Die Einwegverpackungsrichtlinie der EU schreibt vor, dass sich die Hersteller künftig an den Reinigungskosten beteiligen müssen. Und an der Stelle endet die Einigkeit. Die Frage, wer denn nun zahlen muss, statt im Mittelpunkt eines AGVU-Fachgesprächs Ende Januar.
Aktuelle europäische Regelungen verlangen, dass sich die Hersteller bestimmter Produkte an den Kosten für die Beseitigung von Littering beteiligen. Nach Auffassung von AGVU-Geschäftsführer Carl Dominik Klepper verkürze das die erweiterte Herstellerverantwortung auf eine rein finanzielle Verantwortung. Eigentlich bedeute sie aber mehr, nämlich einen Gestaltungsauftrag an die Produktverantwortlichen und auch die Kontrolle über die eingesetzten technischen Mittel und Lösungen. Das Prinzip habe sich bewährt, so Klepper. Er forderte eine enge und transparente Abstimmung von Anti-Littering-Maßnahmen von Wirtschaft und Staat. Das werfe aber auch die Frage nach der Kostenübernahme auf. Da es die Bürger seien, die littern und diese vom Staat repräsentiert werden, stelle sich die Frage, ob die Kosten für dieses Fehlverhalten nicht auch vom Staat übernommen werden müssten, statt die Kosten der Wirtschaft zuzuordnen. Eine faire Kostenaufteilung sei auch rechtlich geboten.
Trend zum Littering hält an
Dr-Ing. Georg Mehlhart gab einen Überblick über den aktuellen Wissensstand beim Littering. Unter Littering sei dabei das vorsätzliche oder fahrlässige Einbringen von Abfällen im öffentlichen Raum zu verstehen. Dabei müsse man zwischen wilder Entsorgung (etwa Sperrmüll in der Natur), vorsätzlichem Wegwerfen (Zigarettenkippen, To-go-Verpackungen) und versehentlichem Handeln (Verlieren von Taschentüchern oder Schutzmasken) unterscheiden.
Genaue Zahlen über das Littering-Aufkommen würden nicht vorliegen, betonte Mehlhart. Verschiedene Untersuchungen kämen auf eine Größenordnung von 0,5 bis 0,6 Prozent des Siedlungsabfallaufkommens, insgesamt etwa 300.000 Tonnen. Die Daten seien aber Schätzwerte und nicht mehr als ein erster grober Anhaltspunkt, da nicht alle Anfallstellen erfasst würden.
Der Trend zum Littering würde auch weiter anhalten. Dabei gebe es für das Littering „großer“ Gegenstände eine andere Motivation als bei „kleinen“ Gegenständen. Beides sei aber mit hohen Kosten verbunden. Als wesentliche Maßnahmen nannte er die Überprüfung, ob die Angebote zur Andienung der Abfälle ausreichend und attraktiv genug sind, einen hohen Sanktionsdruck und mehrsprachige Informationen. Zudem wies er darauf hin, dass die Kosten für die Entsorgung und die Vermeidungsmaßnahmen oft nicht zusammenfallen würden. Bezüglich der Sanktionen führte er aus, dass die Strafen heute sehr uneinheitlich geregelt seien und zum Teil relativ gering ausfallen würden. Grundsätzlich sei eine Vernetzung der beteiligten Akteure auf allen Ebenen notwendig.
Die Kommission hinkt hinterher
Dr. Jean Doumet vom Bundesumweltministerium wies darauf hin, dass die aktuellen Maßnahmen ihre Grundlagen im ersten Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft und der daraus resultierenden eigenen Strategie für Kunststoffe hätten. Dementsprechend sei der Anwendungsbereich der Einwegkunststoffrichtlinie auch sehr begrenzt. Der Prozess sei auf europäischer Ebene auch noch nicht beendet. Die Kommission habe den Auftrag, noch neun Durchführungsrechtsakte und zwei Leitlinien vorzulegen. Auf EU-Ebene gebe es zudem immer weitere Verzögerungen, die eine rechtzeitige Umsetzung der Vorgaben auf nationaler Ebene erschweren.
Doumet erläuterte im Detail die Umsetzung in Deutschland und betonte, dass sich vor allem durch die Verbrauchsminderung bei To-go-Lebensmittelbehältern und Einweggetränkebechern sowie das Inverkehrbringensverbot ein deutliches Minderungspotenzial für Littering ergebe. Für bestimmte Produkte werde zudem die erweiterte Herstellerverantwortung eingeführt, die unter anderem die Übernahme der Kosten für Sensibilisierungsmaßnahmen, die Sammlung und Entsorgung in öffentlichen Sammelsystemen, öffentliche Reinigungsaktionen sowie die Datenerhebung umfasse. Diese gelte sowohl für Verpackungen wie To-go-Lebensmittelverpackungen, Einweggetränkebecher und leichte Kunststofftragetaschen als auch für Nichtverpackungen wie Feuchttücher, Luftballons und Tabakprodukte mit Kunststofffiltern. Für jedes Produkt sei auf europäischer Ebene detailliert geregelt, welche Kosten übernommen werden müssen. Unklar sei aber, wer sie übernehmen müsse. Dazu warte man noch auf die entsprechende EU-Leitlinie.
Für die Kostenübernahme würden derzeit zwei Modelle geprüft. Denkbar sei zum einen die Erweiterung des Nebenentgeltmodells im Verpackungsgesetz. Dabei könnten die bisherigen Strukturen genutzt werden, die Abwicklung könne über die dualen Systeme erfolgen. Allerdings würden sich erhebliche Mehrkosten gegenüber den bisherigen Kosten der Verpackungsentsorgung ergeben. Zudem sei die Transparenz und Effizienz in einem derartigen System fraglich.
Die zweite Variante sei eine Kostenerstattung im Rahmen eines Einzugkunststofffonds. Dies erfordere die Errichtung neuer Strukturen, gegebenenfalls unter Nutzung der ZSVR. Geklärt werden müssten hier verfassungsrechtliche Fragen sowie ein Modus für die Zusammensetzung und Festlegung der Kostenanteile. Nach Abschluss der Prüfung soll die Festlegung auf ein Modell und die Entwicklung eines Regelungsvorschlags erfolgen. Problematisch sei allerdings, dass die EU-Leitlininen zu den Begriffsbestimmungen und der Kostenerhebung noch nicht vorliegen, so Doumet. Auf die Frage, ob die Hersteller nicht doppelt belastet würden, erklärte er, dass man zwischen den Lizenzentgelten für die in Verkehr gebrachten Verpackungen und den Kosten für die Reinigung von Littering im öffentlichen Raum unterscheiden müsse. „Es ist keine zusätzliche Belastung für ein- und dieselbe Kategorie an Maßnahmen“, so Doumet. Er betonte zudem, dass die Regelungen der Einwegkunststoffrichtlinie Vorrang vor der Verpackungsrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie hätten.
Erhebliche juristische Bedenken
Explizit mit der Frage nach der Kostenübernahme beschäftigte sich Dr. Olaf Konzak in seinem Vortrag. Er führte aus, dass es mit der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes eine erhebliche Erweiterung der Produktverantwortung gegeben habe. Zu den wesentlichen Neuerungen gehörten dabei eine Obhutspflicht und die Kostenbeteiligung an den Litteringkosten.
Konzak erklärte, dass das Verursacherprinzip als wesentliche Begründung der Kostenbeteiligungspflicht herangezogen werde. Allerdings sei die Frage, was damit tatsächlich begründet werden könne. Zentral sei dabei die Frage nach der Kausalität und dem Zurechnungszusammenhang.
Bei der Kostenbeteiligungspflicht handele es sich um eine Pflicht zur Beteiligung an den Räumungskosten im öffentlichen Raum für wilde Abfälle. Dabei handele es sich um eine spezielle Ausprägung der erweiterten Herstelleraverantwortung. Kostengegenstand sei dabei die Reinigung der Umwelt. Unter wilden Abfällen würden Abfälle verstanden, die nicht durch öffentliche Sammelsysteme erfasst werden. Konzak betonte, dass die Wahrung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes zweifelhaft sei, da nur bestimmte Produkte der Kostenbeteiligungspflicht unterliegen. Eine Differenzierung nach der Vermüllungsanfälligkeit erscheint aus seiner Sicht zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung erforderlich.
Bei der Kostenschuldnerschaft hat Konzak Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot ebenso wie an der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die unternehmerische Freiheit. Weiter nannte er zwei Gründe für eine schuldnermehrheitliche Kostenanteilsregelung: Zum einen sei die Verursachung der Kosten nicht monokausal auf das Verhalten der Hersteller zurückzuführen. Zum anderen würde die Gesamtheit der im öffentlichen Raum gesammelten wilden Abfälle nur anteilig einer Kostenbeteiligungspflicht unterliegen.
Zur Finanzierung über einen Fonds erklärte Konzak, dass eine derartige Lösung nicht im Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelt sei. Zudem habe er Zweifel, dass die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Sonderabgabe gegeben seien. Auch eine Erweiterung der Nebenentgelte sieht er kritisch. Abschließend erklärte er, dass die durch die illegale Abfallentsorgung der Verbraucher verursachten Kosten für die Reinigung von wilden Abfällen nicht den Produktverantwortlichen obliegen würden.