Von Mareike Kuhn
So schnell kann es manchmal gehen: „Die Verhandlung mit der Stadt Linz und der Nachbargemeinde war nach drei Stunden abgeschlossen“, erzählt Gerd Mauschitz, Professor für Technische Chemie an der Technischen Universität Wien, auf der „Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz“ Ende Januar. „Davon können viele deutsche Bauer und Betreiber von thermischen Abfallverbrennungsanlagen nur träumen.“
Was da recht zügig verhandelt wurde, war die Umweltverträglichkeitsprüfung der Abfallverbrennungsanlage im Linzer Industrieviertel. Dieser Standort liegt mitten in einem Bezirk, der nach dem Immissionsgesetz Luft als Sanierungsgebiet für Luftschadstoffe ausgewiesen ist. Da die Anlage voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2011 offiziell den Betrieb aufnehmen wird, muss sie auch die dann schärferen Anforderungen der neuen EU-Luftqualitätsrichtlinie (EU-Richtlinie 2008/50/EG) erfüllen.
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Bisher gilt in Österreich noch das Irrelevanzprinzip, um neue industrielle Anlagen in diesen Gebieten errichten zu können. Demzufolge ist eine Zusatzbelastung der Immissionsverhältnisse zulässig, wenn die Belastung in vernachlässigbarer Größenordnung liegt. „Dieses Prinzip ermöglicht zwar eine abfallwirtschaftliche Entwicklung durch neue Anlagen, führt allerdings nicht zu einer Verbesserung der Luftqualität“, so Mauschitz. Die Grenzwerte werden nun durch die neuen Richtlinien verschärft.
Zusätzliche Kapazitäten müssen her
Die Anlage der Linz Strom GmbH ist nicht die einzige, die in diesem Jahr in Sanierungsgebieten errichtet wird. In Österreich scheint ein regelrechter Bauboom zu herrschen. Seit Jahresbeginn dürfen nur noch ausreichend vorbehandelte Abfälle mit geringen organischen Anteilen abgelagert werden – somit unter anderem auch kein Altholz, keine Kunststoffabfälle und kein Klärschlamm mehr.
Die daraus resultierenden Deponierungsverbote machen es notwendig, zusätzliche Kapazitäten bei der Reststoffverwertung zu schaffen. Mauschitz rechnet mit mindestens 750.000 Tonnen zusätzlicher Entsorgungskapazitäten, die in diesem Jahr geschaffen werden müssten. Derzeit werden in Österreich rund 190 Anlagen zur thermischen Behandlung von Abfällen mit einer Gesamtkapazität von etwa 2,7 Millionen Tonnen im Jahr betrieben. In der Mehrzahl dieser Anlagen werden nur Abfälle verbrannt, die innerhalb des eigenen Betriebes anfallen.
Mehr als zehn Anlagen nehmen gefährliche Abfälle an. Einer Studie des österreichischen Umweltbundesamt aus dem Jahr 2006 zufolge landet mengenmäßig der größte Anteil gefährlicher Abfälle im Werk Simmeringer Haide, das von der Fernwärme Wien GmbH betrieben wird.
Gemäß dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan von 2006 beläuft sich das gesamte Abfallaufkommen auf über 54 Millionen Tonnen pro Jahr – mit rund einer Million Tonnen macht der Anteil an gefährlichen Abfällen rund zwei Prozent aus.
Direkte Nachbarn in Industrieparks
Viele der geplanten, genehmigten und sich bereits in Bau befindlichen Abfallverbrennungsanlagen werden in den kommenden Monaten und Jahren in unmittelbarer Nähe von Wirtschafts- und Energieparks entstehen. Die hier angesiedelten Industriebetriebe können ihre produktionsspezifischen Abfälle wie zum Beispiel Klärschlamm praktisch gleich beim Nachbarn entsorgen und werden mit Strom und Wärme versorgt.
So soll die Anlage im Linzer Industriegebiet nach Angaben des Betreibers etwa 120.000 Tonnen sortierte, heizwertreiche Reststoffe sowie Klärschlamm verbrennen. Die Abwärme aus der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) soll in das Linzer Fernwärmenetz eingespeist werden. In den Sommermonaten soll die Turbine im Kondensationsbetrieb betrieben werden.
In eine KWK-Anlage investiert auch die RVH Reststoffverwertung GmbH im grenzüberschreitenden Energiepark Heiligenkreuz und nimmt dafür 115 Millionen Euro in die Hand. Der Baubeginn ist noch für dieses Jahr geplant, im Jahr 2011 soll der Betrieb offiziell aufgenommen werden. Die Wirbelschichtanlage soll durchschnittlich 250.000 Tonnen heizwertreiche Abfälle im Jahr verbrennen – das sei jedoch vom Heizwert abhängig, wie die RVH betont.
Neben extern aufbereiteten Ersatzbrennstoffen will der Altpapieraufbereiter Mayr-Melnhof Karton Gesellschaft hauptsächlich die im eigenen Betrieb anfallenden Reststoffe in seiner Abfallverbrennungsanlage verwerten. Die KWK-Anlage soll ab Ende dieses Jahres, Anfang kommenden Jahres den Betrieb aufnehmen und 380.000 Tonnen bei niedrigstmöglichem Heizwert durchsetzen.
Aber nicht nur für Abfälle im gewerblichen Bereich werden in naher Zukunft Verbrennungskapazitäten geschaffen. Derzeit wird die thermische Abfallbehandlungsanlage für Hausmüll im niederösterreichischen Dürnrohr erweitert. Die vor fünf Jahren gebaute Anlage ist nach Angaben der Abfallverwertung Nieder-
österreich die größte in Österreich. Mit der geplanten dritten Linie werde sich demnach der Durchsatz von 300.000 auf 525.000 Tonnen im Jahr erhöhen. 90 Prozent des Abfalls werden Unternehmensangaben zufolge per Bahn angeliefert, nur 10 Prozent mit Lkw.
A.S.A. investiert 90 Millionen Euro
Nur eine gute Autostunde von Dürnrohr entfernt baut das Schweizer Unternehmen Von Roll Inova eine Abfallverbrennungsanlage. Der Genehmigungsbescheid für diese Anlage liegt seit 2000 vor, allerdings wurde das Bauvorhaben lange Zeit nicht in Angriff genommen, bis die A.S.A Abfall Service GmbH als neuer Eigentümer auftrat. Rund 90 Millionen Euro investiert A.S.A. in die Anlage. Ab diesem Jahr sollen den Angaben des Unternehmens zufolge rund 120.000 Tonnen Siedlungsabfälle und dazu 10.000 Tonnen Klärschlamm jährlich thermisch verwertet werden.
Mit den sich derzeit in Bau befindlichen und geplanten Abfallverbrennungsanlagen werden in den kommenden ein bis zwei Jahren insgesamt etwa 1,4 Millionen Tonnen zusätzliche Kapazitäten geschaffen, schätzt das Wiener Umweltbundesamt. Damit wird es voraussichtlich nicht zu den in den Jahren zuvor befürchteten 400.000 bis 1,5 Millionen Tonnen fehlenden Verbrennungskapazitäten kommen.