Niederländische Wissenschaftler sind aber der Meinung, dass eine Technologie-Kaskade deutlich sinnvoller wäre. Ihr Konzept haben sie in einem Beitrag in der Zeitschrift „ChemSusChem“ vorgestellt.
Das Konzept des Recyclings werde zu oft auf ein Recycling in geschlossenen Kreisläufen beschränkt, so die Autoren. Mechanisches Recycling sei zwar technisch effizient, aber durch die hohe Komplexität der Kunststoffabfälle und den technischen Anforderungen an die Produkte sei es zum Teil schon schwierig, einen Rezyklatanteil von 30 Prozent zu erreichen. Es seien eine komplexe Reihe von Systemänderungen und Technologien erforderlich, die über die Kreislaufführung einzelner Produkte hinausgehen und die gesamte kohlenstoffbasierte chemische Industrie zu einem Kreislauf machen. Der beste Weg aus Sicht der Autoren sei ein Kaskadensystem von Technologien, die sich gegenseitig ergänzen. So soll der größtmögliche Teil des Materials wieder in Polymere und chemische Produkte umgewandelt werden. Dabei gehe es darum, den Kohlenstoff im Kreislauf zu halten. Es sei egal, ob es sich um einen geschlossenen oder offenen Kreislauf handelt.
Eine derartige Recyclingkaskade baue auf einer Vielzahl von Technologien auf, die je nach ihren eigenen Anforderungen an die Qualität des Ausgangsmaterials und den Energieeinsatz priorisiert werden. Ein großer Teil der Kunststoffabfälle weise einen derart geringen Polymereinheitsgrad auf, dass ein hochwertiges mechanisches Recycling nicht möglich ist. Ein ergänzendes Recycling erfordere dann die Zerlegung der Polymerketten in Monomere oder andere Rohstoffe. Die Autoren argumentieren, dass es sinnvoller sei, durch eine gut zusammengestellte Kaskade von Technologien die Abfallströme mit zunehmenden Verunreinigungen und immer komplexeren Prozessen zu verarbeiten anstatt sich ausschließlich auf die Produktebene zu konzentrieren.
Die Autoren betonen, dass alle mechanischen und chemischen Recyclingtechnologien ein gewisses Maß an Sortierung und zum Teil auch ein vorheriges Waschen erfordern. Beim Input und Output gebe es deutliche Unterschiede, also bei Ausbeute und Qualität der Rezyklate. Auch der Rohstoff- und Energiebedarf unterscheide sich zum Teil erheblich. Es wird eine Ausbeute von etwa 95 Prozent beim mechanischen Recycling angenommen. Bei der Depolymerisation liege sie bei etwa 90 Prozent und bei Pyrolyse und Gasifizierung bei 50 Prozent. Bei der möglichen Beimischung von Rezyklaten zu Produkten zeige sich genau das Gegenteil: Während der Anteil beim mechanischen Recycling bei 40 Prozent liegt, erreicht er beim lösungsmittelbasierten werkstofflichen Recycling über 75 Prozent und bei den chemischen Recyclingoptionen sogar nahezu 100 Prozent.
Auch bei der erforderlichen Reinheit gebe es deutliche Unterschiede. Während sie bei der werkstofflichen Verwertung bei etwa 95 Prozent liegen müsse, seien es bei lösungsmittelbasierten Verfahren, Depolymerisation und Pyrolyse, etwa 85 Prozent. Bei der Gasifizierung sei es sogar nur etwa 10 Prozent, da es hier vor allem auf den Heizwert ankomme. Beim Energiebedarf könne zwischen einem hohen Bedarf für lösungsmittelbasierte Verfahren und die Depolymerisation ausgegangen werden. Bei den „trockenen“ Verfahren wie dem mechanischen Recycling, der Pyrolyse und der Gasifizierung sei er hingegen deutlich geringer. Dabei gehen die Autoren hier vom Energiebedarf pro Kilogramm Rezyklat aus.
Als Grundlage für die Kaskade nehmen die Autoren einen gemischten Kunststoffabfallstrom an, der zu 56 Prozent aus PO, zu 14 Prozent aus PS und PVC und zu 13 Prozent aus PET und PU besteht. Die Polymere wurden in Strömen von unterschiedlicher Qualität sortiert und verschiedenen Recyclingtechnologien zugeführt. Die Restfraktion wurde verbrannt. Als Ergbnis würden die Rezyklate zu 33 Prozent aus dem mechanischen Recycling, zu 10 Prozent aus der Depolymerisation und zu 26 Prozent aus dem rohstofflichen Recycling stammen. Für ein neues Produkt müssten demnach 31 Prozent an Primärmaterial genutzt werden. Damit würden nur noch 44 Prozent der Menge an Naptha benötigt, die bei der ausschließlichen Nutzung von Primärprodukten benötigt wird. Die Autoren weisen auch darauf hin, dass leichte Veränderungen der Sortierleistung, der Ausbeute oder des Energieverbrauchs nichts an den Vorteilen der Kaskade gegenüber einzelnen Technologien ändert.
Ein Closed-Loop-Recycling könne die angestrebte hohe Zirkularität alleine nicht erreichen. Ohne einen Paradigmenwechsel in der Technologie sei es unwahrscheinlich, dass die Gesamtquote des mechanischen Recyclings 40 Prozent übersteigen werde. Daher werden ergänzende Wege wie das chemische Recycling für die fehlenden 60 Prozent benötigt. Das lösungsmittelbasierte werkstoffliche Recycling könne zu einer Steigerung beitragen, allerdings auf Kosten eines hohen Energieverbrauchs. Dies gelte allerdings für den aktuellen Stand der Technik. Das Gleiche gelte voraussichtlich für die lösungsmittelbasierte Depolymerisation, die sich derzeit in der Entwicklung befindet.
Die Depolymerisation auf Basis der Pyrolyse sei energieeffizienter und damit vielversprechender. Dies gelte vor allem in Verbindung mit bio-basierten Polymeren. Um hier eine Wirkung zu erzielen, müsse die Industrie allerdings den Anteil dieser Polymere im Kunststoffmix deutlich erhöhen, um die Sammlung und das Recycling wirtschaftlich zu machen.
Pyrolyse und Gasifizierung könnten einen großen Beitrag zum Kunststoffrecycling gleisten. Da Abfälle von der Verbrennung oder Deponierung zurück in den Kreislauf geführt werden, könne ein großer Teil der Naphta-Fraktion ersetzt werden. Dies sei selbst bei der relativ niedrigen Ausbeute von etwa 50 Prozent der Fall. Derzeit sei Pyrolyse im Vorteil, da sie die vorhandenen Steamcracker nutzen könne. Es seien nur geringe ergänzende Investitionen erforderlich. Zu einem späteren Zeitpunkt könne die Gasifizierung dann eine wichtigere Rolle spielen, da sie den gesamten gemischten Kunststoffabfall bei relativ geringem Energiebedarf verwerten kann. Dies könne der wahre Eckpfeiler einer kreislauforientierten chemischen Industrie werden. Am sinnvollsten ist aus Sicht der Autoren die Kombination von mechanischem und chemischem Recycling. Es sei allerdings eine deutliche Verbesserung bei der Sammlung und Sortierung erforderlich.
Ein Rezyklatanteil von mehr als 70 Prozent ist aus Sicht der Autoren mit einem unverhältnismäßig hohen Energieverbrauch verbunden. Allerdings gebe es noch andere Möglichkeiten, etwa den Einsatz von erneuerbarem Kohlenstoff aus Biomasse oder CO₂. Es sollte jedoch sichergestellt werden, dass der Einsatz neuartiger biobasierter Kunststoffe und anderer biobasierter Materialien das Recycling bestehender Kunststoffe und Materialien nicht gefährdet. Insgesamt könne bis 2050 eine systemische Recyclingquote von etwa 60 Prozent möglich sein. Dieser Wert sei mit den Quoten anderer Materialien wie Aluminium, Stahl und Papier vergleichbar. Ein solches tiefgreifendes Recycling werde sich jedoch nicht ohne eine angemessene Gesetzgebung entwickeln, die es den Sortierern und Recyclern ermöglicht, angemessene Gewinnspannen zu erzielen.
Die Gesetzgebung sollte sich auf die Ziele des Recyclings konzentrieren und nicht auf seine Mittel. Sie sollte darauf abzielen, fossile Ressourcen so weit wie möglich zu ersetzen und alle Formen des Recyclings zu unterstützen. Es ist jedoch zu beachten, dass die daraus resultierende Verdrängung von fossilem Kohlenstoff durch einen Anstieg der Nachfrage nach Kunststoffen ausgeglichen werden könnte, die sich bis dahin verdoppelt haben dürfte. Wenn die Nachfrage nach Kunststoffen nicht deutlich reduziert oder die Valorisierung von erneuerbarem Kohlenstoff nicht drastisch erhöht wird, könne der Naptha-Verbrauch 2050 auf dem gleichen Niveau liegen wie heute.