„Carbon Management bietet immenses Potenzial für den Klimaschutz in der Industrie. Dabei benötigt der nachhaltige Umgang mit CO2 dringend eine entsprechende Infrastruktur und rechtliche Regelungen. Für Gas und Strom wird diese zentral geplant – für CO2 bislang noch nicht. Das muss sich dringend ändern“, betont Samir Khayat, Leiter der Initiative IN4climate.NRW.
Bislang ist Kohlendioxid kein Bestandteil von Infrastrukturplanungen in Deutschland. Dabei wird die Entstehung von CO2 in manchen Prozessen auch in Zukunft unvermeidbar sein, d. h. trotz Prozessoptimierungen und unabhängig vom eingesetzten Brennstoff. So zum Beispiel in der Kalkindustrie, wo Kohlendioxid im Zuge des Brennprozesses natürlicherweise aus dem Carbonatgestein entweicht.
Die AutorInnen des von der Arbeitsgruppe Kohlendioxidwirtschaft erstellten Papiers gehen – basierend auf wissenschaftlichen Szenarioanalysen – von mindestens sieben bis rund 17 Megatonnen CO2 jährlich aus, die sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen werden. Insbesondere in der Stahl- und Zementindustrie arbeiten bereits verschiedene Projekte daran, das Treibhausgas direkt am Ofen aufzufangen, bevor es in die Atmosphäre gelangt (engl. Carbon Capture). Das gewonnene CO2 kann dann anderen Branchen als Rohstoff zur Verfügung gestellt werden (engl.: Carbon Capture and Utilisation, kurz CCU). Die Lebensmittelindustrie benötigt Kohlendioxid u. a. als Kältemittel und auch viele chemische Verfahren nutzen das Gas als Ausgangsstoff. Neben der Nutzung wird zudem die langfristige Speicherung (engl.: Carbon Capture and Storage, CCS) diskutiert, wobei diese in der Praxis aufgrund der rechtlichen Lage bislang nicht möglich ist.
Für beide Möglichkeiten betonen die AutorInnen des neuen Diskussionspapiers die Dringlichkeit, eine entsprechende Infrastruktur für den Transport aufzubauen. Konkrete Optionen, wie ein solches Pipeline- und Transportsystem aussehen könnte, fasst das Papier in einer Infrastrukturkarte für NRW zusammen.
„Wir können und müssen besser darin werden, CO2 im Kreislauf zu führen und nachhaltig zu nutzen. Mit dem Aufbau einer CO2-Infrastruktur können wir der Klimakrise begegnen und sichern gleichzeitig die Versorgung der NRW-Industrie ab, die auf Kohlenstoff angewiesen ist. Hier müssen wir dringend aktiv werden“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Görge Deerberg, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und Leiter der Arbeitsgruppe Kohlendioxidwirtschaft bei IN4climate.NRW.
So identifiziert die Arbeitsgruppe Kohlendioxidwirtschaft zusätzlich Handlungsempfehlungen, wie dieser Prozess gemeinsam von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gestaltet und beschleunigt werden kann. Sie fordert u. a. eine zeitnahe Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen ein – hierzu zählt, dass die CO2-Speicherung in internationalen Speicherstätten gesetzlich abgesichert werden muss und die Anrechenbarkeit von CCU im Europäischen Emissionshandel klar geregelt wird. Zudem ist das Thema gesellschaftlich noch nicht ausreichend diskutiert und bekannt – die AutorInnen sehen hier dringenden Handlungsbedarf, entsprechende Prozesse und Beteiligungsverfahren für das Thema zu entwickeln.