TecPart: Kunststoffverarbeiter in der Krise

Die rund 3.000 deutschen Kunststoffverarbeiter verlieren im ersten Halbjahr 2023 4,6 % ihres Umsatzes im Vergleich zum Vorjahr und liegen damit bei rund 38 Mrd. €.
TecPart-Geschäftsführer Michael Weigelt: Deutschland muss wieder wettbewerbsfähig werden. Copyright: TecPart e.V.

Der umsatzstärkste Bereich Bau verliert mit fast 11 % auf nunmehr 10,7 Mrd. € am stärksten, gefolgt von der Verpackung mit -5,9 % und den Konsumwaren -1,7 %. Gegen den Trend stemmt sich der beschäftigungsstärkste Bereich der Kunststoffverarbeitung, die technischen Teile, mit einem Plus von 3 % auf 10,7 Mrd. €. Die Beschäftigung konnte mit rund 323.000 Beschäftigten noch weitgehend stabil gehalten werden.

In den konsumnahen Bereichen wirken sich die noch immer hohe Inflation und die gestiegenen Zinsen auf die gesunkene Kauflaune aus. Diskussionen um das Heizungsgesetz und teilweise noch ausstehende Lohnerhöhungen haben in den privaten Haushalten zur Kaufzurückhaltung geführt. Zudem gab es in dem Bereich während der Pandemiejahre einige vorgezogene Investitionen in Haus und Garten, die nun fehlen.

Der Fahrzeugbau wächst gegen den Trend und erwartet laut VDA ein Wachstum gegenüber dem Vorjahr von plus 15 Prozent. In anderen Bereichen gibt es jedoch deutliche Anzeichen einer sich abschwächenden Konjunktur für das zweite Halbjahr. Die Auftragsbestände wichtiger Abnehmerbranchen wie die des Maschinenbaus, der Elektrobranche und im Bau sind weitgehend abgebaut und die Anschlussaufträge fehlen.

Diese Nachfrageschwäche trifft jetzt auf ein Überangebot an produzierten Kunststoffen. Dies drückt den Materialpreis der Originalware, ebenso den der daraus produzierten Produkte. Für die in der Kreislaufwirtschaft tätigen Kunststoffrecyclingunternehmen sind das ebenfalls keine guten Rahmenbedingungen. Sie sind gefordert, mit hohen Stromkosten und entsprechenden Qualitätsanforderungen im Wettbewerb zu bestehen. Das ist bei schlechteren Inputströmen (geringeres Kunststoffabfallaufkommen) und Preisen der Originalware, die unter den Rezyklaten liegt, wirtschaftlich nicht möglich.

Ein möglicher weiterer Rückgang der Industrieproduktion in der zweiten Jahreshälfte und die fortgesetzte Kaufzurückhaltung könnten dann das Geschäftsmodell der Recycler gefährden. Erstens, weil sich dadurch die Preise des Originalmaterials nicht erholen, und zweitens, weil mit weniger hochwertigem Kunststoffabfall es nicht möglich sein wird, wirtschaftlich hochwertige Rezyklate herzustellen.

Unterstützt wird die pessimistische Annahme dadurch, dass keiner der Sektoren der Kunststoffverarbeitung mit einer Verbesserung im kommenden Halbjahr rechnet. Gesamtwirtschaftlich ist nun eine Rezession nicht unwahrscheinlich. Wichtige Frühindikatoren wie die Bau- und Chemieindustrie melden seit Monaten rückläufige Umsätze und Orderzahlen. Auch der Maschinenbau sendet zuletzt deutliche Warnsignale.

Das Investitionsklima ist in Deutschland ob der derzeitigen Rahmenbedingungen schlecht und das Wirtschaftswachstum in der Welt nicht stark genug, dass die exportorientierte Wirtschaft in Deutschland dadurch Impulse erhalten könnte. Vielmehr ist das Gegenteil inzwischen zu beobachten. Der schon immer teure Standort verliert an Wettbewerbskraft durch die erneut verteuerten Energiepreise, gestiegene Lohnkosten und Zinsen, die wichtigen Wettbewerber, allen voran China, in eine bessere Ausgangslage bringen. So nahm der Anteil der deutschen Importe in die EU von 17,7 % auf 15,5 % ab, wohingegen die Importe aus China einer IW-Analyse im gleichen Zeitraum von 2000 bis 2022 von 2,5 auf 13 % stark zulegen konnten.

Die Debatte um einen „Brückenstrompreis“ für die Industrie wird seit Wochen geführt, ohne aber mit einer Entscheidung der Politik Planungssicherheit für die Unternehmen zu erzeugen. In den Unternehmen wird aber nicht gewartet, sondern jetzt entschieden, und die, die können erweitern in ihren ausländischen Werken, wie dies für 2022 durch das IW eindrucksvoll mit 132 Mrd. € Direktinvestitionsüberhang im Ausland belegt wurde.

Der Kunststoff verarbeitende Mittelstand hat hier oft das Nachsehen. Nicht zuletzt wegen dieser Rahmenbedingungen ist die Bereitschaft zum Verkauf des Familienunternehmens deutlich angestiegen und führt bereits jetzt zu einer Verschiebung hin von in Deutschland verwurzelten Unternehmen zu weltweit agierenden Playern, die diese deutsche Heimatverbundenheit nicht haben.

„Der Frust ist hoch“, berichtet Michael Weigelt, Geschäftsführer von TecPart – Verband technische Kunststoff-Produkte über die Stimmung bei den Kunststoffverarbeitern und den Recyclern. Der Eindruck ist, dass in Berlin viel geredet wird, die Handlungen aber ausbleiben. „Das Land muss wieder wettbewerbsfähig gemacht werden, und das Potenzial besser zu werden, ist vom derzeitig letzten Platz des IWF-Rankings doch außerordentlich vielversprechend.“

Handlungssfelder gibt es reichlich:

  • Der Industrie- oder Brückenstrompreis muss umgehend für die exportorientierte Industrie kommen, um global mit sauberer Produktion wieder wettbewerbsfähiger zu sein.
  • Die Abgaben- und Steuerlast muss für Europa harmonisiert oder für Deutschland gesenkt werden.
  • Unterstützung der qualifizierten Zuwanderung und Vereinfachung der Aufnahme der bereits im Land befindlichen arbeitenden Migranten mit unsicherem Aufenthaltsstatus.
  • Deutschlandtempo der LNG-Terminals auch für Genehmigungen im Mittelstand.
  • Infrastruktursanierung und Digitalisierung – Genua baut innerhalb von zwei Jahren eine neue Autobahnbrücke, Deutschland benötigt ein Jahr, um die marode Autobahnbrücke bei Lüdenscheid zu sprengen.
  • Abbau der überbordenden Bürokratie und der damit verbundenen Dokumentationspflichten.

Abschließend warnt Weigelt: „Wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht auch für die bereits installierte Industrie schnell und deutlich verbessert werden, haben wir zu wenige Unternehmen, die die von der Regierung gewollte Transformation begleiten und letztendlich finanzieren. Ohne die wirtschaftlich treibende Kraft Deutschlands droht auch Europa zu scheitern“.

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