Von Peter Steinhauer
Ob die Parteien sich dem Ernst der Lage stellen, davon kann man sich jetzt überzeugen. Die Wahlprogramme sind verabschiedet, die Positionen im Bereich Abfallpolitik festgelegt.
Welche das für die Recyclingwirtschaft sind, kann nun jedermann in den Wahlprogrammen nachlesen, die fast alle Bundesparteien verabschiedet haben. Allen gemeinsam ist der Glaube, dass die Kreislaufwirtschaft noch ausbaufähig ist und zu einer Ressourcenwirtschaft weiter entwickelt werden sollte. Über den Weg dorthin gibt es jedoch ganz unterschiedliche Vorstellungen.
Vor allem die derzeitigen Oppositionsparteien widmen sich dem Thema ausführlich. Sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch die FDP haben ein eigenes Positionspapier verfasst, das sich mit Detailfragen der Abfallwirtschaft auseinandersetzt.
So sieht die FDP das Abfallsystem als nicht mehr angemessen an. „Es ist an vielen Stellen konzeptionell überholt, unflexibel und unnötig teuer“, heißt es in dem Positionspapier der Liberalen. Man möchte von der reinen Produzentenverantwortung wegkommen und verlangt von den Konsumenten mehr ökologische Verantwortung. Dabei möchte die FDP Regelungen finden „jenseits von Zwangspfand und oftmals naiver Mülltrennung“.
Die FDP ist wie eigentlich alle Parteien unglücklich mit der Verpackungsverordnung und will diese zu einer allgemeinen Wertstoffverordnung weiterentwickeln. Die neue Verordnung soll vor allem Anreize schaffen, Abfälle zu vermeiden. Deshalb will die FDP für die Wertstoffsammlung langfristig ein Zertifikatesystem einführen, das ähnlich konzipiert sein soll wie der Handel mit Emissionszertifikaten. Demnach müsste jeder, der ein Produkt in den Verkehr bringt, anhand von Zertifikaten nachweisen, dass ein Anteil des Produkts aus dem Abfallstrom wieder zurückgewonnen wird.
Kern der politischen Forderungen von Bündnis90/Die Grünen ist ebenfalls die Einführung einer Wertstoffverordnung und einer damit verbundenen Abschaffung des Grünen Punkts. Sie wollen damit Anreize schaffen, Produkte so herzustellen, dass schon bei deren Produktion die Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit im Vordergrund steht. Das zentrale Instrument ist eine Ressourcenabgabe, die perspektivisch auf alle Produkte erhoben wird. Eine öffentlich-rechtlich organisierte Ressourcenagentur soll die Höhe der Abgabe ermitteln und bei den Herstellern und Importeuren erheben. So sollen Billigprodukte, die schlecht recycelt werden können und eine kurze Lebensdauer haben, sich verteuern. Qualitätsprodukte erhielten dadurch einen Wettbewerbsvorteil.
Über FDP und Grüne hinaus hat die Idee einer Wertstoffverordnung bislang indes keine politischen Anhänger gefunden. Der Abfallexperte der SPD, Gerd Bollmann, etwa glaubt, dass vor allem mit der Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht die Weichen für die Abfallwirtschaft gestellt werden. Er fordert außerdem eine stärkere Verantwortung der Produkthersteller: „Künftig wollen wir der Abfallvermeidung unter Berücksichtigung der Produktverantwortung die höchste Priorität einräumen“, sagt der SPD-Politiker. Ein Produkt soll so gestaltet sein, dass am Ende seines Lebenszyklus eine technisch einfache und fast vollständige Wiederverwertung möglich ist. „Dabei gilt es, den Einsatz von Rohstoffen und Energie so gering wie möglich zu halten.“
Die CDU/CSU hingegen tritt für Bürokratieabbau und eine europaweite Harmonisierung der rechtlichen Vorgaben ein. Bei der Verwertung von Abfällen macht sich die Union vor allem für den Verbraucher stark. Die Christdemokraten möchten erreichen, dass Verwertungserlöse für Gebührendämpfungen eingesetzt werden. Festhalten möchte die CDU an der durch die EU vorgegebene Gleichsetzung von stofflicher und energetischer Verwertung.
Am meisten politisches Profil entwickeln die Parteien derzeit bei ihren Positionen zum Markt und Wettbewerb. Auf dem parlamentarischen Abend des Entsorgerverbands BDE in Berlin im März dieses Jahres äußerten sich alle für Abfallwirtschaft zuständigen Sprecher der Bundestagsfraktionen ausführlich zu diesem Thema. Die entschiedenste Absage an eine steuerliche Gleichstellung von kommunalen und privaten Entsorgern kam erwartungsgemäß von der Linken.
Deren Sprecherin Eva Bulling-Schröter meinte: „Das ist eine soziale Frage.“ Grundsätzlich tritt die Linke am deutlichsten von allem Parteien für eine stärkere Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft ein. Man glaubt, dass damit sowohl für die kommunalen Haushalte als auch für die Bürger und Beschäftigten langfristig Vorteile zu schaffen wären.
Die SPD windet sich bei der Frage der steuerlichen Ungleichbehandlung. Winfried Marx, Abfallexperte im Büro des Abgeordneten Gerd Bollmann, meint, die steuerlichen Vorteile seien nur für den Bereich der Daseinsfürsorge vorgesehen. Darüber hinaus gebe es für alle Marktteilnehmer gleiche Wettbewerbchancen.
Alle übrigen Parteien positionieren sich eindeutig. Marie-Luise Dött, umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, plädiert für den freien Markt: „Wir brauchen ein faires Wettbewerbsrecht und gleiche Chancen“, sagt sie. Auch Sylvia Kotting-Uhl, umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion fordert einen „fairen Wettbewerb mit einer steuerlichen Angleichung.“ Die FDP sieht in der steuerlichen Bevorzugung der öffentlich-rechtlichen Organisationsformen in der Abfallwirtschaft sogar „einen weiteren Schwachpunkt unseres derzeitigen Systems.“
Ob die Wahl im September die politischen Rahmenbedingungen für die Recycling-Wirtschaft tatsächlich ändern wird, hängt von vielen Faktoren ab. Die Parteien haben ihre Positionen nun festlegt. Letztlich werden die Koalitionsverhandlungen entscheiden.