Mit dem aktuellen Referentenentwurf der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen (30. BImschV) soll den zuständigen Aufsichtsbehörden ermöglicht werden, im Falle eines Versorgungsnotstandes mit Erdgas, kurzfristig reagieren zu können und bestehende rechtliche Rahmenbedingungen in Form von Ausnahmeregelungen anzupassen. Mit den Überlegungen soll dem Anlagenbetrieb ein möglichst reibungsloser Ablauf zur Gewährleistung der Entsorgungssicherheit an die Hand gegeben werden. Das berichtet die Arbeitsgemeinschaft Stoffspezifische Abfallbehandlung (ASA) in einer aktuellen Stellungnahme.
Da die Gasmangellage bereits vor Wochen im Fokus der öffentlichen Diskussionen stand und auch für die Anlagenbetreiber der ASA-Mitgliedschaft als drohende Konsequenz des Russland / Ukraine Krieges zu erwarten war, hat die ASA die Mitgliedsbetriebe bereits frühzeitig um ihre fachliche Expertise gebeten und einen Notfallplan Gas veröffentlicht, mit dem Bundesnetzagentur, Aufsichtsbehörden und Betreiber Hinweise zu einem möglichen Umgang mit einer Gasnotlage an die Hand bekamen.
Die ASA und Ihre Mitglieder begrüßen demnach ausdrücklich die Schaffung von Ausnahmeregelungen, im Speziellen die Anpassung der 30. BImSchV. „Da die jetzige Situation bisher nicht erprobt ist und die Folgen nicht abgeschätzt werden können, kann auch nicht kalkuliert werden, ob es durch einen Mangel an Gas zu einem eingeschränkten Betrieb von mechanisch-biologischen Behandlungsanlagen, insbesondere der thermischen Abluftreinigung, infolge von Abschaltungen oder Rationierungen, kommen wird“, so Dr. Ketel Ketelsen, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates der ASA. „Die (kurzfristige) Stilllegung mechanisch-biologischer Anlagen aufgrund fehlender Abluftreinigung ist auf jeden Fall nicht möglich, da sie zur Gewährleistung der Entsorgungssicherheit benötigt werden. Darüber hinaus muss die Behandlung der bereits in den Anlagen befindlichen Abfälle abgeschlossen werden“, so der Fachmann.
„Im Notfall ist die einzige Alternative zur Stilllegung der betroffenen MBA-Anlagen somit eine Zulassung von Ausnahmen im Immissionsschutzrecht und/oder im Abfallrecht. Dies wäre auch eine praktikable Möglichkeit, kurzfristig Abhilfe zu schaffen und die kritische Situation zu entschärfen“, so Katrin Büscher, Geschäftsführerin und Juristin der ASA.
„Die Abluftreinigung der MBAn erfolgt überwiegend über Regenerative Thermische Oxidation, die aufgrund ihres hohen Temperaturniveaus auf eine Feuerung mit Erd-, Bio- oder Deponiegas angewiesen ist. Die Ausnahmen von dieser Art der Abluftreinigung sind notwendig, da die genehmigten Emissionswerte in den Anlagen ohne den Einsatz von Erdgas in der Abluftreinigung in der Notfalllage nicht mehr eingehalten werden können.“, so Johanna Weppel, Referentin und Umweltingenieurin bei der ASA.
Ein Teil der mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen hat bereits vor der aktuellen Krisenlage auf den Einsatz von Biogas und Deponiegas umgestellt. Diese Umstellung ist aber nicht allen Anlagenbetreibern räumlich und technisch möglich. Notwendige technische Komponenten haben monatelange Lieferzeiten oder sind schon seit längerer Zeit nicht am Markt verfügbar.
Auf der aktuellen Grundlage begrüßt die ASA ausdrücklich die Einführung von § 16 Abs. 2. Allerdings sei besonders Absatz 2 Nummer 3 kritisch zu betrachten. Nahezu alle mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen unterliegen der Richtlinie 2010/75/EU. Damit dürfen Ausnahmen der 30. BImSchV nur im Einklang mit der IED-Richtlinie zugelassen werden. Die Grenzwerte aus der IED-Richtlinie werden in den BVT-Merkblättern definiert. Im Falle von TOC wäre der zulässige maximale Emissionswert nach BVT mit 40 mg/m³ nur um den Faktor 2 höher als der Grenzwert der 30. BImSchV. Bei Begrenzung auf den BVT-Wert wäre bei den betroffenen MBA-Anlagen weiterhin ein Betrieb der RTO und damit der Einsatz von Erdgas erforderlich. Die Abluftreinigung in RTO ohne Verfügbarkeit von Erdgas ist nach Angaben der ASA nicht möglich und stellt insofern keinen bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage dar. Bei Ausfall der Gasversorgung wäre hier also unmittelbar eine Ausnahmeregelung erforderlich, um einen Anlagenstillstand zu verhindern oder auch nur das sichere Runterfahren der Anlagen zu gewährleisten.
„Deshalb wäre dringend angeraten, von Artikel 15 der Richtlinie 2010/75/EU Gebrauch zu machen, um darüber hinausgehende Ausnahmen festlegen zu können“, so der Beiratsvorsitzende Dr. Ketelsen. Aufgrund dessen schlägt die ASA für den Zeitraum der Notfalllage vor, die BVT-Werte für die biologischen Abfallbehandlungsanlagen anzuwenden. „Die Gleichbehandlung von biologischen und mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsverfahren wäre in dieser Notfalllage zu vertreten, da die behandelten Stoffströme grundsätzlich unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, aber in der Behandlungsweise und den damit verbundenen Emissionen sehr ähnlich sind“, so ASA-Ingenieurin Weppel. Unter Berücksichtigung der BVT-Grenzwerte für biologische Abfallbehandlungsverfahren ergebe sich die Möglichkeit, die Abfälle weiterhin biologisch behandeln zu können. Unter Berücksichtigung dieser Maßgabe würden kurzzeitig die BVT-Emissionswerte für Staub und TVOC außer Kraft gesetzt werden können.
Dieses Vorgehen sei auch bei einer Reduzierung der Gasversorgung statt einer vollständigen Abschaltung anwendbar. Dadurch würden den MBA-Anlagen weitere Möglichkeiten eröffnet, den Betrieb der MBA inklusive einer reduzierten Abluftreinigung aufrecht zu erhalten. Eine Reduzierung der Abluftmengen zur RTO und die zusätzliche Behandlung vorhandener Abluftmengen über vorhandene Biofilter würde gewährleisten, dass die Grenzwerte der 30. BImSchV in geringerem Umfang überschritten werden.
„In Anlehnung an die Richtlinie 2010/75/EU müssen weitergehende Ausnahmeregelungen geschaffen werden. Nur mit einer Zulassung echter Ausnahmen der Emissionsgrenzwerte ist die Entsorgungssicherheit nicht gefährdet“, so Büscher.