Das ist das Ziel der Studie „Digitalisierung und natürliche Ressourcen“, die Ramboll Deutschland, Fraunhofer IAIS, Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung und das Deutsche Institut für Normung für das Umweltbundesamt durchgeführt haben.
Zum einen können digitale Technologien zu Effizienzsteigerungen in vielen Prozessen führen und damit Ressourcen schonen. Auf der anderen Seite nehmen die Technologien selber in hohem Maße Ressourcen in Anspruch. Es wird erwartet, dass der IT-Sektor 2030 für 21 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich sein wird. Auch der Bedarf an Kunststoffen und vor allem Metallen nimmt stetig zu. Zudem nimmt das Aufkommen an Elektroschrott stetig zu, während das Recycling weiterhin unzureichend ist. Es reiche daher nicht aus, die positiven Aspekte zu betrachten. „Vielmehr gilt es zu untersuchen, wie ressourcenintensiv der digitale Wandel selbst ist. Hierbei sind insbesondere Angaben zum absoluten Ressourcenbedarf bzw. zur Ressourcenintensität der Digitalisierung notwendig. Dies erfordert einen Perspektivwechsel: Statt einzelner Lösungen und Einsatzmöglichkeiten sowie relativer Veränderungen in der Ressourceninanspruchnahme müssen absolute und aggregierende Zahlen über Sektoren und Anwendungsbereiche im Blickpunkt stehen.“
Um konkreter zu werden, wurden insgesamt zehn Fallstudien durchgeführt. Der Fokus lag dabei auf digitalen Anwendungen bei Endanwendern.
Videokonferenz im Homeoffice
Vor allem während der Pandemie hat die Nutzung von Videokonferenzen stark zugenommen. Die Studie hat die Auswirkungen von einer Stunde Videokonferenz untersucht. Dabei wurde auch die Herstellung der Geräte berücksichtigt. Hier würden mineralische und fossile Rohstoffe 92 Prozent des Rohstoffbedarfs ausmachen. Insgesamt betrage der Primärrohstoffeinsatz etwa 116 g. Davon entfallen 86,2 Prozent auf die Herstellungsphase der Geräte. Einsparungen würden sich aus dem wegfallenden Arbeitsweg. Der CO₂-Fußabdruck einer einstündigen Videokonferenz betrage 70 g CO₂äq. Bei einer durchschnittlichen täglichen Pendelfahrt per Pkw sind es 4,86 CO₂äq.
Smart-Home-Systeme
Durch eine effiziente und nutzeroptimierte Steuerung von Haushaltsgeräten und Haustechnik könne Ressourcen gespart werden. Bis 2030 könnten so etwa die Primärenergieemissionen um 8 bis 9 Prozent gesenkt werden. Für das Fallbeispiel wurde ein Einfamilienhaus mit einem jährlichen Strombedarf von 4.000 kWh und einem jährlichen Heizbedarf von 36.000 Mj ausgewählt. Es wurde eine Nutzungsdauer von fünf Jahren betrachtet. Für eine tatsächliche Umweltentlastung müsse die durch das System eingesparte Energiemenge die Energiemenge übersteigen, die für die Herstellung und Nutzung des Systems verbraucht wird. Die Einsparpotenziale hängen laut Studie sehr stark von der Nutzungsdauer sowie dem Ressourcen- und Energiebedarf des Systems ab. Es seien aber kaum positive Effekte für eine Entlastung der Umwelt zu erkennen.
Digitale Medien
Digitale Medien spielen im Vergleich zu klassischen Medien eine sehr wichtige Rolle. Schon 2018 lag der tägliche Konsum weltweit bei 59 pro Kopf. Betrachtet wurden die Auswirkungen bei 30 Minuten. Der Rohstoffbedarf erscheint im Einzelfall nicht besonders hoch, allerdings tritt der betrachtete Anwendungsfall täglich millionenfach auf. Rechnet man es auf den wöchentlichen Bedarf hoch, ergibt sich ein Primärrohstoffeinsatz von etwa 20.771 Tonnen pro Woche. Dabei entfällt der wesentliche Teil des Rohstoffbedarfs auf die Produktionsphase der Geräte. Ein direkter Vergleich mit dem potenziellen Referenzszenario des Lesens von Printpublikationen sei zwar nicht möglich. Viele Ergebnisse würden aber darauf hindeuten, dass das Lesen digitaler Medien einen kleineren CO₂-Fußabdruck verursacht. Generell würden Rohstoffbedarf und Umweltfolgen stark von der Art des genutzten Endgeräts abhängen. Kleinere Geräte hätten grundsätzlich einen geringeren Rohstoffbedarf.
Online-Lebensmittelhandel
Ähnlich wie die Videokonferenzen hat auch der Online-Einkauf von Lebensmitteln mit Lieferung während der Pandemie deutlich zugenommen. In der Fallstudie wurde die Ressourcenintensität von Bestellung, Bereitstellung und Lieferung einer Online-Lebensmittelbestellung untersucht. Die Umweltbelastung hänge dabei im Wesentlich von der Ausgestaltung des Angebots ab. Die Studie sieht heute schon potenzielle Vorteile gegenüber dem stationären Lebensmittelhandel. Der Einsatz von Elektrofahrzeugen oder Lieferdrohnen könnte den Vorteil weiter ausbauen.
Carsharing
Der Verkehrssektor ist ein wesentlicher Verursacher von Treibhausgasemissionen und von Luftverschmutzungen in den Städten. Carsharing könnte zumindest zum Teil eine Lösung des Problems sein. Allerdings hätten bestehende Angebote bisher nicht in größerem Umfang zum Verzicht auf private Pkws geführt. Laut Studie gehen beim Carsharing die größten Umweltbelastungen vom Laden des Elektroautos aus. Andere Bereiche spielen kaum eine Rolle. Das Umweltentlastungspotenzial hänge also im Wesentlichen davon ab, mit welchem Strommix das Laden erfolgt. Da auch die Herstellung von Elektroautos ressourcenintensiv ist, werden die Ressourcen durch eine gemeinsame Nutzung effizienter genutzt. Allerdings müssten immer noch Anreize geschaffen werden, um die Autoflotte insgesamt zu verringern.
Kryptowährung
Kryptowährungen haben in den vergangenen Jahren deutlich an gesellschaftlicher Relevanz gewonnen. Durch die dezentrale Steuerung gelten Kryptowährungen als fälschungssicher. Problematisch sei allerdings der hohe Strombedarf. Zudem werden durch die speziellen Rechner große Mengen an Elektroschrott erzeugt. Insgesamt mache der Strombedarf den Hauptanteil am Ressourcenbedarf aus. Dies liege vor allem am geringen Anteil Erneuerbarer Energien. Das Umweltentlastungspotenzial von Bitcoin schätzt die Studie als gering ein.
C2C-Plattformen
C2C-Plattformen ermöglichen den Austausch zwischen Privatpersonen, meistens zum Verkauf von Neu- oder Gebrauchtwaren oder Dienstleistungen. Es werde deutlich, dass die Plattformen unter der Annahme eines umweltverträglichen Transports Ressourcen schonen. Schon bei wenigen Transportkilometern verschlechtere sich die Umweltwirkung. Zudem wirke sich der Energiebedarf für Datenübertragung und -speicherung in den Rechenzentren auf die Rohstoffbedarfs- und Umweltwirkungen aus.
E-Sport
Beim E-Sport geht es um Sportwettkämpfe mit Computer- und Videospielen. Weltweit gibt es laut Studie mehr als 2,4 Milliarden Spieler*innen. Die Fallstudie hat ein einstündiges E-Sport-Match von League of Legends untersucht. Berechnet wurden der Ressourcenaufwand sowohl für die Endgeräte als auch für den Energiebedarf bei der Datenbereitstellung und -übertragung. Mehr als 65 Prozent der Auswirkungen würden dabei auf die Nutzungsphase entfallen. Dies betreffe vor allem den Energiebedarf der Endgeräte der Spielenden. Mit energiesparenderen Geräten könnten die Umweltwirkungen reduziert werden. Die Studie betont, dass insgesamt die Datengrundlage noch gering ist.
Privater 3D-Druck
Es wurde die Herstellung aller Komponenten für einen Desktop-3D-Drucker und einer Filamentspule sowie die Nutzung des Druckers für einen Druckzyklus untersucht. Der Bedarf an Rohstoffen sei in etwa mit denen anderer elektronischer Alltagsgegenstände wie Mobiltelefonen, Fernsehern und Laptops vergleichbar. Es sei nicht mit einer expliziten Rohstoffverknappung zu rechnen.
Smartwatch
Schon jetzt werden Smartwatches in Deutschland in großem Umfang genutzt. Es ist zudem mit einem weiterhin starken Wachstum zu rechnen. Grundsätzlich könne Smartwatches kein direktes Umweltentlastungspotenzial zugeschrieben werden. Wesentlicher Faktor ist die Nutzungsphase durch den Energiebedarf für die Datenspeicherung. Allerdings sei dieser Parameter mit großen Unsicherheiten behaftet und müsse genauer untersucht werden.
Dynamisches Wachstum
Die Studie führt weiter aus, dass der gesamte Digitalisierungssektor in Deutschland in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Dies sei vor allem auf eine dynamische Entwicklung digitalisierungsrelevanter Dienstleistungen zurückzuführen. Bei der Hardware habe es einen Rückgang der heimischen Produktion gegeben. Hier spielen inzwischen Importe eine wichtige Rolle, vor allem aus Ostasien. Die Produktion von IKT-Gütern und -Dienstleistungen habe 2020 bei 280 Milliarden Euro gelegen. Güter und Dienstleistungen im Wert von 103 Milliarden Euro wurden importiert.
Für die Rohstoffintensität und die Treibhausgasemissionen sei die Nachfrage nach Hardware entscheidend. Mehr als 80 Prozent des Rohstoffkonsums in der Digitalisierung in Deutschland entfallen darauf. Insgesamt habe der Rohstoffverbrauch in diesem Bereich 2020 95,4 Millionen Tonnen betragen. Die Umweltauswirkungen würden aber im Wesentlichen in Asien auftreten.
Weitere Entwicklung
Für die weitere Entwicklung bei IKT-Gütern und -Dienstleistungen wird mit einer langfristig stabilen Dynamik gerechnet. Das globale Produktionsniveau soll von 2020 bis 2050 um mehr als 84 Prozent auf 15.050 Milliarden Euro ansteigen. Dabei wird erwartet, dass etwa zwei Drittel der Produktion auf China, Ostasien, Südostasien und die USA entfallen. Alleine für China wird ein Anstieg des Anteils an der Produktion von 27,6 auf 30,1 Prozent erwartet. Für Deutschland geht die Studie von einem Produktionswachstum von 19,2 Prozent aus. Damit verliere die Herstellung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen in Deutschland langfristig an globaler Bedeutung, bleibe aber mit einem Anteil von 2,2 Prozent an der gesamten Produktion dennoch relevant. Allerdings würden andere Weltregionen aufholen. Vor allem für Indien wird ein massives Wachstum erwartet.
Effizienzsteigerung
Durch einen zum Teil signifikant hohen Ressourceneinsatz haben digitale Geräte, Prozesse und Infrastrukturen ein hohes Umweltbelastungspotenzial. Daher sollte großer Wert auf Effizienzsteigerungen und die Minimierung des Ressourcenbedarfs gelegt werden. Dazu gehörten unter anderem effizientere Hardwarekomponenten, Alternativen für kritische Rohstoffe, die Optimierung von Recycling- und Rückgewinnungsprozessen und energieeffizientere Rechenzentren und Logistiksysteme. Grundsätzlich sei bei der Bewertung des Ressourcenbedarfs die unvollständige und uneinheitliche Datengrundlage ein Problem. „Eine zentrale Rolle bei der Reduzierung des Ressourcenbedarfs in der digitalen Welt sollten kreislaufwirtschaftliche Aspekte spielen“, heißt es in der Studie.