Das zeige auch die Antwort von Gudrun Kopp, MdB und Parlamentarische Staatssekretärin des mit der Anfrage beauftragten Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), teilt der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) mit. Sie mache eine Vielzahl von Gründen für den Rückgang der lokalen Textilproduktion verantwortlich. Dieser sei nur zum Teil auf den Import von Alttextilien zurückzuführen, beruhe aber hauptsächlich auf den wirtschafts- und handelspolitischen Problemen des jeweiligen Entwicklungslandes. Insbesondere zähle die Bundesregierung dazu neben einer Reihe anderer Faktoren, schlechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die politische Situation, die mangelnde Produktivität der Betriebe sowie Wettbewerbsverzerrungen durch asiatische Billigtextilien.
Eine Haltung, die der bvse teilt: „Nicht die Wiederverwendung in Afrika ist die Ursache der schwachen Textilindustrie. Es ist vielmehr so, dass asiatische Textilhersteller den dortigen Markt mit billiger Kleidung regelrecht überschwemmt haben. Dieses weltweite Phänomen hat im Übrigen auch die europäische Textilindustrie getroffen“, kommentiert Rainer Binger, stellvertretender Vorsitzender des Fachverbands Textilrecycling des bvse.
Auch Jutta Sundermann von der Organisation attac sprach kürzlich gegenüber dem NDR von einer komplizierten Problematik mit verschiedenen Ursachen. Zudem bezweifelt sie, dass eine heimische Textilindustrie die Menschen überhaupt versorgen kann. Die Textilien bewegten sich in einem Preissegment, das sich die meisten Menschen vor Ort überhaupt nicht leisten können. Dank der Altkleider könnten die Ärmsten in den Slums sich und ihre Kinder jedoch vernünftig kleiden, auch wenn das Einkommen dramatisch niedrig sei.
Der bvse fordert daher eine sachliche Debatte und ruft zu einer differenzierten Betrachtung der Altkleiderexporte auf: Nur ein Bruchteil des Altkleideraufkommens werde von den Kleiderkammern in Deutschland benötigt. Für den Rest gebe es hier keine Verwendung. Second-Hand-Kleidung sei aber oft nur wenige Monate getragen und damit aktuell und modisch. „Wie in Deutschland möchten auch die Menschen in Entwicklungsländern mit einem individuellen Kleidungsstil ihre Persönlichkeit unterstreichen, an Modetrends teilhaben und qualitativ gute Ware tragen“, so Binger. Im Gegensatz zu Billigimporten aus Asien bestehe Second-Hand-Kleidung größtenteils aus Baumwolle und nicht aus Kunstfasern. Dies habe sowohl qualitative als auch hygienische Vorteile.
Forderung nach kostenfreier Weitergabe von Alttextilien ist eine Sackgasse
„Wer in dem Glauben, Gutes zu tun, die kostenfreie Weitergabe an Bedürftige in Entwicklungsländern propagiert, ignoriert die Leistung einer Branche, die Altkleider in einem Produktionsprozess verwertet und degradiert gleichzeitig die Kunden in den Entwicklungsländern zu Almosenempfängern. Und auch für die Menschen vor Ort ist es doch ein Unterschied, ob sie mit den Altkleidern Handel treiben und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können oder auf Spenden angewiesen sind“, ist der Vorsitzende des bvse Fachverbands Textilrecycling Sigloch überzeugt. Das sei auch ein Ergebnis des Dialogprogramms, dass der Dachverband FairWertung in Afrika durchgeführt hat: Statt Hilfslieferungen möchten die Menschen gute Second-Hand-Kleidung zu fairen Preisen und damit die Freiheit, den Kleiderkauf selbst zu bestimmen.
„Wer die Forderung nach kostenfreier Weitergabe von Alttextilien stellt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit nicht die Textilindustrie in den Entwicklungsländern stärkt, sondern nur dafür sorgt, dass wertvolle Alttextilien in Müllverbrennungsanlagen billig entsorgt werden. Das ist nicht nur eine soziale, sondern auch eine ökologische Sackgasse“, betont Sigloch.
Die von der Bevölkerung gezielt in die Sammelcontainer eingeworfene oder in klassischen Haus- und Straßensammlungen erfasste Ware, sei sehr vielschichtig: Kleider, Schuhe, Tisch- und Haushaltswäsche jeglicher Couleur und Saison. Kirchliche und soziale Einrichtungen, die Textilsammlungen betreiben, könnten die schadlose Verwertung selbst in der Regel nicht leisten. Deshalb setzten sie auf die Zusammenarbeit mit professionellen Recyclingunternehmen. Die Textilrecycler übernähmen oder leerten sogar die Container, sortierten in personalintensiven Prozessen die Materialien in aktuell 250 bis 300 verschiedene Sorten und bereiten sie gezielt für die Vermarktung vor, führt der bvse aus. Aussortiertes werde fachgerecht entsorgt.
„Dahinter steckt eine ungeheurere Logistik, Investitionen in Maschinen und auch Arbeitsplätze. Das wird ausschließlich durch den Anteil tragfähiger Bekleidung finanziert. Am Ende des Prozesses steht eine Ware, die ein weltweites Grundbedürfnis nach günstiger Bekleidung und textilen Rohstoffen befriedigt“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende des Fachverbands Textilrecycling des bvse, Binger. „Diese Branche basiert auf einer ökonomischen, ökologischen und nicht zuletzt auf einer sozialen Komponente – denn, ein nicht unerheblicher Teil des Erlöses aus dem Verkauf fließt zurück an die karitativen Auftraggeber.“ Aus der Sachspende werde so eine Geldspende, die die Organisationen für ihre Projekte dringend benötigten.
Sichergestellt sei allerdings: „Alles was tragfähig und marktfähig ist, wird auch weltweit als Kleidung weiterverwendet – ohne Kosten aber zum Nutzen der Allgemeinheit“, betont Binger. Der Bedarf nach gut erhaltener Bekleidung sei enorm – 70 Prozent der Weltbevölkerung gebrauchen Second-Hand-Bekleidung – „ist dieser Bedarf eigentlich ressourcenmäßig durch Primärproduktionen zu decken?“, fragt Binger weiter.
Nicht zu vergessen: Die große Nachfrage nach moderner und hochwertiger Kleidung zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis habe viele neue Verdienstmöglichkeiten in den afrikanischen Entwicklungsländern geschaffen. Tausende Menschen bestreiten laut bvse ihren Lebensunterhalt mit dem Handel von Altkleidern oder dem Umarbeiten von Kleidungsstücken auf länderspezifische Bedürfnisse. Hier fänden deutlich mehr Menschen eine Beschäftigung, als je in der afrikanischen Bekleidungsindustrie gearbeitet hätten, wie eine Studie des Fachverbands FairWertung schon 2005 aufzeigte.
Wie in allen Branchen gibt es leider auch unter den Textilsammlern schwarze Schafe, die unseriöse Sammelmethoden anwenden oder nicht identifizierbar sind. Davon distanzieren sich die Mitglieder des Fachverbands Textilrecycling im bvse. Das Textilrecycling und der Gebrauchtkleiderhandel sind sozial ausgewogen, ökonomisch richtig und ökologisch notwendig. Für den bvse ist die Sammlung von gebrauchten Textilien und deren Weiterverwendung daher alternativlos und sinnvoll.