Daher hat die DIHK im März 2024 knapp 2.000 Unternehmen zu diesem Thema befragt und die Antworten im Bericht „Kreislaufwirtschaft als Chance?“ aufbereitet.
Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft erfordert eine Vernetzung der einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette. Kern des zirkulären Wirtschaftsmodells sind dabei die R-Strategien. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, die R-Strategien zu kennen und mindestens eine davon in die Unternehmensstrategie integrieren zu wollen. Dabei nehme der Anteil der Unternehmen, die sich schon mit R-Strategien auseinandergesetzt haben, mit der Unternehmensgröße zu.
Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen habe sich sogar schon mit der konkreten Umsetzung von Maßnahmen, die den Übergang zu einem zirkulären Geschäftsmodell fördern, auseinandergesetzt. Weitere 20 Prozent wollen dies in naher Zukunft tun. Auch hier sind die großen Unternehmen schon weiter.
Diese Frage beantworten 54 Prozent positiv, sie sehen die Kreislaufwirtschaft also eher als Chance. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen. Besonders große Chancen sieht die Entsorgungswirtschaft mit 72,1 Prozent – das dürfte wenig überraschen. Aber auch die Bereiche Dienstleistung (58,5 Prozent), Sonstige (58,2 Prozent) und verarbeitendes Gewerbe (54,9 Prozent) schätzen die Chancen überdurchschnittlich hoch ein. Weniger optimistisch zeigen sich das Baugewerbe (47 Prozent) und der Handel (39,3 Prozent). Auffällig ist aus der Sicht der DIHK aber auch, dass im Durchschnitt 37 Prozent der Unternehmen die Konsequenzen für das eigene Geschäftsmodell noch nicht abschätzen können. Dies betrifft offenbar besonders den Handel, hier gaben fast 50 Prozent diese Antwort.
Weiter wurde danach gefragt, was sich Unternehmen vom Wandel des Wirtschaftssystems versprechen. Hier wurde an erster Stelle eine gesteigerte Ressourceneffizienz genannt. Zudem erwarten die Unternehmen eine höhere Resilienz. Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und die Senkung von Kosten wurden ebenso genannt wie die Gewinnung
neuer Kundengruppen.
Einige Unternehmen würden zudem Vorteile gegenüber der Konkurrenz durch das Erschließen neuer Absatzmärkte sowie die Verbesserung der Zukunftsfähigkeit von Produkten und des gesamten Unternehmens sehen.
Neben den direkt genannten Chancen würden sich zudem gesamtwirtschaftliche Möglichkeiten ergeben, so die DIHK. Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft könne zu neuen, hochwertigen Arbeitsplätzen führen. Zudem könnten sich deutsche Unternehmen als Trendsetter für „grüne“ Produkte etablieren. Die DIHK sieht auch Möglichkeiten zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Durch Kosteneinsparungen werde die Produktion in Deutschland wieder attraktiver. Durch die Rückgewinnung von Rohstoffen könnten die Lieferketten weiter diversifiziert werden. So könnten die Abhängigkeiten von Drittstaaten verringert werden.
Generell würden Unternehmen, die sich bereits mit Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit auseinandergesetzt haben, eher die Chancen als die Risiken sehen.
Trotz der grundsätzlich positiven Einschätzung gibt es aus Sicht der Unternehmen auch Risiken. Dazu zählt für 60 Prozent der befragten Unternehmen ein erhöhter Nachweisaufwand. Schon heute würde abfallrechtliche Dokumentationspflichten als erhebliche Belastung wahrgenommen. Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen rechnet zudem mit höheren Einkaufskosten für Produktionsstoffe. Und ein Drittel sieht eine große Herausforderung bei der Beschaffung von Sekundärrohstoffen. Auch der Fachkräftemangel wird als Herausforderung empfunden.
Auch hier gibt es wieder große Unterschiede zwischen den Branchen. Während alle Branchen den hohen Dokumentationsaufwand als größtes Risiko sehen, werden die anderen Risiken unterschiedlich bewertet. Der Fachkräftemangel wird vor allem in der Entsorgungsbranche als Risiko gesehen, aber auch im Dienstleistungssektor. Die Verfügbarkeit von Sekundärrohstoffen schätzen vor allem das verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe als Risiko ein. Höhere Kosten sehen alle Branchen außer der Entsorgungswirtschaft als Risiko. Umgekehrt wird in dieser die geringe Planungssicherheit als großes Risiko gesehen. Die befragten Unternehmen hätten zudem den aktuellen Kostenvorteil von Primärrohstoffen kritisiert. So werde ein Wachstum des Rezyklatmarkts behindert. Daher werden Vorgaben zum verbindlichen Rezyklateinsatz gefordert. Diese müssten auch für Exporte gelten, um einen Wettbewerbsnachteil für einheimische Betrieb zu verhindern. Zudem gibt es Unternehmen, die sich Sorgen über die Qualität von Sekundärrohstoff machen.
Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen sehen einen Bedarf für den schnellen Ausbau eines flächendeckenden digitalen Netzes. Die vorhandenen Kapazitäten würden heute schon kaum ausreichen. Nur mit einer entsprechenden digitalen Infrastruktur können die für eine Kreislaufwirtschaft notwendigen Datenmengen bewältigt werden. Als weitere Schwachstelle wurde die mangelnde Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung genannt.
Eine wesentliche Rolle für die Kreislaufwirtschaft werden in Zukunft digitale Produktpässe spielen. Durch die Bereitstellung spezifischer Produktinformationen entlang der Wertschöpfungskette ergebe sich eine neue Transparenz. Als wesentliches Problem gilt auch hier die bereits genannte unzureichende digitale Infrastruktur. Auch seien viele Unternehmen digital nicht ausreichend aufgestellt. Die Befragung habe zudem gezeigt, dass 72 Prozent der befragten Unternehmen das Konzept des digitalen Produktpasses nicht kennen. Von den Unternehmen, die das Konzept kennen, sehen 49 Prozent es als Chance und 20 Prozent als Risiko. 31 Prozent konnten keine Einschätzung abgeben.
Eine Schlussfolgerung der DIHK aus der Umfrage ist, dass die Kreislaufwirtschaft theoretisch ein großes Potenzial bietet. Dies setze allerdings voraus, dass für die praktische Umsetzung bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen. Dies betreffe vor allem eine flächendeckende Digitalisierung. Außerdem seien europaweit einheitliche Regelungen erforderlich. Weiter müssten Rezyklate zu besseren Konditionen verfügbar sein. „Solange recyceltes Plastik teurer ist als neu produziertes und oft auch nicht in der Qualität und Menge vorhanden ist, die benötigt würde, bleibt Kreislaufführung unrealistisch“, so die DIHK.
Bezüglich des digitalen Produktpasses sei es zunächst erforderlich, das Konzept bekannter zu machen. Zudem müsse der DPP „europaweit anschlussfähig konzipiert“ werden. Die DIHK empfiehlt der Politik, bei der Kommunikation zur Kreislaufwirtschaft die Wirtschaft direkt ansprechen. Vor allem müsse die Bekanntheit von Tools erhöht werden. Weiter müsse aufgezeigt werden, wie sich Unternehmen vorbereiten und einbringen können. Schließlich müssten bei der Einführung des DPP klare und europaweit einheitliche Regeln festgelegt werden. Bei der Erstellung dieser Regeln sollten die Unternehmen eingebunden werden. Die Unternehmen fordert die DIHK auf, sich aktiv in die Gestaltung der Kreislaufwirtschaft einzubringen, etwa in Normungsprozessen. Sie weist auf das Potenzial der Kreislaufwirtschaft hin, durch das sich Unternehmen langfristig Vorteile verschaffen könnten.