Auf Grund der unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften von Kunststoffen werden Schnittsysteme von Schreddern meist gezielt für die Verarbeitung eines speziellen Materials ausgerüstet. Beispielsweise wirkt sich die Schnittgeometrie von Spitzmessern positiv bei der Zerkleinerung von äußerst zähen Materialien, wie BigBags, Seilen oder Netzen, die hohen Zugbelastungen widerstehen müssen, aus. Hier wird die durch die Antriebseinheit zur Verfügung gestellte Kraft ideal auf eine sehr kleine Fläche fokussiert, wodurch solche sehr reißfesten Materialien wie mit einem Messer oder einer Schere zerschnitten werden. Im Gegensatz dazu haben sich Flachmesser in der Aufbereitung von formstabilen Kunststoffen wie Polypropylen bewährt. Die im Vergleich zu Fasern eher dickwandigen Materialien wie Platten, Kisten oder auch Produktionsrückstände aus der kunststoff-verarbeitenden Industrie (Extrusion, Spritzguss etc.) lassen sich einfacher über eine parallele Schnittkante brechen und das aggressive Einzugsverhalten der großflächig einwirkenden Messer beeinflusst den Durchsatz positiv.
Die Wahl des richtigen Schnittsystems, beziehungsweise das Zusammenspiel von Rotor-, Statormessern und Drehzahl, beeinflusst auch maßgeblich die Qualität des Korns. Hier gilt es vor allem den Anteil von feinen Partikeln im Materialstrom zu vermeiden, denn dieser Feinanteil wirkt sich negativ auf Folgeprozesse aus und kann unter anderem zu Verstopfungen in Reinigungskomponenten oder den feinen Sieben von Extrudern führen.
Anhand der oben genannten Beispiele lässt sich erahnen, wie umfangreich diese Thematik ist. Speziell die wirtschaftliche Komponente spielt hier eine wesentliche Rolle. Oft kommt es vor, dass Auftragsfertiger neben einem Hauptmaterial wie beispielsweise Folien noch ergänzend andere, in der Produktion anfallende Materialien wie Brocken abnehmen müssen. Zusätzlich müssen häufig mehrere unterschiedliche Altkunststoffe zur Auslastung der Produktionskapazitäten verarbeitet werden. Setzt man jetzt für jeden Stoffstrom einen eigenen Schredder ein, lässt sich, abhängig von Unternehmensgröße und anfallenden Mengen, die Wirtschaftlichkeit nur schwer darstellen. Deshalb werden kleinere Chargen oftmals weiterverkauft, was wiederum die zu erzielende Produktivität senkt.
Mit diesem Problem hat man sich bei Lindner beschäftigt und die etablierte Mono-Fix-Technologie zu einem smarten System weiterentwickelt. Mono-Fix erlaubt das Wechseln von Messern und Messerhaltern durch nur eine einzige Schraube und wurde ursprünglich entwickelt, um Stillstandzeiten bei Wartungen zu minimieren. Jetzt wurde das System um mehrere Module erweitert. Zur Verfügung stehen unterschiedliche Spitz- und Flachmesser sowie Blindplatten und spezielle Gegenmesser, die am selben Rotorkörper einsetzbar sind. Durch diese Erweiterung ist es nun möglich, nicht nur das Schnittsystem verschleißbedingt komplett zu ersetzen, sondern auch unterschiedliche oder gemischte Rotorkonfigurationen einzusetzen. Besonders bei schwierigen Materialien wie massiven Brocken können durch gemischte Schnittsysteme bekannte Probleme vermieden werden, denn setzt man hier nur Spitzmesser ein, fräsen sich die Messer in den Kunststoff und der Durchsatz sinkt stark ab. Kombiniert man die beiden Systeme, entsteht ein durch das Spitzmesser präzise geschnittenes Korn und die anfallenden Einfräsungen werden von den Flachmessern freigeschnitten. Ebenso kann durch den Einsatz von speziellen Füllplatten die Aggressivität der Schnitteinheit angepasst werden, um auch mit geringen Antriebsleistungen schwere Materialien bei entsprechenden Durchsätzen verarbeiten zu können. Zusätzlich zu den flexiblen Rotorkonfigurationen werden maßgeschneiderte Software-Set-Ups angeboten, mit denen relevante Parameter in Bezug auf die Maschinensteuerung und den Frequenzumformer an das jeweilige Einsatzgebiet angepasst werden.
Das flexible Schnittsystem entstand in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Kunststoffrecycler Candi Plastic Recycling GmbH, der jenes auch bereits erfolgreich im Einsatz hat. Beim Familienunternehmen Candi Plastic Recycling mit Stammsitz in Sollenau werden jährlich etwa 3.000 Tonnen thermoplastische Kunststoffe wie PE, PP, PS und ABS zu sortenreinen Regranulaten verarbeitet. Die Materialien, die südlich der österreichischen Metropole Wien, sowie beim Tochterunternehmen Calex im rumänischen Baia Mare aufbereitet werden, stammen meist direkt von internationalen Größen der Verpackungs- und Markenproduktherstellung.
Eines der Geheimnisse des Betriebs auf seinem mittlerweile zwanzigjährigem Erfolgsweg ist es, sich ständig an unterschiedliche Materialien und neue Kundenwünsche anpassen zu können. Dazu Andreas Campan, Leiter der Produktion und Cheftechniker bei Candi Plastic Recycling: „Wir verarbeiten Thermoplaste in beinahe jeder Form, angefangen von Folien über Hohlkörper bis hin zu Klumpen. Da immer mehr Produzenten Abfälle so gut es geht vermeiden wollen, steigen die geforderten Abnahmemengen und damit auch die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Materialien ständig. Um hier dem Kundenwunsch gerecht zu werden, aber auch unsere Kapazitäten mit optimaler Produktivität auslasten zu können, setzen wir auf Technologien, die es uns ermöglichen, ein möglichst breites Spektrum abzudecken.“ Im konkreten Fall der Zerkleinerung, der ersten Stufe im Aufbereitungsprozess, setzt man deshalb auf kompakte Schredder von Lindner. Auf Grund von Empfehlungen aus der Branche hatte man sich einst für den Hersteller entschieden.
Heute prägt die Zusammenarbeit von Candi Plastic Recycling und Lindner eine Partnerschaft, in der gemeinsam an smarten Lösungen für neue Herausforderungen gearbeitet wird. „Wir haben nach einer Lösung gesucht, um möglichst viele unterschiedliche Materialien mit einer Maschine verarbeiten zu können. Das hält einerseits die Investitionskosten im Rahmen und sorgt dafür, dass wir die uns zur Verfügung stehenden Kapazitäten ideal auslasten können. Sind diese Punkte erfüllt, können wir letztlich auch unsere Umsätze steigern. Als wir uns damit an Lindner gewandt haben, war sofort die Bereitschaft da, dieses Thema gemeinsam anzugehen“, erläutert Campan. Das Resultat dieser Zusammenarbeit ist ein flexibles Schnittsystem aufbauend auf der bewährten Lindner Mono-Fix-Technologie. Dadurch ist es möglich, den Zerkleinerer in kurzer Zeit an die unterschiedlichsten Materialien anzupassen und dabei mit verschiedenen Messergeometrien und Rotorkonfigurationen die Durchsätze auf einem konstant hohen Niveau zu halten. Dazu konstatiert Stefan Scheiflinger-Ehrenwerth, Leiter des Produktmanagements bei Lindner Recyclingtech: „Wir legen immer großen Wert darauf, Lösungen gemeinsam und ganz nah am Kunden zu entwickeln. In der Zusammenarbeit mit dem großartigen Team von Candi hat sich dieser Ansatz wieder einmal mehr als bewährt.“
Die schlüsselfertigen Pakete können anwendungsbezogen und passend zum jeweiligen Schredder als materialspezifische Option bestellt werden. Bei der Entwicklung dieser Lösung setzte man bei Lindner vor allem auf das über Jahrzehnte international erworbene Anwendungs-Know-how, denn schließlich funktioniert die ideale Schredder-Konfiguration für PP-/PA-Leinen in Chile auch wunderbar an den Küsten Norwegens.
Schwierige Materialien wie massive Brocken können durch eine gemischte Rotorkonfiguration problemlos verarbeitet werden.