Bei der Jahrestagung des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) stand auch und zuerst die Rolle des Mittelstandes der Sekundärrohstoff- und Entsorgungsbranche im Mittelpunkt sowie die Forderung des bvse nach mehr Recycling und für fairen Wettbewerb. Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes müsse hier ein klares Signal setzen, hieß es. Deshalb wende sich der bvse auch strikt gegen ein generelles Verbot der gewerblichen Sammlung.
bvse-Präsident Landers: „Es kann nicht sein, dass die seit Jahren und teilweise seit Jahrzehnten aufgebauten Sammelstrukturen meist mittelständischer Unternehmen durch die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Frage gestellt werden. Es kann nicht sein, dass dort, wo es kein vernünftiges Dienstleistungsangebot zur Erfassung von Wertstoffen gibt, privaten Unternehmen verboten werden kann, innovative Lösungen anzubieten. Es kann nicht sein, dass sich kommunale Unternehmen, die nicht auf der Höhe der Zeit sind, unter einem gesetzlichen Schutzschirm auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger weiter ausruhen können.“
Im Hinblick auf die kontroverse Diskussion um die Zukunft Europas machte Landers deutlich, dass es keine wirkliche Alternative zur Europäischen Union gebe. „Wir müssen diese Union demokratisch und wirtschaftlich erfolgreich machen, damit wir nicht ökonomisch und geopolitisch auf der Verliererstraße landen“, so die Forderung des bvse-Präsidenten. Dabei hob er hervor, dass die EU wohl jetzt Ernst mache mit einer zielgerichteten Rohstoffpolitik, mit Recycling und Sekundärrohstoffwirtschaft. Die jüngst durch das EU-Parlament verabschiedete Rohstoffstrategie, die der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer als zuständiger Berichterstatter maßgeblich beeinflusst habe, sei ein deutlicher Beleg dafür. Von Wirtschaft und Politik fordert Landers deshalb eine klare Prioritätensetzung: „Wir brauchen eine politische Grundentscheidung für mehr Ressourcenschutz und daraus folgend für mehr Recycling, denn nur dann werden nachhaltig primäre Ressourcen geschont.“
Mit der anstehenden Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes habe die Politik aktuell die Chance, einen gesetzlichen Rahmen für mehr Recycling, mehr Sekundärrohstoffe und mehr Wettbewerb zu schaffen, erläuterte Landers. Deshalb setze sich der bvse für ein Heizwertkriterium in Kombination mit einer Nutzungskaskade ein: „Das Recycling muss oberste Priorität genießen, wenn es ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist.“ Es sei außerdem zwingend notwendig, recyclingfähige Materialien aus gemischten Abfällen auszusortieren, damit wertvolle Rohstoffen dem Stoffkreislauf nicht durch Verbrennung entzogen werden, sagte der bvse-Präsident. Für mehr Recycling und mehr Sekundärrohstoffe seien außerdem bindende Recyclingquoten notwendig.
Wertstofftonne und Wettbewerb gehören zusammen
Zum Thema Wertstofftonne stellte Landers unmissverständlich klar: „Der bvse will die Wertstofftonne. Dabei treten wir dafür ein, dass sich der Inhalt der Wertstofftonne aus Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen zusammensetzt. Die Wertstofftonne sollte auf keinen Fall funktionierende Monosammlungen, wie beispielsweise die klassische Altkleidersammlung, verdrängen.“
Hinsichtlich der organisatorischen Ausgestaltung der Wertstofftonne setzt sich der bvse dafür ein, dass die Aufträge zur Sammlung und Verwertung der Wertstoffe im Wettbewerb vergeben werden. Dabei wendet sich der mittelständische Verband genauso gegen Inhouse-Vergaben der Kommunen wie gegen exklusive Zugriffsrechte, wie sie die großen Entsorgungskonzerne und ihre Dualen Systeme wahrnehmen wollen.
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ifo-Präsident Sinn: „Bei Klimapolitik nationale Scheuklappen ablegen“
Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, erläuterte in seinem Vortrag die bisherigen politischen Maßnahmen für eine CO2-Reduzierung und kam zu einem ebenso ernüchternden wie streitbaren Ergebnis: Die Anstrengungen der Politik den Klimawandel aufzuhalten, hätten ihre Wirkung komplett verfehlt. Sie bedeuteten sogar negative Folgen für Mensch und Klima. So seien Lebensmittelkrisen eine Folge der Förderung von Bioethanol.
Auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) habe nicht dazu beigetragen, den Klimawandel aufzuhalten sondern führe zu höheren Energiepreisen und einer Verlagerung des CO2–Ausstoßes in andere Regionen der Welt. Deshalb forderte Sinn die Abschaffung des EEG, das dem aus seiner Sicht besser geeigneten Instrument, dem Emissionshandel, entgegenstehe.
Sinn erläuterte, dass Klimapolitik nur dann funktioniere, wenn Angebots- und Nachfrageseite in klimapolitische Maßnahmen einbezogen würden. In der Vergangenheit hätten sich Maßnahmen, beispielsweise zur Einsparung von fossilen Brennstoffen, auf die Nachfrageseite konzentriert. Durch die geringere Nachfrage seien die Preise gesunken. In anderen Regionen der Welt habe dies zu steigender Nachfrage geführt. Daran sei vor allem das „grüne Säbelrasseln“ schuld.
Damit meint Sinn die bisherige Energiepolitik, die keine konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz hervorgebracht habe, sondern mit der Drohung bis 2030 weitgehend auf fossile Brennstoffe zu verzichten, Fehlanreize gesetzt habe. In der Konsequenz würden höhere Mengen gefördert, um vor Ablauf der Frist möglichst viel davon verkaufen zu können. Diese Politik habe eine Steigerung des CO2-Austoßes zur Folge. Sinn spricht in diesem Zusammenhang vom „grünen Pardoxon“ und meint damit, dass die auf Klimaschutz ausgerichtete Politik den Klimawandel nicht mildert sondern sogar beschleunigt.
Diese provokante Sicht auf die Klimapolitik teilten nicht alle Zuhörer. Sie machte aber deutlich, dass sowohl im Rahmen der CO2–Reduktion als auch in Fragen der Rohstoffpolitik regional begrenzte Lösungen zu kurz greifen, sondern die globalen Herausforderungen in die Betrachtung einfließen müssen.
Bütikofer: „EU-Vorgaben für Ressourceneffizienz und Recycling schnell umsetzen“
Dass die Europa-Politik inzwischen die Bedeutung einer aktiven Sekundärrohstoffwirtschaft erkannt hat, zeigte der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer, der den kürzlich vom Europäischen Parlament angenommenen „Bericht über eine erfolgreiche Rohstoffstrategie für Europa“ vorstellte. Angesichts knapper Ressourcen und dem hohen Verbrauch vieler Industrienationen und Schwellenländer rechnet Bütikofer mit einem globalen Wettstreit um Ressourcen. Dem müsse frühzeitig entgegengesteuert werden. Deshalb plädiert er für eine nachhaltige Rohstoffpolitik, die auf zwei Grundpfeilern beruht: Ressourceneffizienz und Recycling. Das ließe sich zum Beispiel durch mehr Öko-Design, also die Berücksichtigung des Recyclings schon bei der Produktgestaltung, erreichen.
Außerdem könne die öffentliche Hand Recyclingprodukte verstärkt berücksichtigen und dadurch deren Akzeptanz erhöhen und einen Nachfrageschub auslösen. Begünstigung ressourceneffizienter Produkte und mehr Forschung auf dem Gebiet der Ressourceneffizienz könnten ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten. Bütikofer sprach sich jedoch gegen eine Rohstoffbesteuerung aus, vielmehr sollten positive Anreize gesetzt werden, die Recyclingprodukte ökonomisch interessanter machen.
Verbesserungsbedarf sieht Bütikofer bei der WEEE-Richtlinie, die in den Mitgliedsstaaten kaum durchgesetzt ist, was zu illegalen Exporten und wilden Deponien in Drittländern führt, verbunden mit einer erheblichen Gesundheits- und Umweltbelastung und dem Verlust von kostbaren Rohstoffen für die Industrie. Hier schlägt er weltweite Zertifizierungsregelungen für Recyclinganlagen vor.
Rummler: Bekenntnis zu Wertstofftonne und Wettbewerb
Die Weltbevölkerung wächst rasant, der Rohstoffbedarf steigt, die Ökosysteme stehen unter Druck und manche Rohstoffe werden so knapp, dass sie nur noch 20 bis 50 Jahre verfügbar sein könnten: Auch Thomas Rummler vom Bundesumweltministerium (BMU) zeichnete ein Szenario, das den dringenden Handlungsbedarf in punkto Ressourcenschutz aufzeigt. Der Schlüssel zur Lösung sei die Kreislaufwirtschaft, deren Rahmenbedingungen in der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auf die Rohstoffsituation ausgerichtet werden sollen.
Konkret sieht Rummler die Einführung einer Wertstofftonne als Beitrag zu mehr Recycling. Er geht davon aus, dass damit bis zu sieben Kilogramm wertvoller Stoffe pro Einwohner und Jahr erfasst werden könnten, die bisher ungenutzt in der Restmülltonne landen. Dieses Potential zu heben, ist auch ein Anliegen der Tagungsteilnehmer. Der Vertreter des BMU führte aus, dass in der Wertstofftonne idealerweise neben Verpackungen stoffgleiche Nichtverpackungen gesammelt werden sollten, jedoch keine Textilien, Batterien und Elektrogeräte. Eine Auffassung, die auch der bvse voll und ganz teilt.
Diskutiert werde im BMU derzeit die Trägerschaft und Finanzierung einer Wertstofftonne. Dazu wurde ein Planspiel durchgeführt, in dem Organisations- und Finanzierungsmodelle mit unterschiedlicher Beteiligung der privaten und der öffentlichen Hand verglichen wurden. Strittig sei dabei insbesondere, in welcher Form zukünftig Ausschreibungen der Kommunen zu erfolgen hätten, ob verbindliche Recyclingquoten eingeführt werden und in welcher Form eine zentrale Stelle eingeführt werden könnte. Welches Organisations- und Finanzierungsmodell letztlich Teil der Novelle sein wirde, hänge davon ab, welchen Beitrag es zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, des Wettbewerbs, der Verbraucherfreundlichkeit sowie der Praxistauglichkeit leiste, so Rummler.
Eine wirkliche politische Grundentscheidung zu mehr Ressourcenschutz und Recycling wie von bvse-Präsident Landers gefordert, rückt mit dieser Ankündigung in den Rahmen des Möglichen. Abzuwarten bleibt, welchen Niederschlag die gesetzten Ziele in der Novelle finden. Bis Ende 2011 soll es ein Eckpunktepapier geben und bis Mitte 2012 sei mit einem Referentenentwurf zu rechnen, so dass das Rechtsetzungsverfahren noch in der aktuellen Legislaturperiode abgeschlossen werden könnte, hieß es zum Abschluss der bvse-Jahrestagung.