Zum einen durch regulative Maßnahmen, wie das im Jahr 2019 in Deutschland in Kraft getretene Verpackungsgesetz, das höhere Recyclingquoten fordert. Zum anderen durch die Konsumenten, deren Wunsch nach weniger aufwändig verpackten oder unverpackten Lebensmitteln wächst.
Bei den Nahrungsmittel- und Getränkeherstellern stiegen damit die Anforderungen. „Für die Ernährungsindustrie kommt es unter anderem darauf an, für ein recyclinggerechtes Design der eingesetzten Verpackungen Sorge zu tragen und darüber hinaus ökologisch und ökonomisch abzuwägen, ob und inwieweit Rezyklate in den genutzten Verpackungen eingesetzt werden können“, sagt Peter Feller. Nach den Worten des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) müssen zudem Zielkonflikte beim Ressourcenschutz gemeistert werden. „Zum Beispiel wirken kleinere Portionsverpackungen der Lebensmittelverschwendung entgegen, erfordern aber einen relativ höheren Materialaufwand“, so Feller. Nicht verhandelbar sei der gesundheitliche Verbraucherschutz: Die lebensmittelrechtliche Konformität einer Verpackung muss sichergestellt sein, um Einwirkungen auf das Produkt und damit die Gesundheit der Konsumenten zu vermeiden.
Schon heute hohe Rezyklat-Anteile bei PET-Einwegflaschen
Das einzige Rezyklat aus industriellen Recyclingquellen, das für Lebensmittelverpackungen zugelassen ist, ist derzeit PET aus dem Einwegpfandsystem. Laut einer Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung werden momentan in deutschen PET-Einwegflaschen im Durchschnitt 26 Prozent Rezyklat eingesetzt. Die RAL-Gütegemeinschaft hat sich mit dem Gütezeichen Wertstoff PET-Getränkeverpackungen zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2022 im Mittel einen Rezyklatgehalt von 50 Prozent zu erreichen. Es gibt aber bereits eine Reihe von Abfüllern, die Flaschen aus 100 Prozent rezykliertem Altmaterial verwenden. Zu den Vorreitern gehört hier die Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH.
Noch mehr Rezyklate in Rohstoffqualität technisch machbar
„Diese Alleinstellung von PET kann in den nächsten Jahren durch chemisches, enzymatisches oder lösemittelbasiertes Recycling überwunden werden“, ist sich Peter Désilets sicher. Der Geschäftsführer der Pacoon GmbH, einer Münchner Designagentur für nachhaltige Verpackungslösungen, fährt fort: „Diese Techniken erlauben eine vergleichbare Qualität von Rohstoffen wie frische Batches und können auch für Lebensmittelverpackungen genutzt werden. Allerdings sehen Politik und Rechtsprechung diesen Ansatz noch mit Bedenken, sodass neben dem industriellen Recyclingmaßstab auch ein passender rechtlicher Rahmen erforderlich ist.“
Flaschen aus Papier
Ein weiterer Ansatz zu umweltgerechteren Lebensmittelverpackungen sind nachwachsende Rohstoffe. Eines der Trendmaterialien ist hier Papier. So kündigte beispielsweise kürzlich der Spirituosenhersteller Diageo an, dass er ab dem kommenden Jahr erstmals Flaschen seines Whiskys Johnny Walker vertreiben wird, die zu hundert Prozent aus Papier und biologischem Material bestehen. Das Konzept der Papierflasche verfolgt unter anderem auch der Brauereikonzern Carlsberg, der 2019 zwei Prototypen der „Green Fibre Bottle“ vorstellte.
Biokunststoffe: neue Chancen, neue Fragen
Zu den Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen zählen auch bio-basierte Kunststoffe, die als Ausgangsmaterialien vor allem Stärke und Cellulose nutzen. „Diese wurden teilweise schon vor Jahrzehnten entwickelt, kamen aber bislang noch nicht so richtig aus den Startlöchern, denn der erdölbasierte Kunststoff ist billig, einfach anzuwenden – und die Verantwortung für die Entsorgung der mineralölbasierten Verpackungen wurde mit der Lizenzgebühr an die Dualen Systeme abgetreten“, berichtet Désilets. Durch die jetzt verstärkt gewollte Vermeidung von Plastik erhalten diese alten/neuen Lösungen nach seiner Beobachtung einen starken Aufwind – und werfen gleichzeitig Fragen auf: Wie können die nicht-mineralölbasierten Materialien entsorgt oder rezykliert werden? Wie sieht die Kohlendioxid- oder Ökobilanz aus? Stammen die Rohstoffe aus verlässlich zertifizierten, ökologisch vertretbaren Quellen? Und wie ist der Fußabdruck in der Natur, wenn die Bio-Kunststoffe nicht sachgerecht entsorgt werden?
Disruption durch Mehrweg-Lebensmittelverpackungen?
Als weitere Alternative zur bisherigen Praxis versucht die Pacoon GmbH zusammen mit Partnern derzeit ein neues, internationales System von wiederverwendbaren Lebensmittelverpackungen aufzubauen. Demnach sollen Produkte wie Chips, Gummibärchen, Nachos, Nudeln, Reis oder Hülsenfrüchte in Mehrwegboxen verpackt werden, für die ein bepfandetes Rücknahmesystem installiert werden soll. Pacoon-Geschäftsführer Désilets: „Wir sehen dabei einen ganzheitlichen, disruptiven Ansatz des bestehenden Mehrwegsystems, um die Optimierungspotenziale zu heben. Am Ende sollen ein einfaches System für den Verbraucher sowie eine deutliche Kosten- und Materialeinsparung für die Hersteller stehen.“
Der IFAT impact Business Summit findet vom 8.–10. September statt.