Ab 2010 kommen auch Russlands Verbraucher in den Genuss einer Abwrackprämie. So sieht die Abwrackprämie auf Russisch aus: Fahrer von Automobilen (einheimische und importierte Fahrzeuge), die älter als zehn Jahre sind und die auf den Besitzer seit mindestens einem Jahr zugelassen sind, erhalten einen Voucher (Zertifikat) im Wert von 50.000 Rubel (1.110 Euro), wenn sie ihr Fahrzeug bei einem speziellen Verwertungszentrum verschrotten lassen. Der Gutschein kann dann beim Kauf eines neuen Automobils aus russischer Produktion, einschließlich in Russland montierter Fahrzeuge ausländischer Marken, eingelöst werden. Die Regierung stellt für die Abwrackprämie insgesamt 10 Mrd. Rubel bereit. Bei einem Wert pro Voucher von 50.000 Rubel ergibt sich daraus, dass 200.000 neue Autos über dieses Programm finanziert werden können.
Bisher noch kein Verwertungsnetz
Irgendwo müssen nun all die alten Autos bleiben. Bis heute gibt es kein flächendeckendes Netz von Betrieben zur kompletten Verwertung von Altfahrzeugen (voller Zyklus) in Russland. Deshalb will die Regierung im Zeitraum 2010 bis 2013 ein solches System aufbauen. Dazu sollen im Rahmen eines Pilotprojekts vier Werke für Autorecycling errichtet werden. Als Standorte sind die Hauptstadt Moskau, das Moskauer Gebiet, Sankt Petersburg, Samara und Nischnij Nowgorod vorgesehen. Später sollen weitere Werke hinzu kommen. Nach Meinung von Experten kann ein Autorecycling-Werk innerhalb eines Jahres eingerichtet werden. Für einen Betrieb mit einer Kapazität von 10.000 Fahrzeugen seien zirka 10 Mio. US$ erforderlich.
Außerdem soll ein föderales Gesetz „Über die Verwertung der Kraftfahrzeuge und ihrer Bestandteile“ erlassen werden. Die geltende Gesetzgebung beschwert den Autobesitzer nicht mit der Verantwortung für seinen alten Wagen oder den Kosten der Entsorgung. „Das Problem mit der Staatlichen Inspektion für Sicherheit im Straßenverkehr lässt sich einfach lösen: Innerhalb von zwei Stunden ist man nicht mehr Besitzer des Autos. Danach kann man mit ihm machen was man will – in den Wald werfen, zum Beispiel, wie es häufig getan wird“, so Aleksej Kiseljew von Greenpeace Russia.
Sowjetische Autos lassen sich schwer recyceln
Ein Problem besteht darin, dass die alten Automobile aus sowjetischer und russischer Produktion nicht mit Blick auf ein späteres Recycling konstruiert worden sind. Ihre Komponenten lassen sich nur schwer auseinander nehmen und die Verwertung bestimmter Elemente ist vom ökologischen Standpunkt aus nicht ungefährlich.
Hinzu kommt, dass die vorhandenen russischen Unternehmen, welche sich mit der Verarbeitung von Altautos beschäftigen, oft modernen Standards nicht entsprechen. Die Karosserien werden dort lediglich von den Einbauten befreit und in der Schrottpresse zu kleinen Stahlwürfeln geformt. Von einem Moskwitsch lassen sich zirka eine Tonne Metall gewinnen. Bei den gegenwärtigen Preisen bringt das 4.000 bis 5.000 Rubel. Genommen wird nur das Altmetall, welches leicht weiter zu verkaufen ist; der Rest verfault in Müllgruben. Eine gezielte Zerlegung der Fahrzeuge mit Ausbau und Weiterverkauf noch brauchbarer Kfz-Teile, Rückgewinnung von Wertstoffen und umweltgerechter Entsorgung der restlichen Bestandteile findet nicht statt. Den Gummi, den Kunststoff, das Glas, das Öl zu verarbeiten ist nicht einträglich – wenigstens solange es kein einheitliches System mit entsprechender Finanzierung gibt.
Das Programm zur Verwertung von alten Fahrzeugen soll dazu beitragen, die heimischen Autoproduzenten zu unterstützen und den Autobestand zu verjüngen. Auf diese Weise wollen die Behörden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: erstens den Verkauf von neuen Autos fördern und zweitens die russischen Straßen von den rostigen Skeletten der alten „eisernen Pferde“ säubern.
„Eines der schärfsten Probleme des russischen Automarktes bleibt das mittlere Alter der zugelassenen Autos. Fast 50% des Bestands ist älter als 10 Jahre“, sagt Aleksej Rachmanow, Direktor der Abteilung für Automobilindustrie und Landmaschinenbau beim Ministerium für Industrie und Handel.
Die Zahl der Fahrzeuge zu bestimmen, bei denen es vorteilhaft wäre, sie im Rahmen des Abwrackprogramms abzugeben, ist kompliziert. In der Russischen Föderation sind laut Innenministerium rund 38 Millionen Kraftfahrzeuge registriert. Davon sind 19,6 Miillionen leichte Automobile mit einem Alter von zehn Jahren oder mehr, gemäß Awtostat. Vom Abwrackprogramm werden voraussichtlich vor allem die Besitzer alter russischer Wagen Gebrauch machen. Im Schnitt am ältesten sind Fahrzeuge der Hersteller Moskwitsch und ZAZ (17,0 Jahre), gefolgt von UAZ (14,0 Jahre), GAZ (13,4 Jahre) und Lada (12,3 Jahre). Besitzer von elf Jahre alten BMW, Audi und Volkswagen, die für ihr Auto auf dem Gebrauchtwagenmarkt noch einen höheren Betrag als 50.000 Rubel erlösen können, werden das Programm nicht nutzen.
Die Zahl der zu entsorgenden Altautos in Russland ist groß. Das staatliche Abwrackprogramm könnte neuen Schwung in die Verwertungsbranche bringen und ihre Modernisierung vorantreiben. (Germany Trade and Invest)