Für Bergbau, Rohstoffverarbeitung und Recycling von strategischen Rohstoffen in Europa setzt der sogenannte Critical Raw Materials Act klare Ziele. Doch ist das Gesetz das beste Mittel, Rohstoffsicherheit für Europa zu erreichen? In einem Expertenstatement ordnet Wirtschaftswissenschaftler Professor Simon Glöser-Chahoud von der TU Bergakademie Freiberg den Critical Raw Materials Act ein. Er plädiert dafür, die vorgegebenen Quoten als auch die Liste der strategischen Rohstoffe regelmäßig zu überprüfen und anzupassen.
„Grundsätzlich ist es richtig und konsequent, die Versorgungssicherheit mit strategischen Rohstoffen auf europäischer Ebene zu koordinieren und zu regulieren. Damit werden Maßnahmen und Bestrebungen einzelner Mitgliedsstaaten sowie europäischer Schlüsselindustrien unterstützt. Der Fokus hinsichtlich der Versorgungssicherheit mit strategischen Rohstoffen wird durch den Critical Raw Material Act auf den europäischen Binnenmarkt gesetzt, was effizienter und effektiver erscheint als die teilweise konkurrierenden Maßnahmen und Strategien einzelner Mitgliedsstaaten zur Sicherung der Rohstoffversorgung. Die gesteckten Ziele des Critical Raw Material Acts bezüglich des Bergbaus, der Rohstoffverarbeitung und des Recyclings strategischer Rohstoffe sind ambitioniert. Deshalb sind klare Anreize durch flankierende politische Regulierung und Unterstützung der Industrie, zum Beispiel bei den notwendigen Investitionen, von zentraler Bedeutung für die Erreichung der Ziele und für die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Bergbaus und der Recyclingindustrie.
Die Schwächen des Critical Raw Material Act liegen weniger in der Gesetzgebung an sich als vielmehr in der starren, statischen Zielsetzung des Gesetzes. So ist etwa die aktuelle Methodik der Europäischen Kommission zur Definition der strategischen und kritischen Rohstoffe von zentraler Bedeutung für das Gesetz. Diese weist aber gleichzeitig klare Schwachstellen auf. Die Ansätze der Definition kritischer Rohstoffe durch die Europäische Kommission wurden von Freiberger Wissenschaftlern schon früh kritisiert, da sie signifikante Schwächen hinsichtlich der Methodik der Risikobewertung aufweisen. Eine Anpassung der Methodik durch die Europäische Kommission ist bisher allerdings nicht erfolgt.
Rohstoffmärkte und Versorgungssysteme sind grundsätzlich als hochgradig dynamische Systeme zu verstehen, die durch Anpassungsmechanismen auf Angebots- und Nachfrageseite geprägt sind. So können neue Technologien kurzfristig die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen stark erhöhen, während die Nachfrage nach anderen, bisher als knapp und kritisch eingestuften Rohstoffe durch Substitutionseffekte rasch zurückgehen kann. Beispiel Kobalt: Schon heute zeichnen sich starke Substitutionseffekte in Batterien ab. Wird Kobalt als wichtiges Kathodenmaterial für Li-Ionen-Batterien im Jahr 2030 nach dem zukünftigen Stand der Technik überhaupt noch benötigt?
Auch feste Recyclingquoten sind in dynamischen Versorgungssystemen eher kritisch zu sehen: So könnte ein Erreichen des vorgegebenen Recyclinganteils von 15 % in der Produktion bei Batterierohstoffen wie Lithium oder Graphit aufgrund mangelnder Rückläufe (Altbatterien) im Jahr 2030 kaum zu erreichen sein. Diese Quote könnte aber bereits 5 Jahre später, aufgrund des derzeit steigenden Anteils an Elektroautos, der zeitverzögert auch in einem starken Anstieg der Altbatterien resultieren wird, bereits wieder zu niedrig angesetzt sein.
Für eine erfolgreiche Regulierung der Rohstoffversorgung müssen darum sowohl die vorgegebenen Quoten als auch die Liste der strategischen Rohstoffe regelmäßig überprüft und angepasst werden.“