Das Verfahren wurde vom Fraunhofer-Institut Umsicht entwickelt. Eine Pilotanlage soll 2023 am Pferdetherapiezentrum Aschheim in Betrieb gehen. Ziel ist es, die Entsorgungskosten für Pferdemist zu senken. Gleichzeitig soll CO₂-neutral Strom und Wärme sowie Pflanzenkohle erzeugt werden.
In Deutschland gibt es rund 1,3 Millionen Pferde, wodurch jährlich geschätzt 9,5 Millionen Tonnen Pferdemist bzw. verbrauchtes Pferdemisteinstreu anfallen. Die Entsorgung kostet die Gestüte, Trainingszentren und Rennbahnen rund 100 € pro Tonne. Tendenziell steigen die Preise aufgrund strengerer Auflagen, zum Beispiel, was die direkte Ausbringung anbelangt, aber auch aufgrund höherer Energie- und Betriebskosten.
Pferdemist oder Dung kann jedoch auch als nachwachsender Rohstoff angesehen werden, der durch die Einstreu einen hohen Heizwert besitzt und insofern eine nachhaltige Energiequelle darstellen könnte. Mit dem Ziel der energetischen Verwertung bietet sich beispielsweise Miscanthus als Einstreu an: Die Pflanze liefert jährlich ca. 16 Tonnen Biomasse pro Hektar Anbaufläche, speichert dabei C02 und bildet 1 bis 2 cm Humus im Jahr. Sie ist mit ca. 12 bis 16 Prozent Restfeuchte lagerfähig und sichert Landwirten jährlich stabile Einnahmen.
Die herkömmlichen Technologien für die energetische Verwertung von Pferdemist haben Einschränkungen: in der Biogasproduktion kann er nur in geringen Mengen zugesetzt werden, da das Stroh im Fermenter schlecht umgesetzt wird. Bei einer Verbrennung entstehen Staub- und Stickoxidemissionen und aufgrund der hohen Prozesstemperaturen kann es zu Verschlackungen im Brennraum kommen, verbunden mit hohen Wartungskosten. Zudem entsteht bei der Verbrennung im Kleinmaßstab nur Wärme als Produkt.
Eine höherwertige und flexiblere Verwertung des Pferdemists könnte nun mit einem thermochemischen Verfahren gelingen, das von Fraunhofer entwickelt wurde.
Das thermokatalytische Reforming, kurz TCR-Verfahren, ist eine Technologie zur thermochemischen Umwandlung von biogenen Reststoffen. Das Verfahren wurde von Fraunhofer Umsicht bereits mit mehr als 70 verschiedenen Einsatzstoffen und in einem großtechnischen Maßstab erprobt.
Im Prozess wird ein stabiles Öl und ein wasserstoffreiches Gas erzeugt. Beide Energieträger lassen sich auf einem Dual-Fuel-Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme umwandeln. Damit kann der Eigenbedarf der TCR-Anlage (elektrische Antriebe, Reaktorbeheizung etc.) und die Versorgung der Stallungen und Quartiere gedeckt werden.
Gleichzeitig entsteht eine im Boden stabile Pflanzenkohle, die nach entsprechender Zertifizierung zur Bodenverbesserung eingesetzt werden könnte. Sie erhöht die Haltefähigkeit von Wasser und Nährstoffen im Boden. Die Kohle stellt eine Kohlenstoffsenke dar. Durch die Kohlenstoffspeicherung im Boden wird das Verfahren insgesamt CO₂-negativ.
Zudem könnte die Pflanzenkohle werkstofflich eingesetzt werden. Hierzu wird ein erweitertes Projektkonsortium in einem Folgeprojekt untersuchen, inwieweit sie als Zusatzstoff für Biowerkstoffe auf Basis von Naturfasern genutzt werden kann. Erprobt werden soll der Pflanzenkohleeinsatz an einem bereits existierenden landwirtschaftlichen Demonstrator – einem Begrenzungspfosten auf Basis von Moorgras und Bindemittel.
Im nächsten Schritt soll das TCR-Verfahren für die Verwertung von Pferdemist angepasst werden. Hierzu wird vom Landwirtschaftlichen Technikum der Renn-Pferde-Boomerang gGmbH in Kooperation mit Fraunhofer UMSICHT derzeit eine Pilotanlage aufgebaut, zunächst mit einer Kapazität von 30 Kilogramm Einsatzstoff in der Stunde. Eine größere, kommerzielle Anlage soll folgen. Zur Voll-Auslastung der Großanlage können bei Bedarf weitere Arten von Biomasse eingesetzt werden, etwa Grünschnitt, der auf den Reitanlagen anfällt.
Die Pilotanlage wird am Pferdetherapiezentrum in Aschheim errichtet, die größere Anlage ist für die Galopprennbahn München Riem geplant. Das Ziel von Renn-Pferde-Boomerang gGmbH ist es, mittelfristig weitere TCR-Anlagen in den Markt zu bringen, als Beitrag zum Klimaschutz und um den Renn- und Reitsport nachhaltiger zu machen.