Laut „Frontal 21“ sollen noch bis Ende voriger Woche täglich Dutzende Schwertransporter aus vielen Teilen Deutschlands in der Tongrube Vehlitz Müll abkippt haben. Bei einem Großteil soll es sich nach Einschätzungen von Experten um organischen Abfall mit hohem Kunststoffanteil handeln, vermutlich klein geshredderter Haus- und Gewerbemüll.
Das Verfüllen von Tongruben mit diesem Material ist jedoch spätestens mit dem so genannte „Tongruben-Urteil“ des Bundesverwaltungsgerichts vom April 2005 verboten. Danach ist die Rekultivierung von Tongruben mit organischen Haus- und Gewerbeabfällen nicht mehr erlaubt, weil dadurch die Gefahr der Boden- und Grundwasserverunreinigung besteht. In eine Tongrube, die verfüllt werden soll, dürfe im wesentlichen nur mineralisches Material eingebaut werden, zum Beispiel Bauschutt.
Organische Haus- und Gewerbeabfälle gehören im Normalfall in eine Verbrennungsanlage, erklärte der Gutachter Prof. Lothar Ebner der Staatsanwaltschaft Potsdam, die im Brandenburger Müllskandal derzeit ermittelt. Eine Verfüllung von Tongruben ist nach dem Bodenschutzgesetz mit diesem Material nicht zulässig.
Sachsen-Anhalts Umweltministerin Petra Wernicke (CDU) räumte bei den Recherchen von „Frontal 21“ Fehler ein. Nachdem das Landesamt für Umweltschutz festgestellt hat, dass in der Tongrube tatsächlich gegen geltendes Recht verstoßen worden ist, habe sie beim für die Bergaufsicht zuständigen Wirtschaftsministerium umgehend die Stillegung der Grube gefordert, bislang allerdings erfolglos.
Die für die Tongrube in Vehlitz zuständige Staatsanwaltschaft in Stendal hat unterdessen Ermittlungen wegen des Verdachts der illegalen Müllentsorgung aufgenommen. Deren Betreiber, die Sportenbach Ziegelei GmbH, wies gegen „Frontal 21“ alle Vorwürfe zurück. Es werde kein klein geshredderter Haus- und Gewerbemüll in der Tongrube Vehlitz deponiert, sondern lediglich genehmigte Abfälle aus mechanisch-biologischen Abfallaufbereitungsanlagen.
In einer Stellungnahme des Anwalts der Sportenbach Ziegelei GmbH wird zudem auf eine vorliegende „Sonderbetriebszulassung“ vom März 2003 hingewiesen.
Laut Umweltministerin Petra Wernicke hätte diese Sondergenehmigung längst durch das Landesamt für Geologie und Bergwesen, das dem Wirtschaftsministerium untersteht, widerrufen werden müssen.
Der in die Kritik geratene Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) wollte sich auf Anfrage des RECYCLING magazins zu den Vorwürfen zunächst nicht äußern. Um 14 Uhr gab er seinem Pressesprecher jedoch grünes Licht für eine Pressemitteilung.
Danach wird der Präsident des Landesamtes für Geologie und Bergwesen (LAGB), Armin Forker, mit sofortiger Wirkung von seinem Amt entbunden. Außerdem wurde unter der Leitung des Staatssekretärs Thomas Pleye eine Ermittelungskommission eingerichtet, die den Vorfall rund um die Tongrube Vehlitz lückenlos aufklären soll.
Laut dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe (bvse), Eric Rehbock, ist schon seit längerem bekannt, dass große Mengen Abfälle unvorbehandelt im Tagebau oder in Tongruben abgelagert werden. Der bvse habe die Umweltministerien der Bundesländer und des Bundes schon seit längerem auf dieses große Problem hingeweisen.
Erst nach und nach würde, so Rehbock, jetzt aufgedeckt, dass systematisch bestehendes Recht verletzt wird, um die Vorbehandlung von Abfällen zu umgehen. Der bvse-Geschäftsführer verweist in diesem Zusammenhang auf die vorbildliche Handhabung dieser Problematik in Brandenburg. Dort habe das zuständige Landesbergamt systematische und wirkungsvolle Kontrollen durchgeführt.
„Im Vertrauen auf die gesetzlichen Vorgaben des Vorbehandlungsgebotes für Abfälle in 2005 wurden sinnvolle Investitionen in die Herstellung hochwertiger Ersatzbrennstoffe getätigt,“ erklärte Herbert Roth, Vizepräsident des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung. Roth: „Durch diese halblegalen und illegalen Praktiken werden hohe Investitionen in Frage gestellt. Wenn die Anlagen nicht ausgelastet sind, wird uns die wirtschaftliche Grundlage genommen und im schlimmsten Fall der Umwelt großer Schaden zugefügt.“