Dies ist das zentrale Ergebnis der heute veröffentlichten aktualisierten Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes über die Erfassung von Siedlungsabfällen und die Aufbereitung von Hohlglas (Glasverpackungen).
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Insbesondere bei der Erfassung von Restmüll sowie bei der Erfassung und Aufbereitung von Altglas hat die Rethmann-Gruppe eine sehr starke Marktposition. Angesichts dieser Ergebnisse werden wir im nächsten Schritt prüfen, ob wir Rethmann verpflichten, künftig auch die Übernahmen von kleineren Unternehmen bei uns anzumelden. Wir könnten dann die wettbewerblichen Auswirkungen auch kleinerer Übernahmen von Unternehmen prüfen und die fortschreitende Marktkonzentration einer Kontrolle zuführen.“
Der Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt unterliegen Zusammenschlüsse normalerweise erst ab einer bestimmten wirtschaftlichen Größenordnung, die das Gesetz mit Hilfe von Mindestumsätzen definiert, die die beteiligten Unternehmen sowohl international als auch im Inland erzielt haben müssen. Gerade die Übernahme kleinerer Unternehmen ist deshalb in vielen Fällen nicht anmeldepflichtig.
Anlass dieser Sektoruntersuchung war die mit der 10. GWB-Novelle Anfang 2021 erfolgte Anhebung der sog. Inlandsumsatzschwellen. Seitdem muss ein an einem Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen in Deutschland mindestens 50 Millionen Euro und ein weiteres Unternehmen mindestens 17,5 Millionen Euro Umsatz erzielt haben, um der Fusionskontrolle zu unterliegen. Für den in Deutschland mittelständisch geprägten Entsorgungsbereich besteht die Gefahr, dass größere Unternehmen der Branche in erheblichem Umfang kleinere Unternehmen aufkaufen können, ohne dass die wettbewerblichen Auswirkungen des Vorhabens durch das Bundeskartellamt kontrolliert werden könnten. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass in diesem fusionskontrollfreien „Unterschwellenbereich“ zahlreiche Aufkäufe durch größere Anbieter stattfinden.
Aufgrund einer ebenfalls zunächst Anfang 2021 in Kraft getretenen Neuregelung, die jüngst im Zuge der 11. GWB-Novelle Ende 2023 nochmal angepasst wurde, kann das Bundeskartellamt nach dem neu eingefügten § 32f Abs. 2 GWB bestimmte Unternehmen durch Verfügung zur Anmeldung verpflichten, wenn zuvor eine aktuelle Sektoruntersuchung objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte aufgezeigt hat, dass durch künftige Zusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb im Inland erheblich behindert werden könnte.
Das Bundeskartellamt beabsichtigt im Anschluss an diese Sektoruntersuchung und nach Auswertung möglicher Stellungnahmen zu prüfen, ob ein Verfahren zum Erlass einer solche Verpflichtung gegen die Rethmann-Gruppe einzuleiten ist. Marktteilnehmer und Vertreter der interessierten Wirtschaftskreise sind aufgefordert, schriftlich zu dem Bericht Stellung zu nehmen (Frist 29. Februar 2024). Ihre Stellungnahmen adressieren Sie bitte an:
B5-antworten@bundeskartellamt.bund.de.
Im Vergleich zu der am 21. Dezember 2021 veröffentlichten Sektoruntersuchung „Haushaltsabfallerfassung“ sind die Marktverhältnisse bei der Erfassung sehr konstant geblieben.
Die Unternehmen der Rethmann-Gruppe erreichen danach durchgängig auf bundesweiter Ebene auf den Märkten für die Erfassung von Rest-, Bio- und Sperrmüll Anteile in Höhe von 25-30 Prozent, auf den Märkten für die Erfassung getrennt gesammelter Fraktionen wie PPK (Papier, Pappe, Kartonage), gemischte Verpackungen/Wertstoffe und Glas Anteile in Höhe von 20-25 Prozent. Auf den Märkten für die Erfassung von Verkaufsverpackungen im Auftrag dualer Systeme erreicht die Rethmann-Gruppe bei Leichtverpackungen (LVP) Anteile in Höhe von 25-30 Prozent und bei Behälterglas Anteile in Höhe von 35-40 Prozent. Bei der der Erfassung nachgelagerten Aufbereitung von Behälterglas erreichen sie bundesweit Anteile in Höhe von 35-40 Prozent. Die Abstände zu den jeweils nächstfolgenden Wettbewerbern sind in den meisten Bereichen beträchtlich. Sowohl die Höhe der Anteile als auch die Anteilsabstände sind seit dem Jahr 2018, dem letzten Beobachtungszeitraum der Sektoruntersuchung „Haushaltsabfälle“ vom Dezember 2021 stabil geblieben. Bei den nächstfolgenden Wettbewerbern haben einige Unternehmen Anteile hinzugewinnen können, andere haben Anteile verloren. Die Abstände zu den Unternehmen der Rethmann-Gruppe haben sich aber insgesamt nicht signifikant verändert.
Konstant rückläufig ist bundesweit die Anzahl der Entsorgungsunternehmen, die sich auf Ausschreibungen für die haushaltsnahe Erfassung bewerben sowie die durchschnittliche Zahl der Bieter je Ausschreibung.
Bei einer bundeslandweiten Betrachtung erreichen die Unternehmen der Rethmann-Gruppe in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bei der Erfassung von Restmüll Anteile, die sich der Marktbeherrschungsvermutung des GWB nähern bzw. sie überschreiten. Dies gilt gleichermaßen für die Erfassung von PPK in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Saarland und bei der Erfassung von LVP für duale Systeme in Thüringen, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Auch auf dieser Ebene ist festzustellen, dass nächstfolgende Wettbewerber auf niedrigem Niveau Anteile hinzugewonnen oder verloren haben, ohne dass sich hierdurch die Abstände zur Rethmann-Gruppe wesentlich verringert hätten. In den nicht genannten Bundesländern verteilen sich die Anteile gleichmäßiger auf die vorhandenen Anbieter, in einzelnen Ländern sind auch andere Anbieter Marktführer.