Prof. Peter Quicker, Technologie der Energierohstoffe (TEER) an der RWTH Aachen und Leiter des UBA Expertenkreis ReFoPlan-Projekts, führte als Moderator zunächst ins Thema ein, indem er die verschiedenen Verfahren darstellte und eine Definition zu chemischem Recycling gab.
Wie kontrovers das Thema gesehen wird, zeigte die hitzige und emotionale Debatte, insbesondere über verschiedene Life Cycle Assessments (LCA). Während Reinhard Schneider, Geschäftsführender Gesellschafter, Werner & Mertz GmbH, die von der chemischen Industrie in Auftrag gegebenen LCAs in ihren Aussagen in Frage stellte, verwies Dr. Andreas Kicherer, Director Corporate Sustainability, BASF SE, deutlich auf die ISO-konforme Ausarbeitung und Begutachtung durch unabhängige Institutionen. Die komplette Studie ist veröffentlicht und zusätzliche Transparenz sei darüber hinaus u. A. durch eine öffentliche Diskussionsveranstaltung im Oktober 2020 geschaffen worden.
Die ersten Pilotanlagen, die in Europa betrieben werden, zeigen, dass die Technologie des chemischen Recyclings funktionieren kann, und dass es einen ersten Markt für die dadurch hergestellten neuwaregleichen Produkte der chemischen Industrie gibt.
In den Beiträgen und der Diskussion zeigte sich außerdem, dass das chemische Recycling kein „Allesschlucker“ ist, sondern aufbereitete Kunststofffraktionen nötig sind, wenngleich diese geringere Reinheitsanforderungen haben als für mechanisches Recycling. In diesem Zusammenhang stellte Tara Nitz, Global Positioning & Advocacy Circular Economy, Covestro AG, klar, dass es auch Kunststoffströme außerhalb der Verpackungen gibt, die nicht mechanisch recycelt werden können, aber wenn sie sortenrein vorliegen, zielgerichtet chemisch recycelt werden können, z. B. Polyurethan-Schäume. Notwendig sei eine stärkere Symbiose zwischen Recycling- und Chemieindustrie auch in den Sortier- und Aufbereitungsverfahren und -logistik.
Im Chat wurde außerdem darauf hingewiesen, dass die aus dem mechanischen Recycling resultierenden Rezyklate – mit Ausnahmen der PET-Flakes aus den PET-Pfandflaschen – keine Lebensmittelzulassung bekommen, jedenfalls bisher nicht. Zugleich kommt aber Druck aus der EU, verstärkt Rezyklate – gerade in Verpackungen – einzusetzen. Hier könnte das chemische Recycling zusätzlich zum mechanischen Recycling einen wichtigen Beitrag leisten
Sascha Roth, Referent für Umweltpolitik, NABU – Naturschutzbund Deutschland, verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass durch die Debatte um das chemische Recycling der Fokus auf effizientere Maßnahmen am Beginn des Produktlebenszyklus, wie etwa das Design for Recycling, verloren geht. Auch wenn dies nicht in allen Bereichen (z. B. Pharma) in Gänze umgesetzt werden kann, ist doch noch viel Potenzial vorhanden. Eine weitere Verbesserung der Stoffströme kann auch durch bessere Sammelsysteme und Sortierung erreicht werden. Hier gibt es ebenfalls mehrere neue Verfahren und Technologien, die zur erfolgreichen Umsetzung jedoch klarer politischer Signale bedürfen, welche Sekundärrohstoffe preislich attraktiver machen müssen. Ergänzend äußerte Herr Schneider seine Sorge, dass die chemische Verwertung gerade bei den Polyolefinen immer stärker in einen wirtschaftlichen Verdrängungswettbewerb zum mechanischen Recycling geführt werde, obwohl letzteres mittlerweile sogar Kosmetik-konforme Qualitäten hervorbringe.