„Diese aufbereiteten Kunststoffe haben schon heute den Produktstatus erhalten; sie ergänzen in geradezu idealer Weise die Kunststoffneumaterialien“, stellt Thomas Probst, Kunststoffexperte beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse), fest. Probst bedauert, dass trotz aller guten Vorsätze von den Beteiligten im Sevilla-Prozess Kriterien vorgeschlagen werden, die das bestehende Kunststoffrecycling in Deutschland gefährden und schon gar nicht geeignet sind, einen zukunftsweisenden Impuls für mehr Recycling zu leisten.
So werden laut bvse beispielsweise quantitative Analysen vorgeschrieben, um die Übereinstimmung mit den Verordnungen nach CLP, REACH oder POP zu gewährleisten. Diese Anforderungen stellten allerdings die gegenwärtige Pflichten gemäß CLP und REACH auf den Kopf: Gefährliche Bestandteile unterlägen schließlich schon heute der unbedingten Anzeigepflicht – allerdings seien bislang für den Nachweis der CLP- und REACH-Compliance quantitative Analysen nicht unbedingt notwendig gewesen. Dieser Nachweis könne auch durch andere geeignete Maßnahmen wie einer Qualitätssicherung oder Zertifizierung geführt werden. Darüber hinaus würden bei den zu setzenden End-of-Waste-Kriterien die kunststofffremden Bestandteile zu streng limitiert – vorgeschlagen seien bisher zwischen 1,5 Prozent und 5 Prozent.
Der Verband befürchtet aber, dass letztlich das Limit nicht erst bei 5 Prozent, sondern deutlich darunter angesetzt wird. Das aber würde den Einsatz von Kunststoffen in Massenprodukten, die mit Holz oder Beton konkurrieren, stark erschweren. Die Kunststoffzwischenprodukte für Bauzaunfüße, Buhnenpfähle, Wassereinbauten, Lärmschutzwände, Rasengittersteine würden dann den Abfallstatus haben und könnten nur noch eingeschränkt vermarktet werden.
Eine Empfehlung der JRC-IPTS führt zu Überraschung
Überrascht zeigt sich der bvse von der Empfehlung der JRC-IPTS, dass beim Aufbereiten von Kunststoffen aus Elektro(nik)-Altgeräten oder aus Altfahrzeugen Zerkleinerungsprozesse zusammen mit anderen Materialien zu vermeiden sind. Begründet werde dies mit dem Argument, dadurch eine mögliche Kontamination mit Schadstoffen verhindern zu wollen. Fakt sei aber, dass bei der Behandlung von Elektro(nik)-Altgeräten im ersten Verfahrensschritt eine selektive Schadstoffentfrachtung durchgeführt werde.
Danach jedoch sei die Einleitung eines Zerkleinerungsprozesses zwingend erforderlich, um im Anschluss die verschiedenen Materialanteile voneinander separieren zu können. Darüber hinaus würden im Prozess des Kunststoffrecyclings eventuelle Kontaminationen ausgewaschen oder ausgetragen und so eine wirksame Schadstoffentfrachtung erreicht. Von daher rät der bvse dringend dazu, diese Empfehlung noch einmal zu überdenken.
Nicht weiter spezifiziert ist laut bvse, ob die vorgeschlagenen End-of-Waste-Kriterien (EoW-Kriterien) für Kunststoffabfälle oder Rezyklate gelten. Dies sei auch deswegen interessant, da Getrennthaltungspflichten oder die Freiheit von anhaftenden Verunreinigungen durch Flüssigkeiten, Ölen, Fetten, Speiseresten oder Getränkerückständen eingefordert werde. Für Rezyklate sei diese Forderung weitgehend obsolet, nicht aber für Kunststoffabfälle. Nach Auffassung des bvse sollen aber Kunststoffabfälle, die nicht die Rezyklatstufe (Mahlgüter, Agglomerate, Regranulate, Regenerate/Compounds) erreicht haben, den Produktstatus erst gar nicht erhalten.
Auch bei EoW für das Kunststoffrecycling werde jeweils eine Konformitätserklärung eingefordert. Eine Konformitätserklärung habe aber zahlreiche Konsequenzen in der Kunststoffkette. Bei Streitigkeiten resultierten hieraus zusätzliche Probleme. Die Konformitätserklärung werde aber vor allem durch das eingeforderte Managementsystem obsolet, das sei zusätzliche und überflüssige Bürokratie. Geeignete QA, QM oder Zertifizierungen decken nach Meinung des bvse bereits die geforderten Vorgaben ab.
„Das bestehende Kunststoffrecycling umfasst den Einsatz von PET-Flakes, der durch Vorgabe zur Getränkeflaschen bestimmt wird, bis hin zur Herstellung von Bakenfüßen, die um Märkte im Straßenbau konkurrieren. Der Vielfalt der Kunststoffe und deren Aufbereitungs- und Verwertungsprozesse wird der vorliegende Vorschlag nicht gerecht. Kriterien, die den Einsatz von Rezyklaten limitieren sind für das ressourceneffiziente Kunststoffrecycling in Deutschland nicht akzeptabel und bremsen das Kunststoffrecycling aus“, lautet das Fazit von bvse-Experte Thomas Probst
Von der GD Umwelt und dem JRC mit IPTS wurde die schon bestehende Studie zu den „Abfallende-Kriterien für Kunststoffabfälle“ überarbeitet und um den Teil „Abfallende“ sowie „Beschreibung von Einflüssen“ (Umwelt, Gesundheit, rechtl. Aspekte, wirtschaftliche Gegebenheiten) ergänzt. Damit liegt jetzt das Technical Proposal – also der Technische Vorschlag vor, der Grundlage ist für die weiteren europäischen Beratungen und damit für das Setzen der Abfallende-Kriterien. Nach der jetzt noch anstehenden Beratung zu den vorgeschlagenen EoW-Kriterien ist der sogenannte Sevilla-Prozess beendet.
Bis zum 26. April 2013 haben die Beteiligten Kreise noch Zeit, Ihre Stellungnahme gegenüber den Verantwortlichen abzugeben.