Die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) zeigen, wie die Belastung der Ostsee mit Mikroplastik in einem regelmäßigen Monitoring effizient beobachtet werden kann. Zudem geben sie Einblick, wie eine Reduktion des Gesamteintrages an Mikroplastik erreicht werden könnte. Auf Platz 1 der effektiven Maßnahmen in den Städten: die Reduzierung von Abwasserüberläufen.
Als Mikroplastik werden Kunststoffpartikel bezeichnet, die kleiner als 5 Millimeter sind. Es ist in den Fokus der Umweltforschung und -politik geraten, nachdem es überall auf der Erde, auch in den entlegensten Gegenden, nachgewiesen wurde. Und Mikroplastik verschwindet nicht mehr aus der Umwelt, wenn es einmal eingetragen ist. Es zerfällt nur in immer kleinere Teilchen und reichert sich so ständig an, wenn die Eintragspfade nicht geschlossen werden. Als zentrale Quellen für Mikroplastik im Meer gelten besiedelte Gebiete. Aus diesen urbanen Quellen fließen Abwässer aus Kläranlagen, Trennkanalisation, Regenwasserüberläufen sowie in Form ungeklärter Abwässer in Richtung Meer.
Auf der Basis existierender Daten für 3.525 Kläranlagen und zusätzlichen Literaturangaben aus dem gesamten Ostseeraum hat ein internationales Team von Umweltwissenschaftlern um den Warnemünder Gerald Schernewski berechnet, wie viele Partikel der am häufigsten genutzten Kunststoffe der Größe zwischen 0,02 und 0,5 Millimeter aus diesen Quellen in die Ostsee gelangen und wie sie sich dort verhalten. Sie benutzten dafür Simulationen auf der Basis von dreidimensionalen Strömungsmodellen, die ihnen außerdem die Verweildauer der Teilchen im Meer anzeigten und die Regionen identifizierten, in denen die Mikroplastiklast hauptsächlich abgelagert wird.
Insgesamt kann von einem Eintrag von rund 67 Billionen Mikroplastik-Partikeln ausgegangen werden, die aus urbanen Quellen pro Jahr in die Ostsee gelangen. Das Wissenschaftlerteam fand aber auch heraus, dass die Verweilzeit mit rund 14 Tagen relativ gering ist. Innerhalb dieses Zeitraumes landet der Großteil des Mikroplastiks an den Küsten in der Nähe der Einleitungen, zum Beispiel von Flussmündungen. Hier kann die jährliche Belastung der Strände auf 1 Milliarde Partikel pro Meter Küstenlinie anwachsen. Im Durchschnitt gehen die Autoren von 1 Millionen Partikel aus, die jährlich pro Meter an allen Ostseestränden landen.
Für Schernewski, Leiter der Arbeitsgruppe Küsten- und Meeresmanagement des IOW, bieten die Ergebnisse gute Ansätze für ein effizientes Monitoring: „An den Küsten in der Nähe der Emissionsquellen ist die höchste Verschmutzung zu finden. Das bedeutet, dass wir hier auch am ehesten mit einem regelmäßigen Monitoring den Belastungszustand der Ostsee mit Mikroplastik erfassen können.“ Aber das Modell lieferte noch konkretere Ergebnisse: „Die höchsten Partikelansammlungen fanden sich an den Ufern von Fjorden, Buchten und Lagunen. Es scheint, dass diese Küstenformen das Mikroplastik besonders effektiv zurückhalten und so die offene Ostsee vor Verschmutzung schützen. Wir empfehlen daher, diese Systeme bei der Auslegung von Monitoring-Strategien zu priorisieren.“
In einer weiteren Studie untersuchten die Wissenschaftler mithilfe unterschiedlicher Modellszenarien, welchen Gesamteffekt die Reduktionen an einzelnen Quellen bringen würden. Sie fanden heraus,
- dass der größte Effekt durch die Etablierung von Trennkanalisation mit Retentionseinheiten zu erreichen wäre: die Gesamtmenge des Eintrages von Mikroplastik aus urbanen Quellen in die Ostsee halbierte sich, wenn der Anteil der jährlichen Abwässer, die über die Regenwasserüberläufe in die Ostsee gelangen, von derzeit 1,5 auf 0,3 Prozent gedrosselt würden.
- dass sich der Gesamteintrag um weitere 14 Prozent reduzierte, wenn alle Abwässer an Klärwerke mit einer dritten Reinigungsstufe angeschlossen würden. Allein die Nachrüstung aller Klärwerke in den osteuropäischen Flusseinzugsgebieten um eine dritte Reinigungsstufe würde die Menge an von dort eingetragenen Partikeln um 50% reduzieren.
Die Arbeit wurde durch das Projekt Bonus Micropoll (03A0027A) finanziell unterstützt. Dieses Projekt wurde mit Mitteln aus dem Programm Bonus (Art 185) gefördert, das gemeinsam aus dem 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union und nationalen Fördereinrichtungen aus dem Ostseeraum, zum Beispiel das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), finanziert wurden.