Ressourcen neu denken – Die Altpapier-Situation vor 8 Wochen
Bislang galt das Papierrecycling mit einer hohen Erfassungs- und Recyclingquote als Beleg einer hochentwickelten Kreislaufwirtschaft. Der Markt für Altpapier ist aber überschwemmt, die Preise fallen und die Lager sind voll. Es gibt erste Anfragen zur energetischen Verwertung von Altpapier, insbesondere von Beständen, die bereits länger gelagert wurden und dadurch kaum noch in der Papierproduktion eingesetzt werden können. Aktuell sollen in Europa über 8 Mio.°t Altpapier mit den entsprechenden Brandrisiken vagabundieren. Die Preise und Abnahmemöglichkeiten sind verfallen. Die Kommunen rufen nach Tariferhöhung. Die Gründe für den Überschuss waren vielfältig:
Nicht nur Chinas Importstopp bzw. die scharfen Qualitätsanforderungen an Altpapierimporte (Störstoffgehalt unter 1%) sind verantwortlich, sondern ebenso das aktuell preisgünstige Holz. Vielerorts werden aufgrund der Käferausbreitung und der Dürre vermehrt Bäume geschlagen. Die frische lange Faser ist reichlich und billig vorhanden, so dass der Bedarf an kürzeren Sekundärfasern deutlich gesunken ist.
Die Forderung nach quasi störstofffreiem Altpapier verhindert zusätzlich, dass Altpapier ohne Notifizierung in andere Länder der EU exportiert werden kann, um dort verwertet zu werden.
Dass auch das „Virgin-Material“ Holz mit Störstoffen, z. B. Harzen, verunreinigt ist und dieser „Störstoffgehalt“ häufig weit über 1% beträgt, bleibt unberücksichtigt. Denn die Handels-beschränkung gilt nur für den „Sekundärrohstoff“ Altpapier, was die Kreislaufwirtschaft behindert. Diese Ungleichbehandlung zwischen Primär- und Sekundärrohstoffen ist nach Meinung der DGAW ein wesentliches Hemmnis für die Entwicklung einer wirklichen Kreislaufwirtschaft.
Was wäre also der klimafreundlichste Umgang mit der Situation? Altpapier verbrennen, das aber bereits verarbeitet wurde und damit CO2 verbraucht hat? Nein, besser gleich das überschüssige Holz in Biomasseheizkraftwerken thermisch verwerten, das spart das CO2 für den Papierherstellungsprozess. Klingt das nach Kreislaufwirtschaft?
Die DGAW fordert deshalb eine Gleichstellung der Rohstoffe anhand von Qualitätskriterien, unabhängig von deren Ursprung – zur Förderung von Umwelt- und Klimaschutz!
Plötzlich werden Ressourcen neu gedacht – Die Altpapier-Situation aktuell
So stellte sich die Situation noch vor 8 Wochen dar. Heute sind die vagabundierenden Mengen zu Toilettenpapier oder Verpackungsmaterial verarbeitet, die Lager sind so leer wie die Regale im Supermarkt und keiner fragt mehr nach energetischer Verwertung. Gleichwohl ist nicht geklärt, wo die überlagerten Qualitäten bleiben und es fehlt vielmehr an Nachschub. Altpapier ist wieder ein begehrter Rohstoff mit einem positiven Marktwert.
Verantwortlich dafür sind insbesondere die zurückgehenden Sammelmengen aufgrund geschlossener Wertstoffhöfe, Sortieranlagen, Grenzen und Logistikketten.
Vor acht Wochen wurde noch der erschwerte Export von Altpapier und die ungleiche Behandlung gegenüber Neuware moniert. Heute fehlen die Importe, für das Netto-Importland Deutschland. Die Gründe hierfür liegen vor allem am deutlichen Rückgang der gewerblichen Altpapiermengen durch den europaweiten Lockdown. Bei einigen europäischen Nachbarn wurde außerdem die Abholung von Altpapier aus den Haushalten (vorübergehend) ausgesetzt. Die nun knappen Mengen werden in den jeweiligen Ländern benötigt und deshalb kaum exportiert. Prinzipiell wäre ein grenzüberschreitender Altpapierhandel jedoch auch in der Krise möglich. Zugleich ist in der Krisensituation die Nachfrage stark gestiegen, vor allem für die Herstellung von Toilettenpapier und Verpackungsmaterialien. Die Nachfrage nach Neupapier für die Herstellung von Prospekten, etc. hat dagegen deutlich nachgelassen.
Seit der Corona-Krise hat der Klimaschutz eine andere Bedeutung: noch nie war die globale Luft so rein, die Emissionen so niedrig und die CO2 Ziele so greifbar nah… aber zu einem wahnsinnig hohen Preis! So geht Klimaschutz nicht…
Die DGAW fordert, die Zeit nach der Krise, wenn die Wirtschaft sich hoffentlich recht bald wieder erholt, zu nutzen, um eine nachhaltigere und CO2-ärmere Circular Economy zu schaffen und Abhängigkeiten, insbesondere von Asien, abzubauen. Dies gelingt nur, wenn wir Ressourcen tatsächlich neu denken und die uns zur Verwertung zur Verfügung stehenden Materialien wirklich effizient nutzen.
Hierbei müssen wir die Möglichkeiten der stofflichen und energetischen Verwertung in der Rohstoffwirtschaft neu definieren und umsetzen, mit dem Ziel, den Einsatz von Sekundärrohstoffen im Sinne einer hochwertigen Ressourcenwirtschaft weiter zu steigern. Zugleich müssen aber auch die Grenzen der jeweiligen Verwertungswege im Auge behalten werden, vor allem wenn es darum geht, eine Anreicherung umweltgefährdender Stoffe zu vermeiden. Ein neues Denken und Definieren von Grenzwerten wäre auch hier notwendig – gerade auch bei Primärrohstoffen. Eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance!