Future Waste stellt die Abfallwirtschaft immer wieder vor Herausforderungen – sei es aufgrund fehlender Recyclingverfahren, enorm steigender Mengen oder fehlender gesetzlicher Rahmenbedingungen. Die österreichische Recyclingbranche bereitet sich derzeit intensiv auf das Recycling nach der Energie- und Mobilitätswende vor: Bis 2050 müssen in Österreich rund 64.000 Tonnen PV-Module und bis 2068 weitere 918.000 Tonnen alte Windräder recycelt werden.
Jedes neue Produkt wird einmal zu Abfall. Durch die aktuelle Energie- und Mobilitätswende sind in den vergangenen Jahrzehnten innovative Produkte entstanden, die in Zukunft recycelt werden müssen. Dazu zählen etwa Photovoltaik-Anlagen, Rotorblätter von Windkraftanlagen und Lithium-Ionen-Batterien, u. a. von E-Autos. Anfangs entsteht Future Waste oder „Abfall der Zukunft“ in relativ geringen Mengen und spielt in der Abfallwirtschaft zunächst keine Rolle. Ist der Produktlebenszyklus zu Ende, muss die Abfall- und Ressourcenwirtschaft rechtzeitig darauf vorbereitet sein und angemessene Recyclingverfahren bereithalten – denn jeder Abfall enthält wertvolle, wiederverwertbare Ressourcen, oft auch kritische Rohstoffe. Dazu gehören einerseits neue Produkte mit langer Lebensdauer, wie Lithium-Ionen-Batterien, die bereits seit den 90er-Jahren auf dem Markt sind, rund zehn Jahre verwendbar sind und deren zu recycelnde Menge bisher überschaubar war. Andererseits gehören zu Future Waste auch Produkte, die neu auf den Markt kommen und deren Mengen stetig steigen werden, wie Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen. All diese Produkte erfordern neue Recyclingverfahren und Sammelsysteme, um die wachsenden Mengen in naher Zukunft bewältigen zu können.
„Die Abfallwirtschaft beschäftigt sich immer schon intensiv mit potenziellem Future Waste. Seit Jahren bereiten wir uns daher auf das Recycling jener Produkte vor, die mit der Energie- und Mobilitätswende einhergehen. Wir analysieren die Materialzusammensetzung, passen die Sammelinfrastruktur an und investieren in neue Anlagen“, erklärt Gabriele Jüly, Präsidentin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe.
Alte PV-Anlagen werden zu 90 Prozent verwertet
Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz hat sich Österreich bis 2030 das Ziel gesetzt, 100 Prozent bilanziell sauberen Strom zu produzieren. Der Ausbau der Erneuerbaren, insbesondere von Photovoltaik-Anlagen boomt daher. Allein in Österreich ist die PV-Leistung von 2022 um 36 Prozent gestiegen und hat sich innerhalb von zwei Jahren nahezu verdoppelt, wodurch künftig ein Markt neuer Abfälle entsteht. Photovoltaikanlagen, die aus dem Halbleitermetall Silizium bestehen, können die Recyclinganlagen bereits heute zu 90 Prozent verwerten. Die Module werden mechanisch zerkleinert und in die verschiedenen Materialarten Metall, Kunststoff oder Glas getrennt. Außerdem werden wertvolle Metalle wie Kupfer, Silber und Blei rückgewonnen. „All diese Wertstoffe können wieder in den wirtschaftlichen Kreislauf zurückgeführt werden, das schont die Umwelt und unsere Ressourcen“, so Jüly.
Bis 2050 rund 64.000 Tonnen recycelbare PV-Module erwartet
Laut dem Statusbericht des Bundesabfallwirtschaftsplans von 2024 machen die gesammelten Photovoltaik-Module derzeit nur 0,01 % der Gesamtmasse in der Kategorie Elektro- und Elektronikaltgeräte aus, das entspricht in etwa 12 Tonnen. Die meisten PV-Module haben eine Lebensdauer von etwa 20 bis 30 Jahren. Bis 2050 wird eine Menge von ca. 64.000 Tonnen entsorgter PV-Module erwartet; das größte Abfallaufkommen wird im Jahr 2074 mit ca. 106.000 Tonnen prognostiziert. „Wir können schon heute alte Photovoltaikmodule recyceln und die Wertstoffe zurück in den Kreislauf bringen. Mit der Energiewende stehen wir jedoch vor neuen Dimensionen, die aus heutiger Sicht noch schwer abschätzbar sind“, erklärt Prof. Roland Pomberger von der Montanuniversität Leoben. „Gerade bei der PV sind wir immer häufiger mit Early-Loss-Problemen konfrontiert. Das bedeutet, dass manche Produkte – etwa durch Fehler in der Produktion – vorzeitig beschädigt werden und früher als gedacht recycelt werden müssen. Viel schwerwiegender und häufiger sind allerdings Schäden, die durch Unwetterkatastrophen entstehen und schwer vorauszusagen sind“; ergänzt Prof. Pomberger. An der Montanuniversität gibt es seit 2012 eine Arbeitsgruppe zu Future Waste, Forscher:innen untersuchen hier gemeinsam mit Recyclingbetrieben das Recycling der Energiewende. In Österreich können Bürger:innen PV-Altmodule im Altstoffsammelzentrum abgeben, auch die Hersteller sind gesetzlich dazu verpflichtet, diese wieder anzunehmen – dies ist durch die Elektroaltgeräteverordnung geregelt.
Windräder: 918.000 Tonnen neuer Abfall
Im Jahr 2022 waren rund 1.366 Windenergieanlagen in Österreich installiert. Bei einer Nutzungsdauer von rund 25 Jahren zählen diese damit auch zu Future Waste – mit der steigenden Anzahl wird die Menge in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Schätzungsweise werden im Jahr 2050 rund 7,4 Mio. Tonnen verbauter Materialien anfallen, davon ca. 5,86 Mio. t an Fundamenten, 960.000 t Türme (Windradmast), 367.000 t Gondeln (Maschinenhaus), 131.000 t Rotorblätter und 93.000 t Naben. Entsprechend der Nutzungsdauer ist das größte Abfallaufkommen für das Jahr 2068, mit einem Gesamtaufkommen von 918.000 t (inklusive rückgebauter Fundamente), zu erwarten. „Durch die Energiewende kommen neue Abfälle auf uns zu. Der große Vorteil ist, dass wir durch geeignete Recyclingverfahren die Materialien im Kreislauf halten können. So entstehen schon heute aus alten Fundamenten neue Brücken oder andere Produkte. Das ist neben der Reduktion des C02-Ausstoßes auch der große Vorteil gegenüber fossilen Energieträgern“, bestätigt Prof. Pomberger. „Schwierig ist insbesondere das Recycling von Rotorblättern, die aus einem widerstandsfähigem Materialmix, unter anderem aus. carbonfaserverstärkten Verbundstoffen bestehen. Für die Verwertung gibt es bisher noch keine etablierten Lösungen“, so Prof. Pomberger.
Mobilitätswende: Österreich wird eigene Recyclinganlagen benötigen
Obwohl Lithium-Ionen-Batterien seit den 1990er-Jahren auf dem Markt sind, zählen sie ebenfalls zum Abfall der Zukunft. Aufgrund des Wandels zur Elektromobilität und der zunehmenden Nutzung von Elektrofahrzeugen steigt die Anzahl der Batterien stark an – allein in Österreich ist laut des Bundesverbands Elektromobilität Österreichs der E-Auto-Bestand auf 169.124 (gegenüber 44.507 im Jahr 2020) gestiegen. Die Recyclingverfahren für Lithium-Ionen-Batterien sind zwar bekannt, eine Recyclinganlange gibt es in Österreich aber bisher nicht. „Bis sich eine Anlage für Lithium-Ionen-Batterien rechnet, braucht es enorme Inputmengen, das ist hierzulande noch nicht der Fall“, so Jüly. In Österreich anfallende Batterien werden aktuell in umliegenden Nachbarländern, z.B. in Deutschland, recycelt. Bei den steigenden Mengen wird es aber laut dem VOEB früher oder später auch österreichische Anlagen für Batterien geben, um die Rückgewinnung kritischer Rohstoffe wie Kobalt sicherzustellen zu können.
Elektroaltgeräte nehmen in Zukunft stark zu
Die steigenden Mengen an Lithium-Ionen-Batterien hängen aber nicht nur mit der Mobilitätswende zusammen. Batteriebetriebene Geräte kommen mit rasantem Tempo auf den Markt. Etwa ein Drittel des weltweiten Elektroschrotts bestand 2022 nach Einschätzung von Studien aus eher kleinen Geräten wie Spielzeug, Mikrowellenherden und E-Zigaretten. Somit werden in Zukunft auch die Abfallmengen enorm steigen. Laut Global E-Waste Monitor fielen allein 2022 rund 62 Mio. Tonnen Elektroschrott an – ein Anstieg um 82 Prozent im Vergleich zum Jahr 2010.
Brandgefährliche E-Vapes
Dass Elektroschrott noch weitere Probleme macht, zeigen sogenannte E-Vapes, also Zigaretten, die mit Batterien betrieben werden. Aufgrund ihrer Größe werden sie fälschlicherweise oft im Restmüll entsorgt. „Falsch entsorgte E-Vapes sind ein existenzbedrohendes Problem für die Recyclingbetriebe. Die kleinen Batterien können sich schon bei der kleinsten Reibung entzünden und gefährliche Explosionen und Brände auslösen“, warnt Jüly. Der Verband setzt sich aus diesem Grund für ein Verbot von E-Vapes ein; einige Länder wie Großbritannien, Australien oder Neuseeland planen ein solches bereits. Ebenso setzt sich der Verband für die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung von Brandschutz- bzw. Sanierungsmaßnahmen in Abfallwirtschaftsbetrieben ein, damit die Hersteller ihrer Verantwortung nachkommen und die Risiken von batteriebetriebenen Produkten nicht nur auf die Abfallwirtschaft auslagern.