Die Stadt Bern steht vor schwierigen Verhandlungen mit Großverteilern über die Kosten der Abfallentsorgung. Wie die schweizerische Zeitung „Der Bund“ vor kurzem berichtete, steht die Abfallbehörde vor der heiklen Frage: Arbeiten Coop und Migros ökologisch?
Die Besitzverhältnisse in der Abfallentsorgung sind laut dem Bericht klar: Verpackung gehört dem Kunden. Die Umhüllung verliert allerdings nach Herausnahme des Inhalts rasch an Wert, wird dem Besitzer lästig und landet als bald im Abfallkübel oder – wenn dieser voll ist – auf der Straße. Und schon hat das Gemeinwesen ein Littering-Problem.
In das sieht in Bern so aus: In der Innenstadt stehen 35 Angestellte der Straßenreinigung von 4 bis 18.30 Uhr zwecks Entsorgung von Abfall, herrenloser Gebinde und Verpackungen im Einsatz. Um die Kosten zu decken, fordert die Behörde von Großverteilern, Take-away-Küchen und Läden mit großem Publikumsverkehr eine erhöhte Abfallgrundgebühr.
Mehrere Detailhandelsunternehmen und Bern City wollen die Taxierung laut dem Zeitungsbericht auf dem Rechtsweg anfechten. Die Großverteiler machen geltend, sie stellten für ihre Kundschaft eigene Sammelinfrastrukturen bereit.
„Der Detailhandel engagiert sich auf allen Ebenen, um Abfall zu vermeiden und Verpackungen zu optimieren“, lautet die Begründung der gemeinsamen Einsprache. Das freiwillige Engagement privater Entsorger werde nun von der Stadtbehörde durch höhere Gebühren bestraft.
In der Tat haben die Großverteiler ihre Entsorgungssysteme in den letzten Jahren laut dem Zeitungsbericht laufend ausgebaut; allerdings enden ihre Dienstleistungen in der Regel an der Ladentür. Kunden und Kundinnen soll zwar die Möglichkeit offen stehen, Verpackungsmaterial gleich hinter der Kasse im Abfallkübel des Warenhauses zu entsorgen. Doch nur wenige machen davon Gebrauch: Manchmal stehen die Abfallkübel abseits des Kundenstroms oder sie verfügen über einen Klappverschluss mit entsorgungshemmender Wirkung.
Während das Aufstellen von Abfallkübeln im Innern der Warenhäuser auf Freiwilligkeit beruht, sind die Detailhandelsunternehmen zur Rücknahme von PET, Glas, Batterien, Filterkartuschen, Elektro- und Elektronikgeräten verpflichtet. Auf diverse Stoffe werden laut dem Zeitungsbericht vorgezogene Recyclinggebühren erhoben.
So soll Migros Schweiz in ihren Filialen nach eigenen Angaben „das größte Rücknahmesystem für Leergebinde und ausgediente Produkte im ganzen Detailhandel betreiben“. Jährlich nehme Migros 13.000 Tonnen Kundenabfälle zurück, schreibt der Großverteiler. Zudem will Migros gemäß den WWF-Klimazielen den CO2-Ausstoss bis 2010 um 16 Prozent reduzieren.
Auch der Großverteiler Coop, der zusammen mit Migros Front gegen die neue städtische Abfallgebühr macht, soll sich laut dem Zeitungsbericht der Nachhaltigkeit verpflichtet haben und soll mit WWF Schweiz eine Partnerschaft eingegangen haben. Dies sei laut Coop die erste Umweltschutz-Partnerschaft dieser Größenordnung in der Schweiz.
Nebst CO2-Reduktionszielen, Bezug von Ökostrom, Verlagerung von Transporten auf die Bahn und verantwortungsvoll produzierten Produkten umfasst die Liste auch Recyclingziele und Investitionen in Anti-Littering-Maßnahmen von jährlich mehr als 9 Millionen Franken. So soll Coop in den Verkaufsstellen im letzten Jahr beispielsweise 7.700 Tonnen PET-Flaschen gesammelt haben und das Unternehmen soll mit einer Recyclingquote von 78 Prozent über dem nationalen Durchschnitt gelegen haben.
PET-Sammlung defizitär
Mit einer Gebühr von 1,8 Rappen pro Flasche sei die PET-Sammlung für Großverteiler nicht kostendeckend, sagt der Geschäftsführer von PET-Recycling Schweiz, René Herzog gegenüber der Zeitung. Gemäß der Verordnung über Getränkeverpackungen sind die Großverteiler zur PET-Sammlung verpflichtet; auch Denner und Aldi sollen dabei sein.
Herzog, der auch im Vorstand der Dachorganisation Swiss Recycling ist, weiß um die Bequemlichkeit der Verbraucher: Damit Recycling funktioniere, „muss die Sammlung am Ort des Konsums stattfinden“. Die parallelen Sammelstrukturen von Kommunen und Privaten haben sich laut Herzog historisch entwickelt. Es gibt allerdings auch kleine Detailhandelsunternehmen, deren Angebot in der Abfallvermeidung und -entsorgung über das Vorgeschriebene hinausgeht.
Die städtische Abfallentsorgung soll sich laut dem Zeitungsbericht in dem Rechtsstreit um die Gebührenerhebung auf ein Schreiben des kantonalen Amts für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft berufen: Bei den Kosten für die Entsorgung von Siedlungsabfall aus dem öffentlichen Raum, insbesondere die Leerung von öffentlichen Abfallbehältern, „handelt es sich eindeutig um Kosten der Abfallentsorgung“, beschied das Amt. Es liege in der Natur der Sache, dass diese Kosten über die Grundgebühren finanziert werden müssten, so das Amt gegenüber der Zeitung.