Im Zuge der 10. GWB-Novelle wurde mit § 39a GWB die deutsche Fusionskontrolle erweitert. Voraussetzung für die Anwendung ist eine aktuelle Sektoruntersuchung, die das Kartellamt nun in Ergänzung zur bereits im Dezember veröffentlichen Untersuchung in die Wege geleitet hat. Aus Sicht von Remondis sind die Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 39 a GWB keinesfalls gegeben, weswegen die namentliche Nennung des Unternehmens als eigentliches Ziel der Untersuchung – bevor die Tatbestandsvoraussetzungen des § 39 a GWB vom Amt geprüft werden können – mehr als verwundert. Remondis fühlt sich bereits jetzt in seinen Rechten beschwert.
Würde der Markt so betrachtet, wie der Gesetzgeber dies vorgesehen hat, dann kann im betroffenen Wirtschaftszweig von „objektiv nachvollziehbaren Kriterien für eine erhebliche Behinderung des wirksamen Wettbewerbs im Inland“ nicht die Rede sein. EUWID berichtete in der Vergangenheit bereits über die dann gültigen Marktanteile von Remondis bei der haushaltsnahen Erfassung: Bei einem von der Prognos AG ermittelten Gesamtumsatzvolumen im Markt der Kreislaufwirtschaft in Deutschland von 85 Milliarden € pro Jahr beträgt der Anteil Remondis gerade einmal 2,35 %.
Bei der nun eingeleiteten, vertieften Sektoruntersuchung soll ein besonderer Fokus auf der haushaltsnahen Erfassung von Siedlungsabfällen liegen. Angesichts der Tatsache, dass je nach betrachteter Region rund 50% der Erfassung auf kommunale Betriebe entfällt, die in direktem Wettbewerb mit der Privatwirtschaft stehen, wird es in der erwarteten Auseinandersetzung sicherlich um die streitige Definition des Tatbestandsmerkmales Wirtschaftszweig gehen.
Auch die vom Bundeskartellamt im Dezember 2021 selbst veröffentlichte ältere Sektoruntersuchung weist auf die Risiken der zunehmenden Re-Kommunalisierung hin. Warum dann Restriktionen im Bereich der Privatwirtschaft ergriffen werden sollen, erklärt sich nicht. Remondis hat selbstverständlich keine Einwände gegen die wirtschaftlichen Betätigungen von Kommunen. Wenn dies aber für das Unternehmen zu selektiven Beschränkungen durch das Bundeskartellamt führt, muss dies angesprochen und geklärt werden.
Exemplarisch zeigt dies die Entwicklung im Bundesland Sachsen-Anhalt. Lediglich in fünf von 16 Landkreisen und kreisfreien Städten werden überhaupt noch Privatunternehmen beauftragt. In 11 Kreisen, dem weitaus größten Teil des Bundeslandes, wird die haushaltsnahe Erfassung von Rest-, Sperr- und Bioabfall ausschließlich von Kommunen in Eigenregie erledigt. Lag der kommunale Anteil im Jahr 2002 noch bei 49 % ist er bis heute (2022) auf 72,9% gestiegen. Das stete Wachstum des kommunalen Anteils führt zu einer Erhöhung des rechnerischen Marktanteils von Remondis, ohne dass das Unternehmen einen einzigen Auftrag oder Standort in Sachsen Anhalt hinzugewonnen hätte.
Für eine wirksame Entzerrung der deutschen Abfallwirtschaft bedarf es aus Sicht von Remondis einer fairen Gesamtbetrachtung des Marktes unter Einbeziehung der Entwicklung der kommunalen Marktanteile, so wie es der Gesetzgeber mit seiner mit Absicht gewählten Formulierung der „Wirtschaftszweige“, die untersucht werden müssen, gewollt hat.
Auch der Blick in das europäische Ausland offenbart die unterschiedliche Bewertung des Marktgeschehens. Im benachbarten europäischen Ausland werden selbst größte Zusammenschlüsse aktiv von höchster politischer Ebene gefordert und gefördert, während in Deutschland gezielt das Wachstum einzelner Unternehmen selbst noch auf regionaler Ebene behindert werden soll. So hat beispielsweise Frankreich den Zusammenschluss von Veolia und Suez ausdrücklich gefördert, um die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen in diesem Markt zu stärken. Frankreich hat erkannt, dass die Herausforderungen des Klimaschutzes nur durch internationale Champions gestemmt werden können.
Vor diesem Hintergrund wird sich REmondis gegen die einseitige Marktbetrachtung des Bundeskartellamtes zur Wehr setzen.
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