„Die privaten Entsorger haben den Kürzeren gezogen“

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Altpapier-Sammlung stößt erwartungsgemäß auf ein geteiltes Echo. Während Vertreter der privaten Entsorgungswirtschaft mit Unverständnis auf den Spruch der Leipziger Richter reagieren, begrüßt die kommunale Seite das Urteil. Einer Privatisierung durch die Hintertür sei nun ebenso ein Riegel vorgeschoben wie den gewerblichen Sammlungen privater Entsorger, zeigt sich Frank Wenzel, Rechtsanwalt der Berliner Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll (GGSC). zufrieden.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte am vergangenen Donnerstag das mit Spannung erwartete Urteil zur Zulässigkeit der gewerblichen Sammlung von Abfällen aus privaten Haushalten gefällt. Die Leipziger Richter vertraten die Auffassung, dass private Haushalte ihren Hausmüll einschließlich seiner verwertbaren Bestandteile grundsätzlich den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen haben.

In einer ersten Stellungnahme wertet GGSC das Urteil als „wichtiges Korrektiv“. „Nachdem viele von GGSC vertretene Kommunen Gerichtsverfahren verloren geben mussten, sind die GGSC-Argumente endlich vom höchsten deutschen Verwaltungsgericht aufgegriffen worden,“ erklärte Wenzel. Wichtige Hinweise erwartet der Rechtsanwalt nun von der noch ausstehenden schriftlichen Urteilsbegründung.

Die Berliner Kanzlei geht davon aus, dass nunmehr ein Großteil der gewerblichen Sammlungen einzustellen sein wird. „Der Kampf um das Altpapier ist entschieden, die privaten Entsorger haben rechtlich und wirtschaftlich den Kürzeren gezogen, nachdem sie glaubten, die Kommunen überrumpeln zu können,“ erklärt Wenzel. Seine Kanzlei werde in dieser Woche seiner Mandantschaft grundsätzliche Empfehlungen zum weiteren Vorgehen übermitteln, um einerseits die verbliebenen rechtswidrigen gewerblichen Sammlungen zügig zu beenden und andererseits rechtssichere Vergabeverfahren für Entsorgungsdienstleistungen zu gewährleisten.

VKS: Klare Bestätigung für Kommunen

Begrüßt wird das Urteil selbstredend auch vom kommunalen Entsorgerverband VKS im VKU. „Wir freuen uns, dass das Bundesverwaltungsgericht die Entsorgungszuständigkeit eindeutig den kommunalen Entsorgern zuspricht,“ kommentiert Rüdiger Siechau, Vorstandsvorsitzender des VKS im VKU, den Richterspruch.

Das Bundesverwaltungsgericht habe die kommunale Entsorgungszuständigkeit für Abfälle aus privaten Haushalten mit klaren Worten bestätigt, betonte Siechau. Private Abfallbesitzer dürften somit nicht, wie vom Oberverwaltungsgericht Schleswig angenommen, gewerbliche Entsorger mit der Verwertung ihrer Abfälle beauftragen. Das Bundesverwaltungsgericht habe zudem den Begriff der öffentlichen Interessen, die einer gewerblichen Sammlung entgegenstehen können, präzisiert und deutlich enger gefasst als die Vorinstanz, so der VKS: Überwiegende öffentliche Interessen stünden einer gewerblichen Sammlung nicht erst bei Existenzgefährdung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystems, sondern schon dann entgegen, wenn die Sammlung mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisation und die Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach sich zieht.

Siechau verwies darauf, dass der Gesetzgeber spätestens mit der Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie in nationales Recht diesen vom Gericht entschiedenen Sachverhalt genauer und präziser definieren müsse. Bereits Ende vergangenen Jahres hatte der VKS ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das zu demselben Ergebnis wie das Bundesverwaltungsgericht gelangte. Die Begründungen seien inhaltlich identisch, so Siechau. Nach dem Urteil bestehe nun noch mehr Handlungsbedarf seitens der Bundesregierung, die Feststellungen des Gerichtes in nationales Recht umzusetzen.

bvse: Auslegung ist auf Dauer nicht trgfähig

Der private Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) zeigte sich enttäuscht. „Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung allem Anschein nach nicht ausreichend gewürdigt, dass es sich bei Altpapier um einen wertvollen Sekundärrohstoff handelt, der nicht mit der Entsorgung von Beseitigungsabfällen in einen Topf geworfen werden darf,“ kritisiert Hubert Neuhaus, Vorsitzender des Fachverbandes Papierrecycling und bvse-Vizepräsident.

Die aufgebauten Sammelstrukturen der privaten Altpapierunternehmen seien nun in jenen Regionen ernsthaft gefährdet, in denen auch kommunale Sammlungen stattfinden. „Wir reden hier von Millionen-Investitionen, die jetzt in Frage stehen. Arbeitsplätze von hunderten von Arbeitnehmern in ganz Deutschland sind bedroht“, macht Neuhaus deutlich.

Der bvse-Vizepräsident verweist darauf, dass sich die privaten Altpapierunternehmen trotz extrem schwieriger Marktlage nicht aus ihren Verpflichtungen zurückgezogen hätten. Auch rechtlich stößt das Urteil auf Unverständnis seitens des bvse. Das Bundesverwaltungsgericht habe sehr restriktive Vorgaben bezüglich der Voraussetzungen gemacht, nach denen eine gewerbliche Sammlung nach § 13 Abs. 3 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes erfolgen könne, erklärte Verbandsjustiziarin Manuela Hurst. Im Grunde habe das Bundesverwaltungsgericht den Kommunen die Möglichkeit gegeben, ihre bestehenden Sammlungen vorbehaltlos zu schützen. Das verkenne die Absicht des Gesetzgebers, der im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz bewusst die private Wirtschaft mit in die Verantwortung genommen habe, so Hurst.

Aus ihrer Sicht spricht viel dafür, dass die kommunalfreundliche Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts auch aus anderen Gründen auf Dauer „nicht tragfähig“ sei. Hurst verweist darauf, dass das Urteil die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit der Altpapierentsorgungsunternehmen stark beeinträchtige. Weiter sieht die bvse-Justiziarin auch die durch Europäisches Recht gewährleistete Warenverkehrsfreiheit verletzt.

BDE: Urteil schafft ein Stück Klarheit

Der private Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) weist darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung ein Stück Klarheit zur „wohl facettenreichsten Fallgestaltung der Abfall- und Wertstoffsammlung in deutschen Städten und Gemeinden“ geschaffen habe.

Als Industrieland sei Deutschland auf die verlässliche Versorgung mit Rohstoffen angewiesen. Abfälle seien die einzige dauerhaft nutzbare heimische Rohstoffquelle, die Deutschland zur Verfügung habe und die es von den volatilen Importmärkten unabhängiger machen könne. Die entscheidende Frage sei deshalb nicht, wer in Zeiten hoher Preise bestimmte Abfälle sammeln darf. Die Politik habe zu entscheiden, wen der Staat durch geeignete Rahmenbedingungen in die Lage versetzen muss, die Industrie durch ein System aus Erfassung, Logistik, Aufbereitung und Vermarktung von Rohstoffen mit den für sie lebensnotwendigen Ressourcen zu versorgen.

Diese Aufgabe sei „definitiv“ nicht Sache öffentlicher Körperschaften, sondern der freien Wirtschaft, so der Verband.

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