Gleich zu Beginn der Veranstaltung forderte AGVU-Geschäftsführer Dr. Dominik Klepper mehr Ehrgeiz von der Bundesregierung. Man dürfe nicht nur auf Vorgaben als Brüssel warten. Aber auch die Hersteller warnte Klepper davor, zu bequem zu werden und nur auf die Vorgaben der Politik zu warten. Aus Sicht der AGVU müsse die erweiterte Herstellerverantwortung im Fokus gehalten werden, so Klepper weiter. Zudem müsse man auf die Innovationskraft des Marktes setzen. Er verwies zudem auf ein gemeinsam mit der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen veröffentlichen Papier. Dies sehe drei Bausteine für die künftige Politik vor: Eine Mengen- und Qualitätssteigerung bei Rezyklaten, den Abbau rechtlicher Hindernisse und die Einführung von Fördermodellen (Mehr zum Papier lesen Sie in der Juli-Ausgabe des RECYCLING magazins).
Bei der Verwertung nur Kreisklasse
Dr. Marc-Oliver Pahl, Generalsekretär des Rats für Nachhaltige Entwicklung, wies auf die derzeitig widersprüchlichen Trends hin: Einerseits würde Nachhaltigkeit bei Verpackungen immer mehr an Bedeutung gewinnen, etwa durch die Nutzung von Unverpacktläden. Andererseits hätte in der Pandemie die Menge an Verpackungen zugenommen, nicht zuletzt durch einen starken Anstieg beim Onlinehandel. Pahl betonte, dass man Verpackungen nicht verteufeln dürfe, es seien aber intelligente Verpackungen notwendig. Er kritisierte auch, dass Deutschland lediglich beim Einsammeln von Verpackungen Weltmeister sei, bei der Verwertung aber bestenfalls Kreisklasse. Weiter betonte er, dass es nicht reiche, die Produktivität immer weiter zu steigern. Es müsse auch gelingen, den Rohstoffverbrauch insgesamt deutlich zu senken. Dazu sei die Weiterentwicklung der erweiterten Herstellerverantwortung notwendig. Zudem seien Pfand- und Mehrwegsysteme für viele Themenbereiche eine Lösung.
Sammlung bei den Kommunen
Da der zeitliche Horizont der Diskussion auf der kommenden Legislaturperiode lag, hatte die AGVU Vertreter der derzeitigen Oppositionsparteien eingeladen, um mehr über deren Vorstellungen für die Kreislaufwirtschaft zu erfahren.
Ralph Lenkert (Die Linke) betonte, dass die derzeitige Erfassung und Verarbeitung von Verpackungsabfällen aus seiner Sicht ineffizient sei. Die Erfassung sollte Aufgabe der Kommunen seien, die Verwertung dagegen privatwirtschaftlich im Wettbewerb stattfinden. Er betonte, dass die Unternehmen die Verantwortung nicht auf die Verbraucher abschieben dürften, die oft nicht über die notwendigen Informationen verfügen würden. Die EU-Plastiksteuer bezeichnete Lenker als problematisch. Es müsse eine Steuer auf alle Verpackungen geben, da es sonst zu einem Verdrängungswettbewerb kommen könne. Als konkrete Maßnahmen nannte er eine Verlängerung der Vertragslaufzeiten bei den Dualen Systemen, eine Förderung von Mehrweg- und Poolsystemen unter Wegfall aller Ausnahmeregelungen bei Getränkeverpackungen und eine Primärressourcenabgabe anstelle von rezyklateinyatzquoten. Lenkert betonte, dass das Gesamtabfallaufkommen deutlich reduziert werden müsse. Zudem müssten die Recyclingquoten einen Qualitätsbezug erhalten.
Mehr Geld für Duale Systeme
Eine weitgehend andere Position vertrat erwartungsgemäß Judith Skudelny von der FDP. Die betonte, dass eine privatwirtschaftliche Organisation in vielen Fällen bessere Funktioniere. Allerdings stimmte sie Lenkert beim Thema der Verlängerung der Verträge der Dualen Systeme zu. Dies biete den Unternehmen mehr Sicherheit für Investitionen. Darüber hinaus erklärte sie, dass aus ihrer Sicht die dualen Systeme nicht ausreichend finanziert seien, um die notwendige Anlageninfrastruktur aufzubauen. Eine Rezyklateinsatzquote nütze dem Fortschritt nicht, erklärte sie weiter. Es sei viel wichtiger, Rezyklatqualitäten zu definieren. Als konkrete Maßnahmen nannte sie eine bessere Finanzierung der Dualen Systeme sowie einen besseren Dialog zwischen Herstellern und Recyclern. Bisher habe der Fokus nur auf besseren Verpackungen gelegen, nicht aber auf einem verbesserten Recycling, so Skudelny. Zur Finanzierung der Dualen Systeme schlug sie entweder eine Abgabe zur Verteuerung von Primärrohstoffen oder ein Fondsmodell vor. Zahlen würde dies in jedem Fall der Verbraucher, erklärte sie.
Mehr über Produkte wissen
Dr. Bettina Hoffmann (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, dass die Kreislaufwirtschaft nicht nur aus Umweltgründen, sondern auch industriepolitisch im Mittelpunkt stehen müsse. Design und Daten seien dabei entscheidend, um Wertstoffe zurückzugewinnen. Sinnvoll sei eine Produktrahmenrichtlinie auf EU-Ebene. Es sei notwendig zu wissen, was in den Produkten enthalten ist. Daher sei ein Produktpass notwendig. Als weiteren Aspekt nannte sie die Normung und Qualitätssicherung von Rezyklaten. Eine Rezyklateinsatzquote ist aus ihrer Sicht schwierig, wenn nicht die ausreichenden Qualitäten vorhanden sind. Hoffmann erklärte weiter, dass die Diskussion um die Wertstofftonne neue Brisanz erhalte. Zudem müssten auch Mehrwegsysteme gestärkt werden. Insgesamt müsse man es den Bürgern so einfach wie möglich machen, sich umweltgerecht zu verhalten.
Die Einführung der Wertstofftonne begrüßte auch Pahl. Allerdings müsse die Frage der Finanzierung geklärt werden. Skudelny betonte, dass die Wertstofftonne nicht an der Frage der Sinnhaftigkeit gescheitert sei, sondern an den Zuständigkeiten und damit an der Frage, wer mit den Wertstoffen Geld verdiene. Diese Situation habe sich nicht geändert.
Ökologische Gestaltung der Lizenzentgelte
Christoph Heller, Geschäftsführer von Zentek, präsentierte schließlich den gemeinsamen Vorschlag der Dualen System zur Neuausrichtung des §21 VerpackG zur ökologischen Gestaltung der Lizenzentgelte. Das Ziel der Überarbeitung müsse die größtmögliche Anreizsetzung für die Recyclingfähigkeit und den Rezyklateinsatz auf Seiten der Inverkehrbringer sein. Die Systembetreiber würden sich in der Verantwortung sehen, eine gemeinsame Lösung anzubieten, die den bisherigen Vorschlägen mindestens ebenbürtig seien, die Interessen der privaten Stakeholder aber stärker berücksichtigen, so Heller. Ein Fondsmodell in Verwaltung der Zentralen Stelle lehnten die Systeme ab, da dadurch hohe Kosten entstehen würden, die aber nicht dem Recycling zur Verfügung stünden. Auch seien Modelle problematisch, die nicht alle Materialien betrachten würden. Zudem müssten die verpflichteten Inverkehrbringer unmittelbar und kalkulierbar von einem derartigen System profitieren.
Eine grundsätzliche Ausdifferenzierung solle nach dem Kriterium recyclingfähig/nicht recyclingfähig erfolgen. Es soll einen festen, für alle Systeme identischen und transparenten Zuschlagsbeitrag geben. Die daraus resultierenden Mittel sollen zur Förderung von Projekten verwendet werden, etwa in den Bereichen Design for Recycling, Recycled Content, Verbraucherverhalten oder Recyclinginfrastruktur.. Heller betonte, dass dieses System eine gesetzliche Änderungen voraussetze, da es sonst kartellrechtliche Probleme gebe. Der Fokus des vorgeschlagenen Konzepts liege auf der Recyclingfähigkeit, könne aber auch auf den Rezklateinsatz ausgeweitet werden. Er betonte, dass die Mittel nicht zur Deckung der Kosten des Systembetriebs verwendet werden dürften. Zudem müsse noch eine Lösung für die Insolvenzsicherheit gefunden werden. Abschließend erklärte Heller, dass das vorgeschlagene System wettbewerbsneutral sei und redundante Parallelstrukturen vermeiden würde.