Bei einer europäischen Strategie für Kunststoffabfälle stellt die Verantwortung der Hersteller aus Sicht von Helmut Maurer von der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission die Basis für erfolgreiches Recycling dar: „Abfall und Produkt sind zwei Seiten einer Münze“. Er fordert deshalb, schon beim Produktdesign die Recyclingfähigkeit zu berücksichtigen. Dies setze eine globale Zusammenarbeit voraus, bei der Europa eine Vorreiterrolle einnehmen könnte.
Weiterhin kündigte Maurer bei der Diskussionsveranstaltung des-Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) und des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Anfang Juli in der Bayerischen Vertretung in Brüssel an, sich in der EU-Kommission für eine Anpassung der Recyclingzielvorgaben stark zu machen. Eine Quote von 50 Gewichtsprozenten vom Haushaltsabfall habe sich als nicht sinnvoll erwiesen, da sie die vergleichsweise leichten Kunststoffabfälle benachteilige. Extremen Handlungsbedarf sieht Maurer überdies auch in punkto Deponierung und machte deutlich: „Kunststoffe haben auf Deponien nichts verloren.“
Auch die thermische Verwertung müsse die Ausnahme sein. Stattdessen gelte es, die Erfassungssysteme EU-weit zu verbessern und das zeitnah. „Eigentlich haben wir die Regelungen schon, beispielsweise in Form der Abfallrahmenrichtlinie, sie müssen aber auch effizient umgesetzt werden“, machte Maurer deutlich. Für lange Übergangsfristen für die Mitgliedstaaten gebe es indes keinen Grund. Stattdessen müsse sich die Überzeugung durchsetzen, dass Umweltschutz kein Konjunkturkiller ist, sondern Wachstum schafft: Durch den Ausbau des Kunststoffrecyclings können bis zu 70.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, schätzt Maurer.
“Bürokratische Maßnamen nicht zielführend
Auch Angelika Schlunck, Leiterin der Bayerischen Vertretung, erwartet vom Grünbuch Impulse für Innovationen und Investitionen; zum Vorteil der mittelständischen Recyclingwirtschaft. Bürokratische Maßnahmen wie ein Plastiktütenverbot hält sie jedoch für nicht zielführend. Im Fokus müsse der Ausbau von Recyclingstrukturen stehen.
Die Recyclingunternehmen in Deutschland und Europa haben das Know-how, so bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock, aus Kunststoffabfällen wieder Wertstoffe und Produkte herzustellen. Hochwertiges Recycling trage gleichzeitig zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz bei. „Wir können Wertstoffkreisläufe schließen und unsere Industrie mit wichtigen Rohstoffen versorgen, um Industriestandorte und Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern“, betonte Rehbock die Vorteile des Recyclings.
Vor diesem Hintergrund forderte Recyclinganlagenhersteller Werner Herbold von Herbold Meckesheim von den politischen Entscheidungsträgern, das Grünbuch nicht „wegzukompromissen“, sondern konsequente Taten folgen zu lassen, insbesondere was das Produktdesign angeht. Derzeit sorgten beispielsweise PVC-Label, die von einigen Lebensmittelkonzernen neuerdings auf PET-Flaschen aufgebracht werden, für enorme Schwierigkeiten bei der Sortierung. Eine Notwendigkeit für diese Materialverwendung sei jedoch überhaupt nicht gegeben und eher marketing- oder vertriebsgetrieben. Das Beispiel USA zeige, dass man solche Hindernisse auch schlicht verbieten könne.
Jutta Haug, Abgeordnete des Europäischen Parlaments, kündigte an, dass das EU-Parlament noch bis Ende des Jahres eine Stellungnahme zum Grünbuch verabschieden werde, welche, unter anderem auf die Themen Durchsetzung der Abfallrahmenrichtlinie, Deponieverbot sowie Recyclingstandards, eingehen werde. Auch Möglichkeiten einer besseren Bewusstseinsbildung der Bürger in punkto Mülltrennung würden einbezogen.
Das geht Heinz Meierkord, Vorsitzender der Industrievereinigung Chemiefaser (IVC) und Vizepräsident von CIRFS (European Man Made Fibre Association), aber nicht weit genug: Aufklärung der Konsumenten sei auch am anderen Ende der Kette nötig, sagte er bei der Veranstaltung von bvse und VDMA. Auch wenn Produkte aus Rezyklaten qualitativ hochwertig und umweltschonend seien, würden sie von den Menschen oft noch nicht akzeptiert. Auch hier brauche es noch mehr Aufklärung.
„Europa hat weniger ein Regelungs- als vielmehr ein Vollzugsproblem“
Das sieht auch bvse-Vizepräsident Herbert Snell so. Schließlich gehörten Produkte aus Altpapier längst zum guten Ton. Dieses positive Image wünsche er sich auch für Produkte aus Altkunststoffen. Damit das Recycling sich weiterentwickeln könne, müsse zunächst jedoch die Verbrennung von Kunststoffabfällen zurückgedrängt und „die Abfallhierarchie konsequent eingehalten werden“. Seiner Meinung nach bestehe in Europa weniger ein Regelungs- als vielmehr ein drängendes Vollzugsproblem.
Schließlich leisten Kunststoffe einen wesentlichen Beitrag zur Ressourceneffizienz, wie auch Ingo Sartorius (PlasticsEurope / Wirtschaftsvereinigung Kunststoff) verdeutlichte: Durch ihre Anwendung können primäre Rohstoffe wie Öl oder Kohle eingespart werden. So spare ein Liter Öl zur Herstellung von Dämmstoff gut 70 Liter Heizöl für die Raumwärme. Am Lebensende der Produkte gebe es in Europa aber noch große Missstände. Es müsse jedoch eine Balance zwischen der Behandlung von Abfällen und dem Ressourcenschonungspotenzial beim Produktgebrauch gefunden werden.
In ihrem Fazit stellte Naemi Denz, Geschäftsführerin des Fachverbands Abfall- und Recyclingtechnik im VDMA, klar, dass das Grünbuch mit den Ideen intelligente Sammelsysteme und Kaskadennutzung in die richtige Richtung gehe. Gleichzeitig appellierte sie an die Mitgliedstaaten, ihren Aufgaben nachkommen und eine ordentliche Überwachung des Marktes und der Umweltanforderungen sicherzustellen. Eine Drittzertifizierung von Recyclingstandards, wie sie von Brüsseler Seite ins Feld geführt wird, sei nicht die Lösung aller Probleme. Bei einem solchen Outsourcing von staatlichen Aufgaben zeige sich immer wieder, dass die Letztverantwortung für die zertifizierten Produkte und Verfahren nicht wahrgenommen werde.