KIT: Green Deal schlecht für den Planeten?

In der Zeitschrift Nature zeigen Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) auf, dass der „Green Deal“ ein schlechter Deal für den Planeten sein könnte, da die EU durch einen hohen Import von Agrargütern ihre Umweltschäden nach außen verlagere.
Durch den hohen Import von Agrargütern verlagere die EU Umweltschäden, so das Forschungsteam des KIT. Bild: Markus Breig, KIT

Der „Green Deal“, so das Ziel der Europäischen Kommission, soll die europäische Landwirtschaft in den nächsten Jahren stark verändern und dazu beitragen, dass Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent wird. Bis 2030 soll ein Viertel der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet und der Einsatz von Düngemitteln um 20 und der von Pestiziden um 50 Prozent reduziert werden. Die EU plant außerdem, drei Milliarden Bäume zu pflanzen, 25 000 Kilometer Flüsse wiederherzustellen und den Rückgang der Bestände von Bestäubern wie Bienen oder Wespen umzukehren. „Diese Maßnahmen sind wichtig und sinnvoll“, sagt Richard Fuchs vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen. „Es müssen aber auch parallel Ziele für den Außenhandel festgelegt werden, sonst verlagern wir das Problem nur nach außen und schaden weiter dem gesamten Planeten.“ In seiner Studie hat das Forschungsteam die Nachhaltigkeitsbedingungen im Ausland mit denen in Europa verglichen und Handlungsempfehlungen für ein einheitliches Vorgehen aufgestellt.

Nachhaltigkeitsstandards müssen definiert und harmonisiert werden

So importiert die Europäische Union gemäß der Studie jährlich Millionen Tonnen an Agrargütern, 2019 hat sie ein Fünftel der Feldfrüchte und viele Fleisch- und Milchprodukte aus dem Ausland eingekauft. Die Importe kommen jedoch aus Ländern, deren Umweltgesetze weniger streng sind als die in Europa. Beispielsweise sind gentechnisch veränderte Organismen in der EU-Landwirtschaft seit 1999 stark eingeschränkt. Dennoch importiert Europa genveränderte Sojabohnen und genveränderten Mais aus Brasilien, Argentinien, den USA und Kanada, wie aus der Studie hervorgeht. „Die Handelspartner Europas verwenden außerdem im Durchschnitt mehr als doppelt so viel Düngemittel wie wir. Auch der Pestizideinsatz hat bei den meisten zugenommen“, erklärt Fuchs. Das Problem sei, dass jede Nation Nachhaltigkeit anders definiere. Was in Europa verboten sei, könne in anderen Ländern erlaubt sein. „Importiert die EU also aus diesen Ländern Waren, lagert sie Umweltschäden einfach in andere Regionen aus, während sie gleichzeitig die Lorbeeren für die grüne Politik in den eigenen Ländern einheimst“, so der Klimaforscher.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT empfehlen, dringend die Nachhaltigkeitsstandards zu harmonisieren und dafür beispielsweise den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden stark zu reduzieren und Entwaldung zu vermeiden. „Zwar kann die EU ihre Standards anderswo nicht durchsetzen, dennoch kann sie verlangen, dass Waren, die auf den europäischen Markt kommen, ihren Vorschriften entsprechen“, sagt Richard Fuchs.

CO2-Fußabdruck weltweit bewerten und Fleischkonsum reduzieren

Außerdem gelte es, den CO2-Fußabdruck Europas weltweit zu bewerten und dann zu verbessern, so der Forscher. Die Kohlenstoffbilanzierung nach dem Pariser Abkommen erfasse nur die Emissionen, die innerhalb eines Landes bei der Produktion anfielen, nicht aber diejenigen, die bei der Herstellung von dort verbrauchten, aber in einem anderen Land produzierten Gütern entstanden seien.

Zudem werben die Wissenschaftler dafür, den Konsum von Fleisch und Milchprodukten zu reduzieren. Das verringere gleichzeitig die Agrarimporte. Außerdem sollte die einheimische Produktion nach entsprechenden Standards gestärkt werden. Dazu könnten in Europa Gebiete mit geringer Artenvielfalt oder nichtlandwirtschaftlicher Nutzung umfunktioniert werden. So ließe sich auch die Entwaldung in den Tropen verringern, für die das Schaffen neuer landwirtschaftlicher Flächen ein wesentlicher Grund ist. Ernteerträge ließen sich zudem etwa mit der Geneditierungstechnik CRISPR steigern, erklärt das Team. Diese verbessere die genießbare Masse, die Höhe und die Schädlingsresistenz von Pflanzen, ohne Gene einer anderen Art zu verwenden.

„Nicht alle Maßnahmen sind einfach umzusetzen. Eine Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion würde aber dazu beitragen, Europas Nahrungsmittelpflanzen vor globalen Marktschwankungen, vor Störungen in der Versorgungskette und vor einigen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen“, sagt Fuchs. „Und nur so kann der ‚Green Deal‘ nicht nur ein guter Deal für ein klimaneutrales Europa, sondern auch für den ganzen Planeten werden.“

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1 KOMMENTAR

  1. Alle diese Massnahmen sind Stückerk!
    Für eine nachhaltige Wirtschaft sind sowohl die ökologische, als auch die soziale Komponente von Bedeutung.
    Um Regeln aufzustellen ist es erforderlich, dass wissenschaftlich fundiert ermitteltes und belastbares Zahlenmaterial vorliegt. Dazu muss für jedes Produkt sowohl ein ökologischer, als auch ein sozialer Fussabdruck ermittelt werden. Dies kumuliert vom Rohstoff übert Transport, Verarbeitung und Recycling oder Entsorgung. Nur wenn alle Belastungen bekannt sind, können zielführende Massnahmen getroffen werden. Die Methoden und Verfahren zur Ermittlung stehen bereits weitestgehend zur Verfügung.

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