„Arbeitskräftemangel ist größte Wachstumsbremse“

Zehn Monate vor ihrer Eröffnung ist die Fachmesse bauma bereits ausgebucht. Johann Sailer, Vorsitzender des VDMA Fachverbandes Bau- und Baustoffmaschinen, erzählt im VDMA-Gespräch, welche Erwartungen er für die bauma und das Jahr 2013 hat sowie über Zukunftsmärkte und den Arbeitskräftemangel als größte Wachstumsbremse.

Herr Sailer, bis zur bauma 2013 sind es noch zehn Monate – welche Erwartungen haben Sie an die nächste bauma und was sehen Ihre Kunden dort Neues?

Sailer: Die bauma ist für uns nach wie vor die weltweit wichtigste Messe. Wir erhoffen uns international viele Gäste. Wir wollen vor allem außerhalb Europas noch stärker Fuß fassen und neue Zielmärkte erschließen, in Richtung Lateinamerika, Indien und Indonesien. Wir werden – speziell für Kunden außerhalb Europas – neue Produkte anbieten, um diese Märkte besser zu bedienen – entsprechend ihren Bedürfnissen und ihren Preisvorstellungen.

Welche Rolle spielt die bauma für Ihr Unternehmen, die Geda-Dechentreiter GmbH & Co.KG?

Sailer: Die bauma ist die wichtigste Messe weltweit für unser Unternehmen. Wir sind im Bauaufzugsbereich tätig und bieten außerdem Industrieaufzüge und Fassadenreinigungstechnik an. Wir erwarten auf der bauma viele Großunternehmen, viele Kunden, die in ihrem Portfolio beides haben.

Was erwarten Sie für Ihr Unternehmen insgesamt für das laufende Jahr?

Sailer:Wir gehen heute von einem Wachstum von zwanzig Prozent aus, und wir werden damit wieder auf dem Niveau von 2008 landen. 2011 lag unser Umsatz bei 46 Millionen Euro, für 2012 rechnen wir mit gut 55 Millionen Euro Umsatz.

Und gibt es bereits eine Prognose für 2013?

Sailer: Aus heutiger Sicht im Projektgeschäft sind die Auftragsbücher bis ins vierte Quartal voll. Für 2013 würde ich von einem leichten Wachstum von fünf Prozent ausgehen.

Ihr Unternehmen ist überall auf den Weltmärkten präsent. Auf welchen Märkten sehen Sie Potenzial? Wo liegt Ihre Zukunft?

Sailer: Unsere Zukunft sehe ich nach wie vor auf unserem Heimatmarkt Deutschland. Für uns als Mittelständler ist es wichtig, auf dem Heimatmarkt präsent zu sein und dort auch ein gewisses Wachstum zu erzielen. Ansonsten läuft es bei uns gut besonders in Skandinavien, den USA und Russland. Aber die Zukunftsmärkte gehen in Richtung Mittlerer Osten, speziell Saudi Arabien, auch Indien wird sehr stark kommen für uns, allerdings sehr stark preisgetrieben.

Was ist das interessanteste Projekt, an dem Ihr Unternehmen gerade arbeitet?

Sailer: Wir arbeiten gerade in Wladiwostok an einem Brückenbau-Projekt. Wir haben die Bauaufzüge geliefert. Das sind Pylone mit dreihundert Meter Höhe, und wir liefern auch die permanent installierten Aufzüge in die Pylone. Das ist ein Komplettprojekt – sowohl Bauaufzüge als auch Industrieaufzüge.

Gibt es Probleme mit den Banken bei der Vor-Finanzierung großer Projekte?

Sailer: Nein, als Unternehmen haben wir keine Finanzierungsprobleme

Wenn Sie sich die Konkurrenz aus China ansehen, wie stehen die Chancen deutscher Baumaschinenhersteller auf der Welt?

Sailer: Aus heutiger Sicht – seit der Finanzkrise – wird in vielen Bereichen wieder mehr auf Sicherheit Wert gelegt. Es wird wieder mehr Geld ausgegeben für die Produkte aus Deutschland. Das gibt uns wieder eine größere Basis, um nicht nur im Preiswettkampf zu bestehen. Auch in Indien – für mich überraschend – wird der Fokus mehr auf Sicherheit und Qualität gelegt. Natürlich nicht mit dem Preisniveau, das mit Europa vergleichbar wäre.

Es wird weltweit viel kopiert – wie schützt sich Ihr Unternehmen dagegen?

Sailer: Man kann heute wirklich nur innovativ sein. Man muss mehr in Detailinnovationen denken. Hier können wir uns schützen mit Patenten. Wenn es in Richtung China und Asien geht, wird es allerdings schwierig für einen Mittelständler wie wir es sind, unsere Rechte dort durchzusetzen.

Sie wollen den Produktionsstandort Deutschland im Europäischen Markt sichern. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen?

Sailer: Die größte Herausforderung für mich ist der demografische Wandel und der Arbeitskräftemangel. Speziell bei uns in der Region liegt die Arbeitslosenquote bei zwei Prozent. Das wird in Zukunft die größte Wachstumsbremse sein. Es wird schwer, gute Ingenieure zu bekommen. Der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte stellt Arbeitgeber bereits heute vor große Probleme. Immer häufiger können sich Bewerber aussuchen, für welches Unternehmen sie arbeiten wollen – nicht umgekehrt. Ich warne davor beim „Wettkampf“ um die Mitarbeiter nur mit höheren Löhnen zu kämpfen. Wir suchen derzeit fünf Ingenieure und zehn Facharbeiter – und zwar als Stammpersonal.

Müssten wir hier in Deutschland mehr in Forschung und Entwicklung stecken und die Hochschulen anders ausstatten?

Sailer: Ja, ich denke, der Mittelstand müsste offensiver sein in der Zusammenarbeit mit den Hochschulen. Und die Politik müsste die Rahmenbedingungen für Mittelständler verbessern und Hindernisse abbauen. Denn Großunternehmen können z. B. die Forschungs-Bürokratie besser bewältigen als der kleinere Mittelständler.

Reichen die neuen Produkte aus, die Deutschland auf den Markt bringt, um sich von seinen Wettbewerbern abzuheben?

Sailer: Davon leben wir. Die Mittelständler sind innovativ. Wir müssen die Innovationen aber nicht nur auf Produktebene sehen, sondern in Zukunft stärker den Gesamtmehrwert für die Kunden im Fokus haben. Das heißt, wir müssen den Fertigungsstandort, Entwicklung, Forschung und den Service in Europa sicherstellen und weiter ausbauen.

In Europa gibt es seit mehr als einem Jahrzehnt eine Wachstumskrise. Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen hierfür?

Sailer: Ich denke, dass manchmal zu viel Subventionen geflossen sind in die europäischen Länder, und damit die Märkte etwas überhitzt waren. Aber unsere Strukturen hier in Deutschland sind andere als in den anderen europäischen Ländern. Wir haben als Mittelständler viel in den Produktionsstandort Deutschland investiert.

Lesen Sie auf der folgenden Seite, wie es um Innovationen in Deutschland bestellt ist.

Ist Innovation nur eine Frage des Geldes?

Sailer: Ja und Nein! Geld ja – man braucht es, um innovativ zu sein. Doch stärker für uns ist die Mitarbeiter- und Kundensicht – das macht die Innovation aus. Das Fachwissen unserer Mitarbeiter und ihr Engagement prägen unseren Erfolg.

Was zeichnet erfolgreiche Innovationen aus – aus Ihrer Sicht?

Sailer: Was von uns erwartet wird in Europa ist die Innovation im Produktbereich. Das leisten wir. Aber wir legen auch großen Wert auf gute Ersatzteilversorgung, hohen Qualitätsstandard und ganzheitliche Lösungen für den Kunden. Wir denken mittel- und langfristig, das zeichnet uns aus.

Wenn Sie den Innovationsprozess ganzheitlich betrachten – wo gibt es Schwächen und wie können wir sie beheben?

Sailer: Vielleicht müssten wir noch längerfristiger Planen und gezielter auf die Märkte außerhalb Europas sehen. Wir sehen den hohen technischen europäischen Standard. Wir müssten aber auch die Länder mit anderen Erfordernissen im Blick haben bei unseren Innovationen – also nicht nur Hightech, um dort Marktanteile zu gewinnen.

Es gibt in Deutschland viel zu wenig junge Gründer. Wie ermutigen Sie heute als Verbandschef und als Unternehmer junge Forscher, sich selbstständig zu machen?

Sailer: Motivieren in dem Sinn, dass wir eine gute Plattform haben in Deutschland, auf der sich junge Leute durch neue Ideen eine Grundlage für die Zukunft schaffen können, gerade auch im Zulieferbereich für die exportstarke Maschinenbau-Industrie.

Haben Sie persönlich einen Lieblingserfinder – ein leuchtendes Vorbild als Innovator?

Sailer: Leuchtende Vorbilder sind für mich die vielen Mittelständler, die es geschafft haben von Null auf Hundert an die Weltmarktspitze zu gelangen, und damit Weltmarktführer geworden sind.

Wie kann die Politik Innovation in Deutschland fördern? Was brauchen wir für Deutschland?

Sailer: Natürlich „Rahmenbedingungen“ verbessern – ein Schlagwort, ich weiß. Ich finde, dass die Politik nicht nur Lippenbekenntnisse für den Mittelstand abgeben sollte, sondern sie müssen auch wirklich was für den Mittelstand tun. Wir als Baumaschinenindustrie sind eine Basisindustrie mit vielen Innovationen – was wären wir ohne Straßen, ohne Brücken, ohne Häuser, ohne Baumaschinen. Wenn wir die Infrastrukturprobleme in Deutschland sehen, dann wünsche ich mir viele Politiker aus Bund, Ländern und Kommunen als Besucher auf der bauma. Denn dort können sie sehen, was wir Deutschen an Know-how besitzen und auch hierzulande eingesetzt werden müsste, damit wir nicht zu einem Drittweltstaat „verkommen“.

Der Wirtschaft in Deutschland geht es insgesamt nicht schlecht. Wie geht es den Baumaschinenherstellern?

Sailer: Die Baumaschinenhersteller haben sich nach der Finanzkrise sehr gut erholt. Die Konjunkturpakete waren gut. In vielen Bereichen nähern wir uns der Vorkrisenzeit. Das jetzt zu stabilisieren, ist wichtig und ich bin zuversichtlich, dass wir das halten können

Wenn Sie die letzten Jahre Revue passieren lassen: Worauf sind Sie als Unternehmer besonders stolz?

Sailer: Dass wir in der Finanzkrise keine Kurzarbeit machen und keine Mitarbeiter entlassen mussten, obwohl das durch den Umsatzrückgang eigentlich notwendig gewesen wäre. Dass wir das durchstehen konnten – auch als Wertschätzung unserer Mitarbeiter gegenüber – darauf bin ich stolz, dass wir das geschafft haben.

Ihre größte Aufgabe in den nächsten zwölf Monaten?

Sailer: Wir müssen uns noch mehr als bisher in den Ländern außerhalb Europas etablieren, um eine gewisse Stabilität in den einzelnen Märkten zu schaffen.

Was wünschen Sie sich für die Weiterentwicklung des Unternehmens in den nächsten Jahren?

Sailer: Dass wir möglichst viele Arbeitsplätze erhalten und neu schaffen können und die notwendigen qualifizierten Mitarbeiter bekommen, die wir brauchen.

Seit 1999 ist Johann Sailer Geschäftsführender Gesellschafter der GEDA-Dechentreiter GmbH & Co KG, Asbach-Bäumenheim. Neben seienm Vorsitz beim VDMA Fachverband Bau- und Baustoffmaschinen ist Sailer auch Präsident des Europäischen Baumaschinenverbandes CECE.

Über die bauma

Zehn Monate vor ihrer Eröffnung ist die bauma, Internationale Fachmesse für Baumaschinen, Baustoffmaschinen, Bergbaumaschinen, Baufahrzeuge und Baugeräte, ausgebucht. Das teilt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) mit. In allen Bereichen werde eine Warteliste geführt – und das obwohl die Ausstellungsfläche auf die Rekordgröße von 570.000 Quadratmetern erweitert werde. Für die weltgrößte Fachmesse für Baumaschinen, Baustoffmaschinen, Bergbaumaschinen, Baufahrzeuge und Baugeräte die vom 15. bis 21. April 2013 in München stattfindet, werden im Nordwesten des Messegeländes weitere 15.000 Quadratmeter zur Verfügung gestellt.

„Die bauma 2013 ist auf dem besten Weg, die Ergebnisse der Vorveranstaltung zu übertreffen“, so der VDMA: Damals nahmen insgesamt 3.256 Aussteller aus 53 Ländern sowie über 420.000 Besucher aus mehr als 200 Ländern teil.

Alle Infos rund um die bauma finden Sie unter:
http://www.bauma.de/

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