Der neue Sustainability Transformation Monitors 2023, eine breit angelegten Befragung von Unternehmen in Deutschland, wurde veröffentlicht. Getragen wird das Projekt von der Bertelsmann Stiftung, der Stiftung Mercator, der Peer School for Sustainable Development und der Universität Hamburg. Im Bericht gibt knapp die Hälfte der Befragten aus der Realwirtschaft (46 Prozent) an, das Thema Nachhaltigkeit sei in ihrem Unternehmen „voll und ganz“ oder „überwiegend“ verankert. In der Finanzwirtschaft sind es immerhin noch knapp 40 Prozent. Mehr als ein Drittel sagt, das Thema sei „teilweise“ verankert.
Für den Bericht wurden von September bis November 2022 die Antworten von 735 Mitarbeiter*innen ausgewertet, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Davon stammen 268 Personen aus der Realwirtschaft und 467 aus der Finanzwirtschaft in Deutschland. Der Sustainability Transformation Monitor soll künftig im Jahresrhythmus die Veränderungsprozesse in Real- und Finanzwirtschaft analysieren, um Treiber, Erfolgsfaktoren und Hemmnisse zu identifizieren, die auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit relevant sind.
Wie wichtig viele Topmanager*innen das Thema nehmen, zeigt sich laut den Projektträgern daran, wo die Verantwortung für Nachhaltigkeit in den Unternehmen verankert ist. Knapp 58 Prozent der Befragten in der Realwirtschaft geben an, der Vorstand sei verantwortlich. In der Finanzwirtschaft gilt das für rund 49 Prozent der Firmen. Bei 41 Prozent der Befragten der Realwirtschaft gibt es eine eigene Abteilung für Nachhaltigkeit, in der Finanzbranche sind es immerhin noch 35,5 Prozent. „Der direkte Vergleich zwischen den Sektoren zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit etwas stärker im Bewusstsein der Realwirtschaft verankert ist als in der Finanzwirtschaft. Aber auch hier zeigt der Trend in eine klare Richtung“, sagt Jakob Kunzlmann, Nachhaltigkeitsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Nachhaltigkeit zu selten an die Vergütung gekoppelt
Allerdings bleiben vielfach zentrale Hebel noch ungenutzt. In fast drei Viertel der Unternehmen (Realwirtschaft: 72 Prozent, Finanzwirtschaft: 74 Prozent) ist die Vergütung der Mitarbeiter*innen nicht an das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen geknüpft. Weniger als 20 Prozent der Befragten geben an, für das mittlere Management oder die Geschäftsführung existiere eine derartige Kopplung. „Das Erreichen klar formulierter Nachhaltigkeitszielen muss im Gehaltsgefüge deutlich mehr Gewicht bekommen“, sagt Alexander Kraemer, Mitglied des Vor-stands der Peer School. „Dieses Potenzial darf als Anreizstruktur nicht ungenutzt bleiben.“
Konkrete Klimaziele hat sich bislang nur rund ein Drittel der Unternehmen der Realwirtschaft und lediglich ein Viertel der Finanzwirtschaft gegeben. Allerdings dürfte diese Zahl nach oben schnellen, denn 43 Prozent der Befragten aus der Realwirtschaft und 33 Prozent aus der Finanzwirtschaft geben an, die Formulierung von Klimazielen sei „in Vorbereitung“. „Diese Antworten zeigen: Der Sustainability Transformation Monitor hilft uns zu verstehen, wo die Wirtschaft beim Umbau hin zu mehr Nachhaltigkeit noch Nachholbedarf hat – insbesondere beim brennenden Thema Klimaschutz“, erklärt Philipp Wesemann, verantwortlicher Projektmanager der Stiftung Mercator. „Die Studie arbeitet heraus, wo die größten Hemmnisse bei der Transformation liegen: bei der Ausstattung mit Ressourcen und der Umsetzungskompetenz in den Unternehmen.“ So nennen 64,3 Prozent der Vertreter*innen aus der Realwirtschaft mangelnde finanzielle und personelle Ausstattung als relevantes Hemmnis.
Geldgeber*innen sind an Fortschritten in Sachen Nachhaltigkeit interessiert
Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen spielt das Thema Nachhaltigkeit eine etwas größere Rolle als bei den übrigen Firmen. 72,5 Prozent von ihnen sagen, die Geldgeber*innen seien an der Nachhaltigkeitstransformation ihres Unternehmens interessiert. 55,6 Prozent geben an, das Thema sei „sehr wichtig“ oder „eher wichtig“ bei der Finanzierung Ihres Unternehmens. Bei den nicht-kapitalmarktorientierten Unternehmen sind es 59,1 beziehungsweise 45,2 Prozent. Nachhaltigkeit ist bei Banken und privaten Investoren mit 41,3 Prozent und 45,2 Prozent am stärksten verankert, hier hinken Versicherungen (30,85 Prozent) und die öffentliche Hand (30,3 Prozent) hinterher. Wirtschaftliche Motive sind in der Finanzwirtschaft wichtigster Grund, um nachhaltige Produkt- und Serviceportfolios anzubieten. Minimierung und Management von Risiken stehen als Argument für ein nachhaltiges Produkt- und Serviceportfolio an zweiter Stelle.
Junge Generation ist wesentlichster Treiber der Transformation
Eindeutig fällt die Antwort auf die Frage aus, wer die Treiber der Transformation sind. 72 Prozent der Befragten sehen die junge Generation als den wesentlichsten Treiber. Doch stehen die Jugendlichen hier nicht allein da. Denn fast ebenso viele sehen ihre Geschäftsführung als diejenigen, die die Transformation voranbringen. An dritter Stelle werden die Medien genannt (64 Prozent). Nur wenige sehen die Gewerkschaften als Treiber. (30 Prozent).
„Die Ergebnisse dieses ersten Sustainability Transformation Monitors stimmen vorsichtig optimistisch – sie zeigen, dass die Wirtschaft beim Thema Nachhaltigkeit stark in Bewegung ist“, bilanziert Laura Edinger-Schons, Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Nachhaltiges Wirtschaften, und Chief Sustainability Officer an der Universität Hamburg. „Aber sie zeigen auch Handlungsbedarf in Real- und Finanzwirtschaft sowie in der Politik auf. Ein effektives Zusammenwirken der Akteure ist in den nächsten Jahren von zentraler Relevanz.“