Im Jahr 2016 setzte die Baubranche 563 Millionen Tonnen an mineralischen Rohstoffen ein. Durch den Abriss von Gebäuden fallen jährlich zirka. 54 Millionen Tonnen an Bauschutt an. Bei dessen Aufbereitung durch mechanische Methoden entstehen rund fünf Millionen Tonnen an Feinfraktionen, die kleiner als zwei Millimeter sind. Aufgrund deren heterogenen Zusammensetzung wird diese Menge nahezu ausnahmslos deponiert. Dieses Vorgehen besteht bis heute. Gleichzeitig sind die Ressourcen der heimischen Steinbrüche bereits nahezu erschöpft und neue Abbauflächen sind knapp. Um die endlichen Vorkommen an Baurohstoffen nicht vollends zu erschöpfen sowie verlässlich kostengünstige Materialien bereitzustellen, haben sich 2016 die Fraunhofer-Institute für Bauphysik IBP, für Materialfluss und Logistik IML, für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB und für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT zusammengeschlossen und in dem Fraunhofer intern geförderten Projekt „BauCycle“ neue Recyclingmöglichkeiten von Bauschutt analysiert und entwickelt. Die Ergebnisse sollen in Folgeprojekten weiterentwickelt werden, um konkrete Strategien für eine nachhaltigere Baubranche aufzuzeigen. Da im Rahmen des Projekts aus den Rezyklaten neue Baustoffe entwickelt wurden, bietet „BauCycle“ nicht nur Lösungen für das Geschäftsfeld „Ressourceneffizienz“, sondern gleichzeitig auch für den Bereich „Advanced Materials“ der Allianz.
Aufbereitung von Bauschutt und Wiederverwertung
Zunächst beschäftigte sich das Projektteam mit der Entwicklung eines Verfahrens zur optischen Sortierung von Bauschutt, um dessen Hauptbestandteile Beton, Ziegel, Kalksandstein und Gips selektiv voneinander zu trennen. Dabei wurde die mineralische Zusammensetzung des Bauschutts mittels einer Hyperspektralkamera spektroskopisch nach chemischen Kriterien analysiert und als Sortierparameter genutzt. In den jeweiligen Stoffgruppen konnte eine Reinheit von zirka 99,5 Prozent erzielt werden. Parallel dazu arbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bauproduktmustern und Rezepturen, zum Beispiel für Porenbetonsteine, bei denen 30 Massen-Prozent des Primärrohstoffs Sand durch das gewonnene, feinkörnige Bauschuttmaterial ersetzt werden konnten. Auch zementfreie Baustoffe erstellte das Team auf Basis von Bauschutt. Sie entwickelten einen Akustikputz mit 60 Massen-Prozent Rezyklat-Anteil für die Innenanwendungen, der eine vergleichbare akustische Qualität zu den marktüblichen Produkten aufweist. Die entwickelten Produktmuster wurden einer orientierenden Nachhaltigkeitsbewertung unterzogen und waren im Januar auf der Messe Bau 2019 in München zu sehen.
Im letzten Schritt des Projekts fertigte die Forschergruppe einen Demonstrator für eine Marktplattform an, über die Bauschuttfraktionen gehandelt werden können und in welcher verschiedene Quellen und Senken von Primär- und Sekundärrohstoffen intelligent vernetzt sind.
Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
Zur Bestätigung für ihre erfolgreiche Arbeit durften die Projektbeteiligten am 25. Juni 2019 im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB e.V. für das „BauCycle“-Projekt den ersten Preis in der Kategorie »Forschung« entgegennehmen. »Die Auszeichnung zeigt, dass wir mit dem ›BauCycle‹-Projekt genau den Nerv der Zeit getroffen haben«, freut sich Gesamtprojektleiter Dr. Volker Thome, Leiter der Abteilung Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling am Fraunhofer IBP. Die Preisträger erhalten je nach Kategorie und Thema ein Coaching durch passende Experten aus dem DGNB-Netzwerk sowie eine Präsenz im Living Showroom der DGNB in Stuttgart.
In Anschlussprojekten geht es weiter
Auch künftig wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – basierend auf den Ergebnissen des „BauCycle“-Projekts – an der Funktionalisierung von zementfreien Baustoffen sowie der Erhöhung des Rezyklat-Anteils bei der Herstellung von Porenbeton und an innovativen Bauprodukten arbeiten. Außerdem forschen sie weiterhin an der Herstellung von zementfreien und korrosionsbeständigen Bauprodukten.
Zudem sollen weitere potentielle Verwertungswege für die Bauschutt-Feinfraktionen gefunden werden. Die Forscherinnen und Forscher wollen auch weiter die sensorbasierten Sortiersystemen optimieren, um beispielsweise Inspektionsaufgaben abseits der Bauschuttthematik erfolgreich umzusetzen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Untersuchung, Nutzung und Fusion problemspezifischer Spektralbereiche sowie der Anwendung von sogenanntem »Hyperspectral Imaging« für eine materialerkennende Bildverarbeitung. Darüber hinaus setzen die Fraunhofer-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter die entwickelten Methoden zur Simulation volatiler Stoffstromnetzwerke ein. Die Grundlagen der Marktplattform sollen Kunden aus verschiedenen Bereichen in vorwärts- und rückwärts gerichteten Wertschöpfungsketten maßgeschneiderte Lösungen zur Effizienzsteigerung in der Logistik für eine echte Kreislaufwirtschaft anbieten.