Hurst kritisiert vor allem, dass der Gutachter von einem „zu weit verstandenen Begriff der Daseinsvorsorge“ ausgeht. So heißt es dort beispielsweise, dass „die Bewirtschaftung von Abfällen gleich welcher Art als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ zu verstehen sei. Diese unangemessen weite Auslegung sei geeignet, so Hurst, zum Beispiel die Altpapiersammlung unter die Daseinsvorsorge fallen zu lassen und so den Zugriff der Kommunen zu sichern.
Damit würden jedoch die historisch gewachsenen und belastbaren Strukturen der deutschen Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft zugunsten staatlichen Wirtschaftens in Frage gestellt. Mit dieser weiten Auslegung könnte die Verstaatlichung ganzer Branchen, beispielsweise der Versorgungsbranche, begründet werden könnte. Ein solches Verständnis von staatlichem Handeln sei nicht zeitgemäß und würde zudem Deutschland auch in der EU völlig isolieren.
Nicht nachvollziehbar sei zudem, dass das Gutachten die Erfüllung der Getrennt-sammelverpflichtungen aus der Abfallrahmenrichtlinie gefährdet sieht. Gewerbliche Sammlungen hätten in Deutschland seit Jahrzehnten Tradition. Daran ändere auch der dramatische Verfall der Rohstoffpreise nichts, der ohnehin eine absolute Aus-nahmekonstellation darstelle. Die private Sammelstruktur sei weiterhin intakt, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes.
Die bvse-Justiziarin wendet sich zudem gegen die im Gutachten vertretene Auffas-sung, dass ein Grundrechtseingriff in das Recht auf freie Berufsausübung der Ent-sorger zu rechtfertigen wäre. Als Grund nennt das Gutachten Belange des Umwelt-schutzes und argumentiert, dass die Wertstoffe aus privaten Haushaltungen erfor-derlich seien, um eine funktionserhaltende Auslastung der Müllverbrennungsanlagen zu sichern. Auch werde die Befürchtung angeführt, sie würden ohne sie wild abgelagert. Hurst kritisiert den völlig falschen Ansatz dieser Argumentation, weil gerade Wertstoffe nicht in die Verbrennung, sondern in ein hochwertiges stoffliches Recycling gingen. Dass diese Wertstoffe wild abgelagert werden könnten, sei von daher fern jeder Realität.
Schützenhilfe erhält der bvse in dieser Einschätzung von Rechtsanwalt Olaf Konzak, nach dessen Aussage das Gutachten von einer „falschen Grundannahme“ ausgeht. So werde beispielsweise bei der Bewertung der Rechtsprechung zu den gewerblichen Sammlungen davon ausgegangen, dass diese die vom Gesetzgeber geforderte Abwägung zwischen gewerblichen und kommunalen Interessen leer laufen lasse.
Konzak hält diese Auffassung für unzutreffend. „Durch die Rechtsprechung läuft doch nicht eine vom Gesetzgeber vorausgesetzte Interessenabwägung leer. Der Gesetzgeber des KrW-/AbfG wollte ausdrücklich eine verstärkte Privatisierung der Abfallwirtschaft. Nur diesem Grundanliegen tragen die Gerichte jetzt Rechung“, führt Konzak weiter aus.
In seiner Bewertung kommt der bvse zu dem Schluss, dass das vorliegende Gutach-ten die vom deutschen Gesetzgeber gewünschte Aufgabenverteilung und die wirt-schaftlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verwerter-Branche nicht annä-hernd ausreichend berücksichtigt hat. Allerdings enthalte es durchaus auch diskus-sionswürdige Ansätze, die es sinnvoll weiterzuführen gelte.
„Der bvse wird sich daher konstruktiv in den bevorstehenden Diskussionsprozess einbringen. Dabei muss klar sein, dass wir zwar nicht einer kompletten Liberalisie-rung das Wort reden, aber andererseits die private Recycling- und Entsorgungswirt-schaft ihre Kompetenz unter Beweis gestellt hat und sich nicht durch gesetzliche Eingriffe ausgesperrt sehen will. Wir wollen eine zukunftssichere Fortentwicklung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und eine faire Partnerschaft zwischen Kom-munen und Wirtschaft. Eine einseitige rechtliche Privilegierung der kommunalen Seite und damit eine Rolle rückwärts in längst überwunden geglaubte Zeiten lehnen wir hingegen strikt ab“, betont bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock.