Herr van Kalkeren, es gibt viele Anbieter kompletter Servicesysteme. Was unterscheidet das European Advanced Recycling Network (EARN) von diesen?
VAN KALKEREN: EARN bietet sämtliche WEEE-bezogenen Dienstleistungen in fast allen europäischen Ländern an. Diese Dienstleistungen werden zentral gemanagt, doch zugleich gibt es lokale Ansprechpartner. Die Tatsache, dass die meisten unserer Recyclingpartner (Coolrec, Stena, Indumetal, Electrocycling) Anteilseigner sind, garantiert eine beständige Qualität, kurze Kommunikationswege und Flexibilität bei der Ausweitung oder Änderung von Abläufen.
Wir beobachten darüber hinaus die rechtlichen Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene, versorgen unsere Kunden mit Gratis-Updates und beraten sie bei der Umsetzung.
Foto: EARN
Welche Dienstleistungen zählen dazu?
VAN KALKEREN: Wir wissen nur zu gut, dass unsere Kunden sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren müssen, anstatt sich mit WEEE-Problemen zu beschäftigen. Unser Ziel besteht darin, dem Kunden dabei zu helfen, weniger Zeit für die Einhaltung nationaler WEEE-Gesetzgebungen aufzuwenden. Deshalb bieten wir Management-Services an, zu denen die Registrierung in den einzelnen Ländern, die Berichterstattung nach den nationalen Vorschriften und die Koordination des kompletten operativen Prozesses zählen. All dies läuft über eine einzige Kontaktstelle, ganz gleich, für wie viele Länder der Kunde einen Vertrag abgeschlossen hat.
Wir bieten zudem die Logistik und schließlich die Aufbereitung an, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Materialrecycling liegt. Daneben gehört auch die Entsorgung zurückgenommener Geräte (Asset Recovery) zu unserem Programm. Da sich unsere Kunden überdies mit Auflagen für Batterien und Verpackungen konfrontiert sehen, bieten wir auch Dienstleistungen in diesen Bereichen an.
Mit welchen Hindernissen sehen sich Unternehmen durch WEEE konfrontiert?
VAN KALKEREN: Das EARN-Netzwerk arbeitet mit mehr als 30 Aufbereitungsanlagen in Europa. Auf diese Weise bieten wir unseren Kunden eine Recycling-Lösung im jeweiligen Land an und reduzieren die grenzüberschreitenden WEEE-Transporte. Einige kleinere Länder verfügen noch nicht über eine Recycling-Infrastruktur und werden deshalb durch die nächstgelegene Anlage im EARN-Netzwerk erfasst.
Die Hindernisse, welche uns an der WEEE-Gesetzgebung auffallen, decken sich mit den Erfahrungen unserer Kunden. Es gab keine harmonisierte Implementierung, was nicht nur zu inhaltlichen Unterschieden in der nationalen Gesetzgebung führt, sondern auch unterschiedliche Wege bei der Registrierung, den Finanzstrukturen, logistischen Lösungen etc. erfordert. Andererseits bietet uns diese Komplexität auch die Chance, den Gesamtüberblick zu bewahren, unsere Dienstleistungen danach auszurichten und sie dem Markt anzubieten.
Die Hälfte des E-Schrotts verschwindet noch immer in dunklen Kanälen. Ist WEEE damit eigentlich nicht gescheitert?
VAN KALKEREN: Abgesehen von unserem wirtschaftlichen Interesse an einer erfolgreichen WEEE-Gesetzgebung halten wir es für verfrüht, hier von einem Scheitern zu sprechen. Es ist noch immer ein junger Markt, dessen Akteure sich erst noch in ihre Rollen einfinden müssen. Zu diesen Akteuren zählen die Regierungen – und ich denke, jetzt liegt es an denen, die Einhaltung der Vorschriften durch Produzenten und Dienstleister zu überwachen.
Die Produzenten müssen jedoch auch selber kritisch sein und ihre Verantwortung ernst nehmen. Sie sollten nicht bloß einen Vertrag unterzeichnen, sondern genau prüfen, was mit ihren Abfallprodukten passieren wird. EARN betrachtet den Markenschutz als einen der wichtigsten Werte überhaupt. Auch aus diesem Grund werden unsere Anlagen regelmäßig durch uns selbst sowie unsere Kunden überprüft.
Sind die in der WEEE-Direktive verlangten Sammel- und Recyclingquoten nicht utopisch?
VAN KALKEREN: Ich denke, die Praxis zeigt, dass die aktuellen Quoten nicht utopisch sind. Andererseits: Ja, ich finde, dass die neuen Anforderungen zu ambitioniert sind. Ein harmonisierterer Ansatz und eine stärkere Kontrolle der derzeitigen Vorgaben wären mir lieber als neue Anforderungen, die so unrealistisch sind, dass sie sogar demotivierend wirken könnten.
Reine Quoten ohne eine geeignete Methode, den Effekt verschiedener Recycling-prozesse und -bereiche zu kalkulieren, zeigen nicht, was mit dem Material passiert. Darüber hinaus ist eine Erhöhung der Quoten um 5 Prozent, um die Wiederverwendung einzubeziehen, ein falscher Ansatz. Die Wiederverwendung ist relevant, bevor EEE zu Abfall wird.
Eine Regulierung wird die Wiederverwendung nicht fördern – einzig finanzielle Anreize können dies befördern. Wenn es keinen Markt für ein Produkt gibt, helfen solche halbherzigen Ansätze sicher nicht dabei, einen zu schaffen.
Herr van Kalkeren, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Mareike Kuhn.
Lesen Sie mehr zur WEEE-Problematik und über den International Electronics Recycling Congress, der im Januar in Salzburg stattgefunden hat, in der aktuellen Ausgabe des RECYCLING magazins.