Konkret fürchtet der baden-württembergische Umweltminister, dass die Betrachtung der lukrativen Wertstoffverwertung unter rein europarechtlichen Gesichtspunkten – Stichwort Warenverkehrsfreiheit – dazu führen könnte, dass die Kommunen entweder komplett ausgegrenzt würden oder zwar den Abfall sammeln müssen, private Unternehmer aber die lukrativen Wertstoffe verwerten und verkaufen dürfen. Die Liberalisierung der gewerblichen Sammlung stelle die öffentlich-rechtlichen Entsorger dann in einen ungleichen Wettbewerb mit der Privatwirtschaft, obwohl sie mit der Entsorgung Kernaufgaben der Daseinsvorsorge erfüllten, kritisiert Untersteller die Pläne des Bundesumweltministers.
“Kommunen werden zum Aschenputtel der Nation degradiert“
„Kommunen werden für die ökologisch vorteilhafte Getrenntsammlung geradezu bestraft. Wann immer an Wertstoffen etwas zu verdienen ist, sollen private Unternehmen unter dem Segel der europäischen Warenverkehrsfreiheit den Zugriff darauf erhalten“, schreibt Untersteller in seinem Brief. Damit wären die Kommunen zum Aschenputtel der Nation degradiert. Wenn für sie am Ende nur noch der wertlose Restmüll übrig bleibe, sei zudem zu befürchten, dass die Müllgebühren flächendeckend steigen. Denn irgendwer müsse die Beseitigung ja bezahlen.
Die Kritik der kommunalen Spitzenverbände habe der Bund bislang ignoriert, bemängelt Untersteller. Die ökologisch richtige Einführung einer umfassenden Wertstofferfassung könne nur dann Akzeptanz finden, wenn die kommunale Abfallwirtschaft das vorrangige Zugriffsrecht auf die Wertstoffe erhalte. Deshalb fordert Untersteller im Brief an seinen Amtskollegen auf Bundesebene, die Überlegungen über die künftige Neuregelung der Wertstofferfassung- und
-verwertung auszuweiten. Auch ein rein kommunales System müsse einbezogen werden.
Das kommunale Modell sei in der Vergangenheit zu Unrecht als „überkommener Rekommunalisierungsgedanke“ gebrandmarkt worden. Denn es bedeute nicht, dass die Kommunen selbst die Aufgaben operativ übernehmen müssten. Sie könnten aber, wie dies heute schon oft der Fall ist, die Wertstofferfassung organisieren und effizient die Ausschreibung für Sortierung und Verwertung in die Hand nehmen. Die private Entsorgungswirtschaft werde hierbei wie bisher im Wege der Ausschreibung wirtschaftlich teilhaben können.
Der baden-württembergische Umweltminister zeigte sich erstaunt, dass gegen die kommunale Daseinsvorsorge der fehlende Wettbewerb ins Feld geführt werde. Baden-Württemberg habe im Bereich seiner öffentlichen Strukturen die geringsten Müllgebühren bundesweit und beweise damit, dass die Kommunen die Abfallentsorgung effizient und zu wettbewerbsfähigen Preisen durchführen könnten. Dies gelte für den gesamten Hausmüll und nicht nur für die zuvor herausgepickten „verwertbaren Rosinen“. „Die Zeit der Privatisierungseuphorie sollte vorbei sein – wir müssen nicht die gleichen Fehler wie im Wasser- und Energiebereich wiederholen.“