Der Siegeszug mobiler Endgeräte als Informationsbeschleuniger hat das Kundenverhalten und den Markt rasant verändert. Jederzeit bequem und einfach erreichbar zu sein, auf individuelle Gegebenheiten eingehen zu können und dabei transparent zu bleiben werden auch in der Entsorgungsbranche zu Standardvorgaben. Die Fähigkeit, auf diese Änderungen adäquat zu reagieren, wird in Zukunft über den Geschäftserfolg entscheiden.
Der Kunde setzt die Signale
„Was für den Kunden zählt sind Preis, Transparenz und Geschwindigkeit“, erklärte Christoph Buss von Resourcify. Der ehemalige Geschäftsführer eines mittelständischen Entsorgungsunternehmens weiß, wie wichtig die Digitalisierung der Kundenkommunikation in der Entsorgungsbranche ist. „Während eines Entsorgungsauftrags können über 60 mögliche Prozessschritte entstehen. Jeder einzelne kostet Zeit und Geld, was an den Kunden weiterberechnet wird. Wenn Prozesskosten in der Kundenkommunikation unverhältnismäßig teuer sind, kann man keinen wettbewerbsfähigen Preis bei höchster Geschwindigkeit und Transparenz anbieten“, erklärte der Digitalisierungsfachmann. Trotz dieser Fakten sei zu beobachten, dass die Anpassungsgeschwindigkeit im Verhältnis zur Geschwindigkeit des Wandels in der Entsorgungswirtschaft zurzeit nur langsam steige. Zu befürchten ist, dass die Schere dazwischen in Zukunft immer größer werden könnte.
ICE oder Dampflok? Trendsetter oder Traditionshüter?
Die Digitalisierungsentwicklung wird in Zukunft mit selbstlernender vernetzter Künstlicher Intelligenz (KI) noch viel weitergehen, prophezeite Jörg Boland von der Ssensis GmbH. Ob eigenständige Recherche nach den günstigsten Preisen, Lieferzeitoptimierung durch Auswertung von Bestell-Algorithmen oder die Übernahme von Kommunikation, beispielsweise in der Terminvereinbarung. Künstliche Intelligenz wird in viele Prozessbereiche eindringen, die derzeit oft noch analog ausgeführt werden. „Es braucht die richtigen Ideen und Geld für Investitionen“, erklärte Boland und rief die Teilnehmer auf, sofern noch nicht geschehen, digitale Kompetenz zu erwerben und sich auf agile Transformation und Change-Management einzustellen.
Erfolgreiche Weichenstellung zum Digitalisierungsprojekt
Digitalisierung wirkt sich nicht nur auf die Technik, sondern auf das gesamte Geschäft aus. Es gilt, viele Herausforderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen, zu meistern. Falsche Denkmuster können ein Digitalisierungs-Projekt scheitern lassen, warnte der Senior Consultant von Tegos, Kai Bembenek. „Wichtig ist, alle Mitarbeiter frühzeitig im Projekt mitzunehmen, damit gemeinsame Visionen, Akzeptanz und ein gemeinsames Verständnis entstehen können, denn nicht jeder ist von „modernen Lösungen“ begeistert, gab Bembenek zu bedenken. Dennoch gehöre das Thema Digitalisierung nicht alleine in die Hände der sogenannten „IT-Nerds“. „Digitalisierung ist kein IT-Projekt“, machte Bembenek deutlich. Der größte aller Denkfehler sei jedoch, alles gleichzeitig digitalisieren zu wollen. THINK BIG ist im Zusammenhang mit Digitalisierung kontraproduktiv. Es besteht die Gefahr, dass alles nur halb gemacht wird. Effektiver sei, sich auf überschaubare und erreichbare Ziel in kleinen Schritt zu fokussieren, so der Experte.
„Wer jetzt nicht investiert und sich vernetzt wird bald das Nachsehen haben“
Leistungsfähige Onlineshops und ein gemeinsames digitales Netzwerk sind für regional tätige Entsorger heute ein Muss – nicht zuletzt, um sich den immer aggressiver agierenden Handelsplattformen entgegenzustellen. „Es ist wichtig, dass Netzwerkpartner im Mittelstand zusammenarbeiten. Als Gemeinschaft, in der jeder einzelne Ideen einbringt, in der aber auch für jeden individuelle Lösungen bereitstehen“, betonte Martin Zimmermann von der Otto Dörner Entsorgung Hamburg. Mit dem B2B-Portal GO hat Otto Dörner Entsorgung eine individuelle Portallösung geschaffen, die via Schnittstelle mit bestehenden Warenwirtschaftssystemen (ERP) verbunden werden kann. Das individuelle Shop-Layout im Corporate Design bietet Dörner seit 2019 mit einer White Label Lösung an.
Überschaubare Kosten – Reduktion von Fehlwürfen
Der Tech-Service Anbieter Logitize hat sich insbesondere auf Leihgeräte und -güter fokussiert und unterstützt mit praxisorientierten Digital-Lösungen den Vertrieb und die Logistik für den Bedarf des Mittelstandes. Für Geschäftsführer Frank Kaminsky steht fest, dass der Eintritt in die digitale Prozesswelt viele geldwerte Vorteile bringt, die die Kosten für den Service sogar noch übertreffen können. Aufwände bei Auftragserfassung, Bearbeitung, Disposition oder Fakturierung ließen sich bis zu 25 Prozent reduzieren. Portoersparnisse durch elektronische Rechnungsstellung, Einsparungen durch Fahrtoptimierungen, aber auch die Reduktion von Fehlwürfen durch Transparenz in der Disposition und weniger Verluste durch unklare Aufträge sind weitere klare Fürsprecher für digitale Geschäftsmodelle, wie beispielsweise das von Logitize.
Sicherer Datenaustausch ist Priorität und möglich
Die Vernetzung der Supply-Chain mit eigenen Fahrzeugen, Containern, Subunternehmern Verwertern, Abfallgefäßen und Recyclinghöfen erleichtert und beschleunigt sowohl den innerbetrieblichen als auch externen Kommunikationsfluss. Durch digitale oder automatisierte Datenerfassung werden Fehlerquellen verringert. Bei der Vernetzung der Unternehmen mit Webservices spielt eine sichere Software die entscheidende Rolle. Jedes Unternehmen muss darauf achten, mit seinen Daten zu haushalten, erklärte Jens Uwe Tonne von der Couplink AG. Der Telematiksoftware-Anbieter hat mit der Lösung smart DEB eine Kommunikationsplattform entwickelt, die Daten sicher verschlüsselt, sodass kein Mitlesen Dritter beim Datenaustausch möglich ist.
Der analoge Aktenschrank steht auf dem Abstellgleis
Der einfache und jederzeit mögliche Zugriff auf Daten spielt eine ebenso wichtige Rolle. „Der analoge Aktenschrank ist tot“, stellte der Senior Consultant von S&F-Datentechnik, Andreas Schmolke, fest. Der Software und Consulting-Spezialist aus Leer bietet mit EMOS und KOMVOR Entsorgern, überwachenden Behörden und Unternehmen breite Unterstützung im Digitalisierungsumfeld. Eine Self-Service-App für den Endkunden bietet diesem beispielsweise die Möglichkeit, jederzeit auf seine Daten oder digital hinterlegte Dokumente zuzugreifen, ob vom mobilen Endgerät von unterwegs oder vom PC in der Zentrale aus.