Vereinigte Arabische Emirate haben ein großes Müllproblem

Recycling ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) noch wenig bekannt. „Das hier ist eine Wegwerf-Gesellschaft par excellence“, sagt Martin Böll, Korrespondent von Germany Trade & Invest in Dubai. Dadurch bieten sich in den VAE aber auch interessante Geschäftschancen. Allein von Mitte 2006 bis Mitte 2007 sind etwa zwei Milliarden US-Dollar in die Abfallindustrie investiert worden – die Tendenz ist steigend.

Von Christiane Hawranek

Langusten, Garnelen und geräucherter Lachs türmen sich auf den Buffet-Tischen. Rote, gelbe und weiße Blumengestecke umrahmen die Meeresfrüchte. Die Pflanzen wurden extra aus Afrika eingeflogen für den Empfang in einem Hotel in Dubai. Als die Gäste auf dem Nachhauseweg sind, wirft das Hotelpersonal den übrig gebliebenen Hummer in die Mülltonne wie auch den Blumenschmuck, auch wenn er sich noch eine Woche gehalten hätte.

„In fast allen Hotels ist eine kaum fassbare Verschwendung an der Tagesordnung, vor allem bei den zahllosen Empfängen der diplomatischen Welt biegen sich Buffets von teuersten Köstlichkeiten, die hinterher weggeworfen werden“, sagt Martin Böll, Korrespondent von Germany Trade & Invest in Dubai. Recycling sei in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) noch wenig bekannt. „Das hier ist eine Wegwerf-Gesellschaft par excellence“, sagt Böll. Dadurch bieten sich in den VAE aber auch interessante Geschäftschancen. Allein von Mitte 2006 bis Mitte 2007 sind etwa zwei Milliarden US-Dollar in die Abfallindustrie investiert worden – die Tendenz ist steigend.

Die VAE haben zwar ein großes Müllproblem, die Entscheidungsträger aber sind sich dessen zunehmend bewusst. Böll rät deutschen Recycling-Unternehmen, den Markt im Auge zu behalten. „Wenn, dann werden auf der Arabischen Halbinsel die neuen Trends in Dubai und Abu Dhabi gesetzt – auch in Sachen Müll und Recycling.“
Abfallentsorgung ist ein Thema, über das man in Dubai und den VAE nicht so gerne spricht. In den Zeitungen sind selten Artikel darüber zu lesen, auch wenn es manchen Menschen vor Ort schon buchstäblich stinkt: Große fahrbare Müllbehälter prägen das Stadtbild. In die Container wird jeglicher Müll ungetrennt hineingeworfen, manche stellen auch ihren Sperrmüll daneben.

80 Prozent der 5,6 Millionen Einwohner der VAE kommen aus dem Ausland. Meistens sind es Inder und Pakistaner, die auf der untersten Stufe der Gastarbeiter-Hierarchie stehen und den Müll auf den Straßen und an den Stränden mühsam einsammeln. Danach wandert der Abfall auf eine der großen Deponien in der Wüste. Wie die arabische Zeitung „The National“ berichtet, ist die größte Mülldeponie Al Dharfa ist so groß wie die City von London. Insgesamt gibt es sechs solcher Deponien bei Abu Dhabi. Über die Zusammensetzung des Mülls sind bisher noch keine offiziellen Analysen veröffentlicht.

76.000 Tonnen Bauabfälle – täglich

Nach Angaben von Germany Trade & Invest verursacht die Bauindustrie 55 Prozent des Abfallaufkommens in den Ländern des Golf-Kooperationsrates. Nach einem Bericht in der Tageszeitung „Emirates Business“ lag die Menge der Bauabfälle 2007 bei 28 Millionen Tonnen – allein in Dubai. Das bedeutet: 76.000 Tonnen täglich.

20 Prozent des Mülls in den Ländern des Golf-Kooperationsrates sind kommunale Abfälle, 18 Prozent Industrieabfälle und 7 Prozent Sondermüll. Die VAE zählen weltweit zu den Regionen mit dem größten Müll­aufkommen pro Kopf: In der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt Dubai sind es 750 Kilogramm Hausmüll im Jahr.

Vor den Toren der Hauptstadt Abu Dhabi landen nicht nur verrottbarer Hausmüll und Bauschutt, sondern auch giftige Ölrückstände, landwirtschaftliche Pestizide, Krankenhausmüll und sogar alte Waffen. Böll von Germany Trade & Invest beobachtet diese Entwicklung mit Unbehagen: „Die Deponien sind tickende ökologische Zeitbomben.“ Bisher habe es die Stadtverwaltung auch noch nicht geschafft, das Auslaufen von Chemikalien zu stoppen.

eponien sind tickende Zeitbomben

Die Regierung fürchtet, dass giftige Stoffe ins Grundwasser sickern oder vom Wind über das Land verweht werden könnten. Deshalb beginnt in Abu Dhabi langsam ein Umdenken. „Der Hauptgrund ist, dass der Müll auf den Deponien gesundheitsgefährdend sein könnte“, sagt Böll. Zunächst werde das Umweltschutzamt Beraterunternehmen beauftragten, eine Analyse vom Ausmaß der Deponien und ihrer Zusammensetzung zu erstellen. „Wenn wir genau wissen, mit welchem Müll wir es zu tun haben, können wir spezialisierte Unternehmen beauftragen, die Halden zu sanieren“, sagt Bader al Harahsheh, Chef des Abu Dhabi Waste Management Centre. Allerdings – so die Einschätzung von Böll – kann es noch zwei Jahre dauern, bis erste Schritte unternommen werden.

Bisher waren die wenigen öffentlichen Initiativen zur Mülltrennung und zum bewussteren Umgang mit Müll wenig erfolgreich. An Bushaltestellen seien vor kurzem Müllbehälter mit drei Schlitzen angebracht worden. „Damit ist ein demonstrativer Anfang gemacht,“ sagt Böll, „bis das Angebot aber tatsächlich angenommen wird, dürfte noch Zeit vergehen.“ In Sachen Sauberkeit sind die Städte Dubai und Abu Dhabi den meisten anderen arabischen Metropolen weit voraus und stehen wohl auch deutlich besser da als zum Beispiel Süditalien. Das Umweltbewusstsein ist in den VAE vielleicht noch nicht stark ausgeprägt, das Land ist aber auf dem richtigen Weg.

„Auch so mancher Europäer vergisst im Ausland seine gute Kinderstube“, betont Böll. Wenn nach einem Picknick in der Wüste oder Strand nicht wieder alles mitgenommen wird, dann ist daran sicherlich nicht nur die Bevölkerungsminderheit der Emirater schuld, sondern auch die vielen Gäste.

Aufbereitungsanlage für Spezialmüll

„Ja, es gibt in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Kultur der Bequemlichkeit“, gibt Bashar Humeid zu. Er betreibt das deutsch-arabische Wirtschaftsportal „Arabyat.de“ und erklärt sich die Wegwerf-Mentalität damit, dass viele Menschen in Dubai in Single-Haushalten leben und dadurch automatisch mehr wegwerfen als eine Großfamilie, bei der zu Hause gekocht wird. „Arbeiter, Angestellte essen normalerweise in Fast-Food-Restaurants und produzieren alleine dort viel Müll.“ Zum großen Teil verantwortlich für die Müllberge vor den Städten seien auch der Tourismus beziehungsweise die Hotels. Das bestätigt auch Martin Böll von Germany Trade & Invest. Allerdings gingen gerade von Hotels Anstöße zum Recycling aus: Einige von ihnen haben eine Initiative gestartet, bei der Pappkartons gefaltet und zur Wiederverwertung abgeholt werden, andere recyceln Speiseöl.

Aber auch in größeren Maßstäben hat sich in den vergangenen Jahren etwas getan: Der Dubai Recycling Park in der Industrial City ist im März 2009 fertig gestellt worden. Das Projekt hat 150 Millionen Dollar gekostet. Vorbild war das Lippewerk der Remondis AG, das größte Kreislaufwirtschaftszentrum Europas. Heute werden auf dem 15 Hektar großen Standort in Dubai Festmüll, Papier und Plastik recycelt.

Im Dezember 2008 wurde zudem eine Aufbereitungsanlage für Krankenhausmüll für 15 Millionen Dollar errichtet. Sie fasst täglich 20 Tonnen Spezialmüll. Ein größeres Projekt befindet sich im Bundesstaat Sharjah, der zu den ärmeren Gebieten der VAE zählt. Die 136 Millionen US-Dollar teure Anlage soll 60 Prozent des Festmülls verwerten, etwa eine Million Tonnen Abfall im Jahr. Recycelt werden Aluminium, Plastik, Papier, Glas, Keramik, Stahl und organische Abfälle.

Die Finanzkrise macht auch vor den VAE nicht halt. Lag die Wachstumsrate nach Angaben des Auswärtigen Amts 2008 bei 7,4 Prozent, erwartet Böll für 2009 einen Rückgang von 1,5 Prozent. Viele Kräne auf Baustellen stehen still. Die Zeitungen sind dick, aber nicht wegen der Werbung, sondern wegen der vielen Wohnungsanzeigen. Ganze Stadtviertel stehen leer. Das Geld wird offensichtlich knapper – aber noch immer werden große Projekte geplant.

Die VAE planen in den nächsten drei Jahren Projektausgaben von 600 Milliarden US-Dollar. Während in Dubai die Immobilienblase geplatzt ist, fängt Abu Dhabi mit dem Bauen riesiger neuer Stadtgebiete erst richtig an. Auf Platz 5 der aktuellen Top Ten findet sich die 22 Milliarden US-Dollar teure „Masdar City“ in der Nähe von Abu Dhabi. In der Stadt sollen Autos verboten sein. Der komplette Abfall der Stadt soll in Energie umgewandelt werden. Schon jetzt preisen die Projektleiter Masdar City als zukünftige erste „zero-waste city“ (Null-Abfall-Stadt) der Welt an.

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