„Damals hätte niemand geglaubt, dass der Grüne Punkt einmal zum Vorbild für ähnliche Unternehmen weltweit werden würde“, sagt im Rückblick Michael Wiener, CEO des Grünen Punkts. „Doch genau das ist er heute. Und darauf sind wir stolz. Durch den Grünen Punkt ist Mülltrennung in Deutschland ganz normal geworden. Nach diesem Muster sind zahlreiche ähnliche Unternehmen überall in Europa entstanden. Und weltweit richten sich Länder nach unserem Vorbild, um Sammel- und Recyclingsysteme für Verpackungsabfall aufzubauen.“
Als Non-Profit-Unternehmen und „Systemkopf“ ohne eigene Anlagen gegründet, ist der Grüne Punkt heute eine auf Wettbewerb ausgerichtete Unternehmensgruppe mit Produktionsstätten für Recyclingkunststoffe und eigener Produktentwicklung. Die Gruppe arbeitet heute in den Geschäftsfeldern Rücknahmesysteme, Sekundärrohstoffentwicklung, -herstellung und -vermarktung sowie in der Beratung zu Design for Recycling und Rezyklateinsatz.
Gründung 1990 durch Industrie und Handel
Ende der 1980er-Jahre stand Deutschland vor einem wachsenden Müllberg – Siedlungsabfälle wurden überwiegend als Restmüll erfasst und auf Deponien abgelagert, ohne sortiert und verwertet zu werden. Der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer verlangte daher von Unternehmen, die verpackte Produkte auf den Markt bringen, die Verpackungen nach Gebrauch zurückzunehmen und einer Verwertung zuzuführen – oder einen Dritten damit zu beauftragen, auf jeden Fall aber alle Kosten dafür zu übernehmen. Um diese Verpflichtung zu übernehmen, wurde 1990 im Vorgriff auf die Verpackungsverordnung, die erst 1991 in Kraft trat, der Grüne Punkt gegründet. Er baute bis 1993 ein zweites – duales – Entsorgungssystem nur für Verpackungsabfälle neben dem öffentlich-rechtlichen für Restmüll, Sperrmüll usw. auf.
Die immensen Kosten für die flächendecke Einführung von Gelber Tonne, Gelbem Sack, Glascontainer und Co. hatten Industrie und Handel zu tragen. Da sie auf die Produktkosten umgelegt wurden, machte das Verpackungen zunächst teurer – das führte dazu, dass viele Unternehmen Verpackungen einsparten oder leichter machten. Zur Finanzierung seiner Aufgaben wurde das Markenzeichen „Der Grüne Punkt“ als Lizenzzeichen eingeführt. Da viele Länder diesem Beispiel folgten, wurde das Logo mit den beiden grünen Pfeilen in den 1990er Jahren zu einem der bekanntesten Markenzeichen weltweit.
Einführung des Wettbewerbs 2003
Da der Grüne Punkt als einziger Betreiber das duale System organisierte, durfte er keinen Gewinn erzielen – das änderte sich 2003, als nach Entscheidungen der Europäischen Kommission und des Bundeskartellamtes Wettbewerber in den Markt eintraten. Durch die Einführung des Wettbewerbs bei der Ausschreibung der Entsorgungsverträge und zwischen den Systembetreibern und durch technische Innovationen haben sich die Kosten für das duale System zwischen 2000 und 2015 halbiert.
„Dabei waren und sind wir kein Unternehmen wie jedes andere“, hebt Michael Wiener hervor. „Was wir tun, wird ganz wesentlich von politischen Entscheidungen in Brüssel und Berlin bestimmt. Wird überhaupt und was wird getrennt und recycelt?“ So habe etwa das Verpackungsgesetz mit höheren Verwertungszielen dafür gesorgt, dass Unternehmen der Kreislaufwirtschaft in neue und bessere Sortieranlagen investieren. „Wir setzen uns für vernünftige Entscheidungen ein. Und wir zeigen, was geht“, betont Wiener. 2010 ist der Grüne Punkt selbst in die Produktion von Recyclingkunststoffen eingestiegen, betreibt heute zwei Recyclingwerke für Kunststoffabfall aus dem Gelben Sack und eine eigene Einrichtung, um neue Produkte aus Recyclingkunststoff zu entwickeln.
Innovatives Kunststoffrecycling
Mit Kunststoffverpackungen etwa von Werner & Mertz, die aus Abfall hergestellt und heute überall zu kaufen sind, wurde der Recyclingkreislauf geschlossen: Aus einer Kunststoffverpackung aus dem Supermarktregal ist erneut eine Kunststoffverpackung für das Supermarktregal geworden. Der Grundstoff dafür ist Systalen, das Kunststoffrezyklat des Grünen Punkts. „Technisch ist das hochwertige Recycling von Kunststoffabfall längst möglich – wirtschaftlich aber kommt es nicht voran“, so Wiener. Der Grund: Neue Kunststoffe werden wg. fallender Erdölpreise und großer Herstellungskapazitäten immer billiger, während das Kunststoffrecycling immer noch eher ein Nischengeschäft ist.
„Es ist wie bei den erneuerbaren Energien: Es braucht den politischen Willen zur Wende – der Markt allein wird es aus sich heraus nicht schaffen.“ Denkbar wäre es für Wiener zum Beispiel, Mindesteinsatzquoten für Rezyklate für verschiedene Kunststoffproduktgruppen vorzugeben. Die Europäische Union hat eine solche Quote für PET-Getränkeflaschen bereits eingeführt: Ab 2025 müssen sie zu mindestens 25 Prozent aus Rezyklat bestehen. „Das hat den Markt für hochwertige PET-Rezyklate deutlich stabilisiert. So etwas brauchen wir für weitere Produktgruppen und Kunststoffarten“, ist Wiener überzeugt.
Gerade wegen innovativer Produkte aus Recyclingkunststoff – ein herausragendes Beispiel ist eine Duschgelflasche, die zu 100 Prozent aus Systalen besteht und von Werner & Mertz genutzt wird, ist Deutschland immer noch das Vorbild für Recycling weltweit. „Der Grüne Punkt ist nach wie vor ein Aushängeschild“, ist Wiener überzeugt. „Meine KollegInnen und ich arbeiten seit 30 Jahren jeden Tag daran, diesem Anspruch gerecht zu werden. Und Sie können noch viel von uns erwarten.“