IFAT impact: Kreislaufwirtschaft nur über Regulierung machbar

Am 15. Juli startete das IFAT-Netzwerk mit der „IFAT impact Panel Discussion“ ein neues digitales Informationsformat.
Auf den Bildschirmen (v.l.): Patrick Hasenkamp als Präsident Municipal Waste Europe (MWE), William Neale, Berater für Circular Economy der EU Kommission. Auf den Stühlen (v.l.): Peter Kurth als Präsident Europäische Föderation der Entsorgungswirtschaft (FEAD); Lynette Chung, Head of Global Sustainability der Covestro AG; Cherno Jobatey, Journalist und TV-Moderator; Dr. Christoph Epping, Leiter „Ressourcenschutz, Kreislaufwirtschaft“ im Bundesumweltministerium und Dr.Sebastian Porkert, Geschäftsführer, Ecofario. Bild: Messe München

Hochrangige Experten aus Politik und Umweltwirtschaft diskutierten über die aktuellen Zusammenhänge zwischen Corona, Green Deal und konsequenter Kreislaufwirtschaft. 

„Die Corona-Krise wird vorrübergehen, aber die Umweltprobleme werden bleiben“, erklärte Stefan Rummel, Geschäftsführer der Messe München, zur Eröffnung der digitalen IFAT impact Panel Discussion zum Thema „Umwelttechnologien in Zeiten von Corona und darüber hinaus: Beschleuniger für eine ökologisch nachhaltige Wirtschaft“. Bundesumweltministerin Svenja Schulze zeigte sich in einer Videobotschaft optimistisch: „Der European Green Deal kann unsere Wirtschaft so umbauen, dass das Europa der Zukunft klimaneutral, ressourceneffizienter und wettbewerbsfähiger sein wird.“ Auch Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei, zeigte sich per Videobotschaft von der Wirksamkeit des Green Deals überzeugt: Er habe das Potenzial, das künftige Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln. 


Konsens bestand in der sechsköpfigen Diskussionsrunde aus Politik und Wirtschaft, dass zum Gelingen des Green Deals wie auch des Aktionsplans Circular Economy starke, intelligente und langfristig verlässliche gesetzliche Vorgaben erforderlich sind. Dr. Christoph Epping, der Leiter der Unterabteilung „Ressourcenschutz, Kreislaufwirtschaft“ im Bundesumweltministerium wies darauf hin, dass hierfür zunächst die Verantwortlichkeit für den Ringschluss der gewünschten Kreisläufe festgelegt werden müssten. „Soll zum Beispiel die Autoindustrie verpflichtet werden, Rezyklate einzusetzen? Oder soll der öffentliche Sektor die Verantwortung übernehmen? Oder sollen die Produzenten, die Güter auf den Markt bringen, in die Pflicht genommen werden?“, fragte Epping. Während in Europa alle diese Wege denkbar seien, ist nach seiner Einschätzung in anderen Teilen der Welt mangels entsprechender Infrastruktur nur die Produzentenverantwortung sinnvoll. 

Die Bedeutung politischer Initiativen und Regulierungen wurde auch von einer Umfrage beim Online-Publikum unterstrichen: 58 Prozent der Teilnehmer bewerteten diese als wichtigste Triebfelder des Umwelttechnologiemarkts in den kommenden Jahren.


William Neale, Berater für Kreislaufwirtschaft und grünes Wachstum in der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission, erklärte, dass er von der Covid-19-Pandemie keine nennenswerten Hemmnisse auf dem mit dem Green Deal und dem Aktionsplan Circular Economy eingeschlagenen politischen Weg erwartet. Etwas anders sah das Dr. Sebastian Porkert, Geschäftsführer des auf die Filtration von Mikroplastik und Schadstoffe konzentrierten Münchner Startups Ecofario, die aktuelle Situation – speziell für junge Unternehmen: „Die Corona-Krise hat den Schwung der grünem Gründerlandschaft signifikant abgebremst: zum einen durch ein reduziertes Investitionsverhalten, zum anderen durch fehlende Möglichkeiten zum Networking.“


Ein differenziertes Bild der Auswirkungen der Pandemie auf die Umweltbranche zeichneten zwei weitere Kurzumfragen unter den Zuschauern an ihren Endgeräten. So erwarten 40 Prozent innerhalb der kommenden fünf Jahre einen positiven Effekt der Corona-Krise auf die Nachfrage nach Umwelttechnologien (bei 38 Prozent noch Unentschiedenen). Gleichzeitig gehen 39 Prozent beim Blick auf das Verhältnis von Green Deal und dem Covid-19-Konjunkturprogramm der EU von einer „Langzeit-Beziehung“ aus – was bedeuten soll, dass vermutlich erst Maßnahmen zur wirtschaftlichen Erholung umgesetzt werden, bevor in einem späteren Stadium ein grünes Wachstum gepflegt werden wird. Hier trauten sich 33 Prozent derzeit noch keine Einschätzung zu. 


Die Diskutanten waren sich einig, dass die Umsetzung des Green Deals nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten – Politik, private und kommunale Wirtschaft sowie die Bevölkerung – die Ziele des Vorhabens geschlossen angehen. „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass in Europa ein gemeinsames Agieren möglich ist“, sagte Patrick Hasenkamp. Der Vizepräsident des Verbands Kommunaler Unternehmen e.V. und Präsident des Dachverbands Municipal Waste Europe fuhr fort: „Diesen Teamgeist müssen wir uns beim auf die Nachhaltigkeitsziele ausgerichteten Neustart der europäischen und nationalen Wirtschaft erhalten.“


Eine zentrale Voraussetzung für den Wechsel von der bisherigen, weitgehend noch linearen hin zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft ist für Peter Kurth die Abschaffung der Deponierung von unbehandelten Siedlungsabfällen in etlichen europäischen Ländern. „Dies muss das erste Ziel der aktuellen deutschen EU-Ratspräsidentschaft sein“, unterstrich der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) und der Europäischen Föderation der Entsorgungswirtschaft (FEAD). Um den Recyclingmarkt zu stimulieren, forderte Kurth einen gesetzlich vorgeschriebenen 20-prozentigen Mindesteinsatz von Rezyklaten in der fertigenden Industrie. Dieser pauschalen Forderung konnte Lynette Chung für das Geschäftsfeld ihres Unternehmens so nicht zustimmen. Die Leiterin der Abteilung Globale Nachhaltigkeit bei Covestro, einem der weltweit führenden Hersteller von Hightech-Kunststoffen, sprach sich vielmehr dafür aus, bei der jeweiligen Recyclingquote materialspezifische Faktoren zu berücksichtigen, wie Verfügbarkeit und Finanzierbarkeit sowie Produkteigenschaften und Produktsicherheit.


Eine der aktuellen technologischen Chancen für einen zukünftig noch besseren Umgang mit Ressourcen ist die Verfügbarkeit von Daten – darin waren sich William Neale, Peter Kurth und Lynette Chung einig. „Wenn es gelingt, Produkte mit einem digitalen Materialienpass auszustatten, können die Recyclingunternehmen bessere Produkte erzielen“, so die Vertreterin der Kunststoffindustrie. 

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