Es gibt großen Informationsbedarf in Forschung und Industrie, somit beschäftigen sich viele Veranstaltungen und Publikationen mit dem derzeitigen Entwicklungsstand und den vorhandenen technischen Möglichkeiten, auch im VDMA. Zu Gast im Institut für Angewandte Bauforschung (IAB) in Weimar, informierte der VDMA-Baustoffanlagentag im März 2023 Mitglieder und Gäste über aktuelle Projekte, Initiativen und Forschungsergebnisse.
Loesche, unterwegs im Anlagenengineering mit Mahltechnologie für die Rohstoffindustrie, beschäftigt sich mit kalzinierten Tonen und deren Aufbereitung. Neue Verfahren, in denen Stahlwerksschlacke aktiviert oder Beton aus Abbrüchen aufbereitet wird, alternative Brennstoffe und Wasserstoff als Brennstoff der Zukunft eingesetzt werden, führten allesamt zum gewünschten Ziel einer Dekarbonisierung des Baustoffs Beton, laut Unternehmensangabe. Die Menschheit verbrauche derzeit weltweit 33,6 Milliarden Tonnen Beton im Jahr. Energieintensiven Klinker so weit wie möglich durch kalzinierte Tone auszutauschen, sei dabei ein mittelfristiger Lösungsansatz. Je nach benötigter Betondruckfestigkeit kann die gezielte Mahlung Energie sparen. Versuche im IAB mit einer separaten und gemeinsamen Mahlung von Klinker/Gips, kalziniertem Ton und Kalkstein zeigten, dass eine gemeinsame Mahlung zwar energieeffizienter ist, die Zementfestigkeitsklasse 42,5 R aber nur mit separater Mahlung erreicht werden kann. Alle Untersuchungen dazu (Zement, Mörtel und Beton) wurden mit einem LC3-50 Zement durchgeführt, mit einem nur 50-prozentigen Klinkeranteil. Natürlich gibt es noch weitere Aspekte, die beim Mahlen von Ton zu berücksichtigen sind, um die bestmögliche Qualität zu erreichen.
Der Gastgeber IAB informierte über seine neuesten Versuche mit Kalzinierungstechnologien. Mit thermischer Anlagentechnik – beispielsweise einem Pilot-Drehrohrofen – erprobt das Institut Verfahren, mit denen der primäre CO2-Verursacher im Beton, der Klinker, ersetzt werden kann. Um der Industrie eine Plattform für industrielle Versuche bieten zu können, erweitert das IAB seine Gerätestruktur um eine Pilot-Flash-Kalzinierungsanlage und einen Pilot-Wasserstoffofen, die sich derzeit noch im Bau befinden.
Bodenaushub mit 130 Millionen Tonnen pro Jahr sowie Bau- und Abbruchabfälle mit 89 Millionen Tonnen pro Jahr sind mengenmäßig die dominierenden Abfallarten in Deutschland. Die Wissenschaftler in Weimar beschäftigen sich mit der Entwicklung von Verwertungswegen für diese Bauabfälle, wobei auch die bisher kaum gestellte Frage betrachtet wird, ob dabei Energie eingespart werden kann.
Aufgrund seiner thermoplastischen Eigenschaften ermöglicht das im Asphaltaufbruch beziehungsweise Asphaltfräsgut vorhandene Altbitumen an neuem Bitumen und damit potenziell an erheblichen Energiemengen einzusparen. Bei Abfällen der mineralisch gebundenen Baustoffe Beton, Kalksandstein und Porenbeton zeigen Untersuchungen zurzeit keine Energieeinsparungen, die sich aus den Baustoffeigenschaften oder dem Ablauf der Herstellung ergeben. Möglich jedoch sind sie bei Ziegelabfällen und Mauerwerksbruch gegenüber den Primärbaustoffen, verwertet man sie in thermischen Prozessen. Beispiele sind ein partieller Rohstoffersatz bei der Ziegelherstellung oder die Herstellung von leichten Gesteinskörnungen unter Verwendung von Mauerwerksbruch anstelle von Ton. Die Herstellungstechnologie für die leichten Gesteinskörnungen wurde am IAB entwickelt und im Pilotmaßstab erprobt (siehe Abbildungen). Damit rückt der nächste Schritt – die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage – in greifbare Nähe.
Am Institut für Angewandte Wasserstoffforschung Sonneberg (Hyson) geht es unter anderem um die Grundlagen und technischen Herausforderungen beim Einsatz von Wasserstoff in der Baustoffindustrie. Das Institut sieht potenzielle künftige Anwendungen in der großindustriellen Stahlerzeugung mittels Direktreduktion, in der dezentralen Methanisierung zur Dekarbonisierung CO2-intensiver Prozesse und in der Dekarbonisierung der Glas- sowie der Keramikindustrie. Dabei muss untersucht werden, wie hoch der Beitrag von Wasserstoff ist und wie sich Wasserstoff-Flammen auf die Produktqualität auswirken. Notwendige Brennerkomponenten und entsprechende Peripherien müssen entwickelt werden.
Grüner Kalk ist ein weiteres Thema. Dessen Herstellung beruht im Wesentlichen auf drei Schritten. Im Kalkofen wird der Kalk elektrisch in einer CO2-Atmosphäre gebrannt, wodurch ein sehr reines CO2-Abgas entsteht. Dieses Abgas wird mit Wasserstoff vermischt und in einem Methanisierungsreaktor durch Mikroorganismen zu Methan und Wasser umgesetzt. Mittels Pyrolyse lässt sich das Methan unter großer Hitze in einem Zinnbad in seine Bestandteile zerlegen: Wasserstoff und Kohlenstoff. Dieser Wasserstoff kann dann zur Substituierung von teurem Elektrolysewasserstoff in den Methanisierungsprozess zurückgeführt werden.
Gelegenheit, sich auf dem Baustoffanlagentag vorzustellen, hatte die Solid Unit, ein junger Verein für den innovativen Massivbau. 2019 in Baden-Württemberg initiiert, wurde das Netzwerk am 7. September 2022 von Unternehmen und Institutionen gemeinsam auf Bundesebene gegründet. Es versteht sich als Innovationsmotor für klimaneutrales Bauen mit dem Ziel, die Herstellung CO2-reduzierter Baustoffe mit entsprechenden Fertigungstechniken, einem nachhaltigen Ressourcenmanagement und Wissenstransfer zu unterstützen und damit den Massivbau zu fördern. Solid UNIT kommuniziert über PR-Kanäle, veranstaltet Seminare und führt politische Gespräche, um auf technische Entwicklungen, Möglichkeiten und bereits umgesetzte Projekte mit nachhaltigen Baustoffen aufmerksam zu machen. Arbeitsschwerpunkte sind beispielsweise serielles und modulares Bauen, BIM, CO2-reduzierter und kreislaufgerechter Beton sowie R-Beton.
Der Baustoffanlagentag ist für VDMA-Mitglieder eine ideale Plattform, um sich über technische Entwicklungen zu informieren und Herausforderungen in der Branche auszutauschen. Eine Besichtigung des IAB-Technikums und ein Besuch bei Netzsch Taurus Instruments rundeten am zweiten Tag die Veranstaltung ab. Der nächste Termin im Frühjahr 2024 ist bereits in Planung. Ein kleines Fazit am Rande: Die Architektur wird sich an der einen oder anderen Stelle umgewöhnen müssen. Je nach Mischungsverhältnis eines umweltfreundlichen Betons kann sich die Farbe ändern, tatsächlich auch in Richtung rosa. Aber das dürfte zukünftig ein „grünes“ Gütesiegel sein.
Im Rahmen des EU Projektes FlashPhos ( http://www.flashphos-project.eu , Grant Agreement 958267) ist es gelungen, Klärschlamm in einen thermochemischen Prozess direkt in elementaren Phosphor und künstliche Hochofenschlacke umzuwandeln. Laut VDZ und Dyckerhoff (Konsortialpartner ) sind die hydraulischen Werte der daraus hergestellten Mischzemente als durchaus positiv zu bewerten.