Zwist um Regulierung des Schrottmarktes in der Ukraine

Vor einer Beseitigung der Marktzugangsbarrieren steht die ukrainische Schrottwirtschaft. Dies jedenfalls bezweckt der Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Lizenzvergabewesen, den Präsident Wiktor Juschtschenko Anfang März 2008 der Obersten Rada - dem Einkammer-Parlament der Ukraine - zugeleitet hat.

Das Sammeln, Sortieren, Aufbereiten, Befördern und Verarbeiten von Stahl- und NE-Metallschrott soll als Form wirtschaftlicher Tätigkeit künftig ohne eine Betriebslizenz möglich sein. Gegner der Gesetzesnovelle befürchten laut Dow Jones chaotische Zustände am Markt. Wolodymyr Pykowsky, stellvertretender Direktor der Staatsagentur für Außenwirtschaftsinformation (DershSownischInform), Kiew, befürchtet eine „Deformierung der ukrainischen Schrottwirtschaft und deren Rückentwicklung in ähnlich chaotische Verhältnisse, wie sie noch vor etwa zehn Jahren bestanden hatten“.
Es würde erneut zu zahlreichen Einstiegen von Quasi-Unternehmen in den Markt kommen: von bloßen Käufern und Wiederverkäufern von Altmetall ohne Stahlschrott-Shredderanlagen, ohne Schrottscheren und -pressen, ohne Lkw und Transportgefäße,
ohne irgendwelche sonstige Ausrüstungen, sowie von Hehlern gestohlener Ware. Der seriöse, mit Prozess-Technologien arbeitende Sektor der Schrottwirtschaft würde in großem Ausmaß Marktanteile einbüßen.

Wird der Schrottmarkt monopolisiert?

Eine ähnliche Ansicht vertritt Natalija Korolewska, Vorsitzende des Komitees
der Obersten Rada für Fragen der Industrie, der Regulierungspolitik und der Unternehmertätigkeit. Einerseits würde der Prozess der Unternehmenskonzentration
beschleunigt und der Schrotthandel von einigen wenigen Großbetrieben monopolisiert.
Andererseits geriete der Markt, auf dem sich schon jetzt viele kriminelle
Elemente tummelten, vollends außer Kontrolle.
Heute müsse ein schwerwiegend gegen Gesetze verstoßender Schrotthändler und -verwerter mit Lizenzentzug rechnen. Entfiele dieses abschreckende Moment, so sähen die „Mitspieler“ am Markt kaum mehr Gründe, nach Recht und Gesetz zu arbeiten,
Umweltvorschriften einzuhalten und so weiter. Dabei müsse gesehen werden, dass in der „legalen“ ukrainischen Schrottwirtschaft von einer Arbeit nach europäischen Normen und Standards bislang keine Rede sein könne.

Es entbehrt nicht der Pikanterie, dass die Unterschrift Juschtschenkos unter einer Novelle zum Gesetz „Über Metallschrott“ steht, mit deren Verabschiedung vor Jahresfrist, im Mai 2007, das Lizenzvergabe-Regime in der Schrottwirtschaft restriktiver geregelt worden war. Betriebserlaubnisse können danach nur mehr solche Firmen erhalten, die selbst über Maschinen und Anlagen für das Sortieren,
Aufbereiten, Wiegen und Bewegen von Schrott verfügen. Darüber hinaus müssen die Firmen für Feuer-, Explosions- und Strahlungssicherheit an den Schrottsammelplätzen sorgen. Hieran knüpfen sich Mutmaßungen, dass hinter der jetzigen Gesetzesinitiative
des Präsidenten die Lobby der Schrottwirtschaft steht – oder jedenfalls desjenigen Teils derselben, der den Vorschriften der Gesetzesnovelle vom Mai 2007 nicht genügt.
Am Markt sind auch einige große Schrotthandelsfirmen, die über keine eigenen
Sammel- und Aufbereitungskapazitäten verfügen.

Teurer Schutz vor Diebstählen

Der Anteil von Schrott an den Produktionskosten der ukrainischen Stahlwerke und Eisengießereien liegt einer Schätzung zufolge je nach dem, ob es sich zum Beispiel um die Erzeugung von Stahl in Spitzenqualitäten in Konvertern der integrierten Hütten
handelt oder um die Erzeugung von Grundstählen in Elektrostahlwerken, zwischen 8 Prozent und 15 Prozent. Diesen Angaben liegen die Schrottpreise von Anfang März 2008 zugrunde. Auf dem ukrainischen Binnenmarkt ist der durchschnittliche Preis für Handelsschrott von 180 US-Dollar pro Tonne (März 2007) binnen Jahresfrist auf 400 US-Dollar gestiegen. Infolge der Preis-Hausse konnte die Schrottwirtschaft eine erhebliche Heraufsetzung der Eisenbahngütertarife für Sekundärmetalle, zu der es
Anfang 2007 gekommen war, verkraften. Die Bahn begründete ihren Preisschritt
unter anderem mit den Kosten des Einsatzes von bewaffneten Zugbegleitern,
welche neuerdings wegen der um sich greifenden Altmetall-Diebstähle mitreisen.
Die oberste Schrott-Lage in den Eisenbahngüterwagen muss jetzt laut einer Dienstanweisung aus paketierten, mindestens 500 kg schweren Transportgebinden bestehen. In der ukrainischen Schrottwirtschaft herrscht jedoch eklatanter Mangel
an den dazu erforderlichen Schrottpaketierpressen.

Nur einige wenige Betriebe für das Sekundärmetall-Recycling wie KyiwWtorMet (Kiew)
und DniproWtorMet (Dnipropetrowsk) verfügen über derartige Technik. Die GUS-Hersteller von Schrottpressen – die Betriebe „PressMasch“ (Odessa) und DonPressMasch (Asow, Oblast Rostow am Don, Russische Föderation) – sind nur für das Paketieren von
Schrott in Packungsgrößen bis 250 kg ausgelegt. Der ukrainische Pressen-Hersteller DniproPress baut zwar weit schwerere Schrottpressen, ist aber mit Aufträgen aus der Stahlindustrie voll ausgelastet und nimmt zurzeit keine Bestellorders von Betrieben der Altmetall-Recycling-Branche an.

Gebrauchte Maschinen aus Deutschland als Notlösung

Einige große Stahl-Kombinate halten eine eigene Beschaffungs-Infrastruktur für Schrott vor. Den Recycling-Betrieben fehlt es meist ohnehin an finanziellen Mitteln, um fabrikneue Pressen zu erwerben. Sie behelfen sich stattdessen überwiegend mit
gebrauchten rekonditionierten Pressen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern. Nach Angaben des führenden Schrottverwerters der Ukraine, des Branchenkonzerns für Sekundärmetalle UkrWtorMet, haben seine 345 angeschlossenen,
im Altmetall-Recycling tätigen Firmen im Jahre 2007 insgesamt 7.025.000 Tonnen Schrott an die Eisen- und Stahlmetallurgie des Landes geliefert.

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