Während der Entwurf die Vorgaben der AbfRRL über weite Strecken 1:1 umsetze und an die deutsche Abfallwirtschaftspraxis anpasse, enthalte er beim Thema Wiederverwendung sogar gravierende Lücken in der Umsetzung, die den verbal gewünschten Vorrang für die Wiederverwendung in Frage stellten., lautet die Einschätzung der Fachgruppe Arbeit und Umwelt (FAU).
Zunächst übernehme der Entwurf leicht verändert die Neudefinitionen des Begriffs „Wiederverwendung“ aus der AbfRRL: „Wiederverwendung im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Verfahren, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile, die keine Abfälle sind, wieder für denselben Zweck verwendet werden, für den sie ursprünglich hergestellt worden sind.“ beziehungsweise „Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Verwertungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Reparatur, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile von Erzeugnissen, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung für denselben Zweck, für den sie ursprünglich bestimmt waren, wieder verwendet werden können.“
Zur Förderung beider Aktivitäten gebe die AbfRRL in Artikel 11 (1) Satz 1 vor: „Die Mitgliedstaaten ergreifen, soweit angemessen, Maßnahmen zur Förderung der Wiederverwendung von Produkten und der Vorbereitung zur Wiederverwendung, insbesondere durch Förderung der Errichtung und Unterstützung von Wiederverwendungs- und Reparaturnetzen sowie durch Einsatz von wirtschaftlichen Instrumenten, Beschaffungskriterien oder quantitativen Zielen oder durch andere Schritte.“ Artikel 11 der AbfRLL soll gemäß der Begründung zum Entwurf des KrWG durch § 14 umgesetzt werden. Dort fehle dieser Passus völlig, urteilt der Vorstand der Fachgruppe.
“Offensichtliche Fehler nicht korrgiert“
Es finde sich lediglich eine gemeinsame Quote für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling von Siedlungsabfällen, die ab 2020 mindestens 65 Prozent betragen soll. Die „Förderung … durch Einsatz von … Beschaffungskriterien“ werde für die öffentliche Hand ansatzweise in § 45 geregelt. Anlage 4 würden dazu erläuternde „Beispiele für Abfallvermeidungsmaßnahmen“ aufgeführt. Dort finde sich unter Punkt 3f, nun wieder in wörtlicher Übernahme aus der AbfRRL, die „Förderung der Wiederverwendung und/oder Reparatur geeigneter entsorgter Produkte oder ihrer Bestandteile, vor allem durch den Einsatz pädagogischer, wirtschaftlicher, logistischer oder anderer Maßnahmen wie Unterstützung oder Einrichtung von akkreditierten Zentren und Netzen für Reparatur und Wiederverwendung, insbesondere in dicht besiedelten Regionen.“ Hier haben es nach Ansicht der Fachgruppe Arbeit und Umwelt die Autoren des Entwurfs nicht einmal für nötig gehalten, einen offensichtlichen Fehler zu korrigieren: Abfallvermeidungsmaßnahmen bezögen sich nicht auf bereits „entsorgte“ Produkte.
Hauptmangel dieser Regelung sei allerdings, dass es sich hier nur um eine unverbindliche Aufzählung möglicher Maßnahmen handel, die keinesfalls die in Artikel 11 (1) Satz 1 AbfRRL geforderte gesetzliche Vorgabe ersetzen könne. Zudem beziehe sie sich explizit nur auf die Abfallvermeidung, also auf Produkte und Bestandteile, die noch nicht Abfall geworden sind, nicht aber auf die viel dringender zu fördernde Vorbereitung zur Wiederverwendung von Produkten aus dem Abfallstrom, sagt der Vorstand.
Die Aufforderung zur „Förderung … der Vorbereitung zur Wiederverwendung, insbesondere durch Förderung der Errichtung und Unterstützung von Wiederverwendungs- und Reparaturnetzen ..“ werde komplett ignoriert. Damit versäume der Entwurf die Umsetzung eines wesentlichen Aspekts der europäischen Vorgabe und ignoriere einen Sektor, der auch und gerade in Deutschland dringend einer Weiterentwicklung bedürfe.
Wiederverwendung im Sinne von weiterer Nutzung von Produkten oder Teilen finde zunächst über Second-Hand-Märkte statt, auf denen Gebrauchtwaren gehandelt werden. Wiederverwendung als Abfallvermeidung finde dann statt, wenn der Letztbesitzer für sein Produkt eigentlich keinen Erlös mehr erzielen will, aber durch Information, besondere Angebote oder Ähnliches davon abgehalten werde, sich seines Produktes zu entledigen, es also zu Abfall zu machen. Ist ein Produkt Abfall geworden, und entschließe sich der zuständige Abfallbehandler, es wieder als Produkt im Ganzen oder in Teilen auf den Markt zu bringen, handele es sich (künftig) um Vorbereitung zur Wiederverwendung. Wiederverwendung als Abfallvermeidung und als Abfallbehandlung ist derzeit nach Meinung der Fachgruppe für die meisten Produktströme nur unzureichend geregelt:
Elektro-Altgeräte müssen gemäß ElektroG von den Erstbehandlungsanlagen auf Wiederverwendbarkeit geprüft werden, in aller Regel schließe aber die Behandlung der Geräte in den existierenden Sammelsystemen eine Wiederverwendung von vorneherein aus. Die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall empfehle in ihrem Merkblatt zu Elektroaltgeräten (LAGA M31), wiederverwendbare Geräte schon vor den Sammelstellen an andere geeignete Einrichtungen umzuleiten (also Abfallvermeidung zu betreiben), gebe dafür aber keine Mechanismen an.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung nehme in Artikel 3 umfangreiche Änderungen am ElektroG vor, ignoriere aber auch hier wieder den neuen Stellenwert und sogar die neuen Begriffsdefinitionen zur Wiederverwendung. Darüber hinaus lasse es die Bundesregierung im Rahmen der „Planspiele“ zur Einführung der sogenannten Wertstofftonne in eklatantem Widerspruch zum geltenden ElektroG sogar zu, dass Elektrokleingeräte zerstörend gesammelt und damit einer Wiederverwendung (und einem sinnvollen Recycling) grundsätzlich entzogen würden, lautet der Vorwurf der Fachgruppe Arbeit und Umwelt.
Altmöbel würden, wenn überhaupt, dann in lokalen Aktivitäten im Rahmen der Sperrmüllsammlung oder bei Haushaltsauflösungen zur Wiederverwendung gesammelt, letztere ebenfalls teilweise außerhalb des Abfallregimes.
Alttextilien werden überwiegend karitativ oder gewerblich gesammelt. Ob es sich dabei um Abfallsammlungen handelt, ist häufig ungeklärt bzw. umstritten, der Anteil zweifelhafter Praktiken im Umgang mit nicht verkaufbarem Material ist relativ hoch. Im Zusammenhang mit der Einführung der Wertstofftonne besteht die Gefahr, dass den bisher primär auf Wiederverwendung ausgerichteten gemeinnützigen Sammlungen die Existenzgrundlage entzogen wird.
FAU sieht dringenden Nachbesserungsbedarf
In allen diesen Bereichen besteht laut Vorstand der Fachgruppe dringender Regelungsbedarf, um Wiederverwendung als Abfallvermeidung und Vorbereitung zur Wiederverwendung als Abfallbehandlung vollwertig in die abfallwirtschaftliche Praxis zu integrieren.
Die Einführung eines neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes biete die ideale Gelegenheit, einen vernünftigen rechtlichen Rahmen für bestehende und noch zu entwickelnde Wiederverwendungsaktivitäten zu entwickeln. Dazu gehörten insbesondere die Definition eines Wiederverwendungszentrums mit Benennung der Rechte und Pflichten und Genehmigungserfordernissen. Daneben auch die Festlegung von Quoten für die Vorbereitung zur Wiederverwendung sowie klare Regelungen für Beginn und Ende der Abfalleigenschaft im Prozess der Wiederverwendung und nicht zuletzt Mindestanforderungen an Produkte, Geräte und Teile, die als wiederverwendet gelten sollen (Funktionalität etc.). Der vorliegende Entwurf lasse diese Chance ungenutzt. Hier besteht dringender Nachbesserungsbedarf.
Darüber hinaus fordert die FAU bei der Einführung der Wertstofftonne sicherzustellen, dass Produkte, für die getrennte Erfassungswege zur Wiederverwendung existieren oder sogar gesetzlich vorgeschrieben sind, insbesondere Elektrokleingeräte und Textilien, von der Erfassung über die Tonne ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sollten die Betreiber der Wertstofftonnen-Sammlung verpflichtet werden, darauf hinzuweisen, dass für wiederverwendbare Produkte andere Wege existieren.