und eine wachsende Bürokratie die Recyclingbetriebe. Eine Umfrage des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) im Herbst letzten Jahres ergab, dass acht von zehn Unternehmerinnen und Unternehmer die steigende Bürokratielast als demotivierend empfinden, und sechs von zehn sehen diese Last in den vergangenen fünf Jahren als „sehr stark gestiegen“. Die zunehmenden Verwaltungsanforderungen sind insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen oft kaum noch bewältigbar, kritisiert Sebastian Will.
Trotz der wachsenden gesellschaftlichen Anerkennung des Recyclings in der Nachhaltigkeitsdiskussion kämpft die Branche weiterhin gegen Vorurteile. Laut bvse sind bestehende gesetzliche Regelungen oft zahnlos, da staatliche Kontrollmechanismen fehlen. Diese Missstände führen dazu, dass Vorschriften zur Umwelt- und Arbeitsrechtssicherung nur unzureichend durchgesetzt werden, so Will.
Marktkonzentration und fehlende Förderung des Mittelstands
Der Recyclingmarkt sieht sich einer zunehmenden Marktkonzentration ausgesetzt, da große Konzerne ihren Einfluss ausweiten. Dies wird durch eine vertikale Integration befeuert, in der insbesondere Stahlwerke verstärkt Recyclingbetriebe übernehmen, um Nachhaltigkeitsziele intern abzudecken. Will kritisiert, dass sich politische Unterstützungsmaßnahmen vor allem auf Großunternehmen konzentrieren, während die mittelständisch geprägte Wirtschaftsstruktur Deutschlands zunehmend vernachlässigt werde. Förderungen und Subventionen fließen überwiegend an Großkonzerne, vornehmlich in der Stahl- und Automobilindustrie.
Neue gesetzliche Vorgaben, wie die Waste Shipment Regulation (WSR) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDD), verstärken die Bürokratie weiter. Die WSR setzt umfangreiche Audits voraus, die für kleinere Unternehmen eine erhebliche Belastung darstellen. Die CSDD wiederum, so Will, greife in einem unverhältnismäßigen Umfang in den Markt ein und führe zur Überregulierung ohne zielgerichtete Wirkung.
Rückläufige Marktentwicklung und wirtschaftliche Aussichten
Der Geschäftsverlauf 2024 zeigt ein alarmierendes Bild: Die Tonnagen im Schrottrecycling sind um 35–40 Prozent gesunken, was auf eine sinkende Nachfrage aus der Stahlindustrie und dem produzierenden Gewerbe zurückzuführen ist. Viele kleine und mittelständische Unternehmen im produzierenden Bereich sehen sich mit Insolvenz konfrontiert, was zu einem weiteren Rückgang der Schrottnachfrage führt. Für den weiteren Jahresverlauf erwartet die Branche kaum Erholungseffekte, und die Zukunftsaussichten werden allgemein als „Saure-Gurken-Zeit“ beschrieben.
Fazit und Ausblick
„Die Schrottrecyclingwirtschaft in Deutschland sieht sich mit großen strukturellen Herausforderungen konfrontiert, die ihre Existenz bedrohen. Um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu sichern, sind Maßnahmen zur Entbürokratisierung, Nachwuchsförderung und eine gezieltere Förderung mittelständischer Unternehmen unerlässlich. Nur so kann die Branche ihre wichtige Rolle im Ressourcenkreislauf nachhaltig und zukunftsfähig ausbauen“, ist sich Will sicher.