Den Umbau finanzieren

Zum Erreichen der Klimaziele müssen alle Branchen ihren Beitrag leisten. Das gilt auch für die Industrie. Derzeit ist der Beitrag noch nicht ausreichend.
Foto: oliver peters; pixabay.com

Der Bericht „Zukunftsplan Industrie – Sofortprogramm für den Abbau klimaschädlicher Subventionen“, den das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace erstellt hat, macht Vorschläge, wie die Transformation in der Industrie vorangebracht werden kann.

Die deutsche Industrie ist nicht auf Kurs, um das Klimaziel 2030 zu erreichen. Deutlich höhere Emissionsreduzierungen sind notwendig. Vor allem bei Stahl, Chemie und Zement bestehe in den kommenden Jahren ein hoher Reinvestitionsbedarf. Es müsse sichergestellt werden, dass diese Investitionen dem Anspruch der Klimaneutralität gerecht werden. Als ein wesentliches ökonomisches Hemmnis werden die geringen Energiekosten der klimaschädlichen Technologien gesehen. Dazu würden vor allem Subventionen beitragen. „Klimaschädliche Subventionen für die Industrie untergraben die Erreichung der Klimaziele, indem sie klimaschädliche Produktion sowie einen hohen Energieverbrauch begünstigen. Damit bremsen sie die klimagerechte Transformation der Industrie – weg von fossilen Energien hin zu Erneuerbaren und einer Senkung des Energieverbrauchs“, heißt es im Bericht. Gleichzeitig fördere der Staat aber auch die Dekarbonisierung und müsse dabei gegen subventionierte Preise anfördern.

Subventionen beim Ausstoß von Emissionen

Die Gesamtsumme der Subventionen im Bereich der CO2-Bepreisung betrage jährlich mehr als 10 Milliarden Euro. Der größte Teil davon entfällt auf die kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen im europäischen Emissionshandel. 2022 habe das Gesamtvolumen bei gut 9 Milliarden Euro gelegen. In den vergangenen Jahren habe das Subventionsvolumen aufgrund der gestiegenen Preise für Emissionsberechtigungen deutlich zugenommen. In einigen Sektoren werden ab 2023 die kostenlosen Zuteilungen schrittweise reduziert und laufen 2034 aus. Der Bericht argumentiert, dass durch die Subventionen Anreize zur Emissionsreduzierung gesenkt werden. Zudem würden Einnahmen entfallen, die umgekehrt zur Förderung emissionsmindernder Technologien genutzt werden könnten.

Bestimmte Branchen können von der Strompreiskompensation profitieren. Damit sollen Unternehmen, die in einem internationalen Wettbewerb stehen, teilweise von den Kosten entlastet werden, die durch den Emissionshandel entstehen. Dadurch, dass die kompensierte Menge unter anderem auf Basis des tatsächlichen Stromverbrauchs berechnet wird, bestehe zwar ein gewisser Anreiz für mehr Energieeffizienz, dennoch wirke die Strompreiskompensation anderen Mechanismen entgegen und wirke damit klimaschädlich. 2022 seien nach Schätzungen 828 Millionen Euro an die Unternehmen ausgezahlt worden.

Subventionen beim Einsatz fossiler Energieträger

Die jährlichen Subventionen für fossile Energieträger würden sich auf gut 2,2 Milliarden Euro belaufen. Auch hier würden die Subventionen mit dem Schutz der Industrie vor übermäßigen Kostenbelastungen und damit Wettbewerbsnachteilen begründet. Dazu gehören unter anderem die Energiesteuerbefreiung für die nichtenergetische-Verwendung fossiler Energieerzeugnisse. Dies betreffe vor allem die chemische Industrie. 2021 habe das Subventionsvolumen hier bei etwa 1,5 Milliarden Euro gelegen. Diese Subventionen würden den Anreiz verringern, fossile Rohstoffe effizienter einzusetzen oder durch alternative Rohstoffe zu ersetzen.
Unternehmen können bei bestimmten energieintensiven Prozessen und Verfahren von der Energiesteuer befreit werden. 2021 beliefen sich die Subventionen in diesem Bereich auf 395 Millionen Euro. Weitere Subventionen in diesem Bereich sind der Spitzenausgleich bei der Energiesteuer (171 Millionen Euro) und die allgemeine Entlastung von der Energiesteuer (164 Millionen Euro).

Subventionen beim Einsatz von Strom

Auch beim Strompreis gebe es zahlreiche Entlastungen. Diese würden sich auf mehr als 8 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Allerdings würden diese Subventionen nur teilweise klimaschädlich wirken, da ein zunehmender Teil der Stromerzeugung auf erneuerbaren Energien beruht. Daher werde nur der Teil berücksichtigt, der sich fossilen Energieträgern zuordnen lässt. Dieser belaufe sich auf etwa 3,8 Milliarden Euro. Dazu gehören unter anderem die Privilegierungen bei der Konzessionsabgabe (1,8 Milliarden Euro), der Spitzenausgleich bei der Stromsteuer (587 Millionen Euro), Sondernetzentgelte (469 Millionen Euro), eine allgemeine Entlastung bei der Stromsteuer (395 Millionen Euro), die Strombefreiung stromintensiver Prozesse und Verfahren (310 Millionen Euro) sowie die Begrenzungen bei der KWKG- und der Offshore-Netzumlage (222 Millionen Euro). Mit den besonderen Ausgleichsregelungen bei der EEG-Umlage (1,9 Milliarden Euro) und dem Eigenstromprivileg (1,8 Milliarden Euro) seien im Juli 2022 zwei bedeutende Strompreissubventionen ausgelaufen.

Zuordnung zu Branchen

Laut Bericht könnten nur einige Subventionen einzelnen Branchen zugeordnet werden. Dies sei etwa bei den kostenlosen Zuteilungen im EU-ETS der Fall. Von insgesamt 6 Milliarden Euro seien 2021 über 2,4 Milliarden Euro auf die Stahlindustrie entfallen. 930 Millionen Euro gingen an die Zementindustrie, 869 Millionen Euro an die chemische Industrie und 844 Millionen Euro an Raffinerien.
Von den Strompreiskompensationen (Gesamtvolumen 806 Millionen Euro) hätten 2021 vor allem die Papier- und Zellstoffindustrie (223 Millionen Euro), die Eisen- und Stahlindustrie (195 Millionen Euro), die chemische Industrie (192 Millionen Euro) sowie die Nichteisenmetallindustrie (150 Millionen Euro) profitiert. Auch von den Stromsteuerentlastungen (Gesamtvolumen 2 Milliarden Euro) profitiert die Papierindustrie mit über 350 Millionen Euro am stärksten. Es folgt die Stahl- und Eisenindustrie mit 250 Millionen Euro.

Insgesamt beziffert der Bericht die klimaschädlichen Subventionen für die Industrie auf 16 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei entfalle der größte Teil auf Entlastungen im Emissionshandel.

Förderungen für klimagerechten Umbau der Industrie

Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Dazu muss der Energiebedarf in der Industrie signifikant verringert werden. Durch bereits vorhandene Technologien ließe sich eine Reduzierung um 44 Prozent gegenüber 2021 erreichen. Allerdings müssten auch gleichzeitig die Investitionen in CO2-neutrale Industrieanlagen deutlich ausgeweitet werden, um das Ziel zu erreichen. Aufgrund der langen Lebensdauer der Anlagen würden heutige Investitionen den Anlagenbestand weit über 2045 hinaus prägen. Bei weiteren Investitionen in konventionelle Technologien drohe ein Lock-in-Effekt. Für die Investition in klimaneutrale Technologien gebe es eine Reihe von Fördermaßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene.

Nationale Förderprogramme

Das Volumen der nationalen Förderprogramme beziffert der Bericht auf knapp 2,7 Milliarden Euro. Davon würden etwa 783 Millionen auf Förderprogramme entfallen, die direkt die Dekarbonisierung unterstützen. Dazu gehören laut Bericht das KfW-Programm Erneuerbare Energien, das Förderprogramm Dekarbonisierung in der Industrie sowie internationale Projekte zum Thema grüner Wasserstoff.
Weitere Förderprogramme haben eine positive Klimawirkung, tragen aber nicht unbedingt direkt zu einer Umstellung auf CO2-neutrale Technologien bei. Für diese Programme wurden weitere 1,9 Milliarden Euro bereitgestellt. Zu den Programmen gehören die Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft, PtJ-Forschungs- und Innovationsförderprogramme, das KfW-Energieeffizienzprogramm, das KfW-Umweltprogramm, die Klimaschutzoffensive für Unternehmen sowie das BMUV-Umweltinnovationsförderprogramm.

EU-Förderprogramme

Für die EU-Förderprogramme in Deutschland gibt der Bericht ein Volumen von 132 Millionen Euro an. Dabei zielt das IPCEI-Wasserstoff-Programm direkt auf die Dekarbonisierung ab. EU-Förderprogramme mit positiver Klimawirkung umfassen unter anderem Horizont Europa, den EU-Innovationsfonds und InvestEU.
Gesamtvolumen Subvention und Förderprogramme

Die Subventionen für klimaschädliche Aktivitäten würden den Umfang der Förderprogramme für eine klimagerechte Transformation deutlich übersteigen. Die Subventionen werden jährlich mit 16,3 Milliarden Euro beziffert. Dem stehen Förderprogramme von insgesamt etwa 2,8 Milliarden Euro pro Jahr gegenüber. Allerdings würden die Förderprogramme eine großzügige Schätzung der Mittel darstellen. „Insgesamt fordern die Bundesregierung und die EU mit wachsendem Aufwand die Dekarbonisierung der Industrie, jedoch ohne zuvor die systematischen Verzerrungen zugunsten fossiler Energieträger zu beenden“, heißt es. Die Subventionen würden die Transformation verzögern, da gegen die Subventionen angefördert werden müsse. Daher müssten zunächst die Subventionen abgebaut werden.

Ansatz zum Abbau klimaschädlicher Subventionen

Im Rahmen der G7 hat sich Deutschland verpflichtet, bis 2025 ineffiziente fossile Subventionen abzubauen. Dies soll bis Ende der Legislaturperiode erfolgen. Dabei gebe es unterschiedliche Ansätze, wie die verschiedenen Subventionen abgebaut werden können. Der Bericht macht dazu einige Reformvorschläge.

Die kostenlosen Zuteilungen im EU-ETS werden ab 2026 für einige Sektoren reduziert und 2034 vollständig abgeschafft. Dies sei aber nicht ambitioniert genug. Der substanzielle Abbau komme erst in den 2030er-Jahren und betreffe nur Sektoren, die vom CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) betroffen sind. Stattdessen sollte mit Einführung des CBAM die kostenlose Zuteilung für die betroffenen Sektoren unmittelbar beendet werden. Mit einer Beendigung der kostenfreien Zuteilung schon ab 2025 könnten zusätzliche Einnahmen von etwa 6 Milliarden Euro erzielt werden.

Bei der Strompreiskompensation und der Carbon-Leakage-Verordnung gebe es verschiedene Ansatzpunkte. So könne der Kreis der Begünstigten begrenzt oder die Höhe der Kompensationszahlungen beschränkt werden. Es müsse dabei der enge Zusammenhang mit dem EU ETS berücksichtigt werden. Die für 2025 geplante Evaluierung sollte vorgezogen werden, damit Anpassungen noch in dieser Legislaturperiode erfolgen können. Die Höhe der potenziellen Einnahmen hänge von der Ausgestaltung ab. Bei einem vollständigen Auslaufen der Subventionen würden die Einnahmen etwa 1,1 Milliarden Euro betragen.

Weiter sollten die Energiesteuersubventionen so schnell wie möglich abgebaut werden, da sie die Transformation der Indus­trie behindern würden. Zudem würden die Entlastungen die Preise zugunsten fossiler Energieträger verzerren. Die Entlastungen seien aufgrund der Klimaziele und der Notwendigkeit einer Transformation nicht mehr gerechtfertigt und sollten noch in diesem Jahr auslaufen. Denkbar sei auch ein Abbau in zwei Schritten, bei dem die Entlastungen 2024 auf 50 Prozent reduziert werden und dann 2025 entfallen. Bei einem vollständigen Abbau ab 2024 würden die Einsparungen 2,2 Milliarden Euro betragen.

Bei den Strompreisvergünstigungen ist laut Bericht eine stärkere Differenzierung notwendig. Der Kreis der Begünstigten sollte stärker auf Unternehmen begrenzt werden, die besonders energieintensiv sind und im internationalen Wettbewerb stehen. Von begünstigten Unternehmen sollten Gegenleistungen bei Dekarbonisierung, Energieeffizienz und der Nutzung von erneuerbarem Strom gefordert werden. Eine Neuregelung wäre ab 2024 möglich. Durch eine Halbierung der Subventionen würden Einnahmen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro anfallen.

„Politischen Willen vorausgesetzt, könnten wesentliche klimaschädliche Subventionen in der Industrie bis 2025 abgebaut werden … und damit zur Verpflichtung Deutschlands, bis 2025 die Subventionierung fossiler Energien zu beenden, beitragen“ heißt es im Bericht. Der Abbau dieser Subventionen sei eine wesentliche Voraussetzung, damit eine Transformation gelingen kann. Nur so könnten fossile Technologien verteuert und damit im Gegenzug klimafreundliche Alternativen günstiger werden. Dennoch werde es noch für einige Zeit notwendig sein, diese Alternativen zu fördern. Zudem würde die Förderung günstiger, daher könnten mit den gleichen Mitteln mehr Unternehmen transformiert werden. Die freiwerdenden Mittel, die der Bericht auf mindestens 10 Milliarden Euro pro Jahr schätzt, könnten zusätzlich für die Transformation verwendet werden.

Grundsätzlich müsse die Subventionierung fossiler Energieträger in der Industrie vollständig beendet werden. Zudem sei eine kluge Umgestaltung der Strompreisvergünstigungen notwendig. Beides müsse in eine kluge Förderpolitik eingebettet werden. Die Bundesregierung will 2024 zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückkehren. Gleichzeitig bestehe ein hoher Finanzierungsbedarf, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. „Der Abbau klimaschädlicher Subventionen bietet eine doppelte Chance, zu diesen Zielen beizutragen: zum einen durch eine Reduktion von Ausgaben, mit denen der Staat den klimaneutralen Umbau der Industrie hemmt.“ Die zusätzlichen Einnahmen würden zudem dringend benötigt. „Damit wurde der Staat schließlich auch notwendige Weichen stellen, um einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Ringen um Zukunftstechnologien und klimaneutrale Produktion zu erhalten“, heißt es abschließend.

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